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Wirksame Krebsprävention: Zur Veränderung des Krebsgeschehen in Deutschland [143]

Tumorerkrankungen sind im öffentlichen wie im privaten Raum präsenter denn je. Über vier Millionen jetzt lebende Deutsche waren im Verlaufe ihres Lebens schon einmal von Krebs persönlich betroffen bzw. leiden gegenwärtig darunter. Im Verwandten- und Bekanntenkreis kann sich kaum einer dieser Problematik entziehen. Bevölkerungsbasierte Statistiken wie der jetzt erstmals vorliegende Nationale Krebsbericht des Robert-Koch Institutes helfen bei der Bewältigung der widersprüchlichen Eindrücke, die mit dem Krebsgeschehen zwangsläufig verbunden sind.

Der Tod ist längst nicht mehr die unmittelbare, unabwendbare Konsequenz einer bösartigen Tumorerkrankung, denn mehr als die Hälfte der Patienten überleben die Diagnose. Und auch Primärprävention kann erfolgreich sein: Wenn in den letzten Jahren Magen- und Darmkrebs spürbar zurückgegangen ist, dann hat eine, diese Organe schonende Ernährungsweise ihren Anteil daran. Rückläufige Fallzahlen für Blasen- und Lungenkrebs, insbesondere bei den Männern, stehen unter anderem auch mit dem bewussten Verzicht auf Tabak in Verbindung. Umgekehrt liegt die Vermutung nahe, dass die derzeit sich immer mehr häufenden Neuerkrankungen an Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs neben Infektionen auch einen Grund in einem riskanten Konsumverhalten haben und daher ein Umdenken einfordern.


Wissenschaftliche Details

Im Jahr 2013, auf das sich der Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland bezieht, starben knapp 223.000 Menschen an Krebs; rund 253.000 Männer und 230.000 Frauen erkrankten daran neu (1). Im Vergleich zum Jahr 1970 hat sich damit die Zahl der Neuerkrankungen fast verdoppelt. Seit der Jahrtausendwende tritt Krebs zunehmend bei jungen Erwachsenen zwischen 15 und 45 Jahren auf, hingegen bei Älteren ab dem 75. Lebensjahr etwas seltener. Jeder fünfte Todesfall bei Kindern wird auf Krebs zurückgeführt.

Fatalistisch sind diese Daten dennoch nicht zu interpretieren. Eine etwa seit 1990 einsetzende Verlängerung der durchschnittlichen Lebenserwartung in Deutschland hat zum wachsenden Umfang der Krebsneuerkrankungen wesentlich mit beigetragen. Zurückgerechnet von der rein quantitativen Zunahme der Krebserkrankungen aufgrund des steigenden Lebensalters treten einige bösartige Tumoren weit weniger häufiger auf als noch vor 20 Jahren.

Zudem wächst die Zahl derjenigen, die ihren Krebs zehn Jahre, also dauerhaft überleben, stetig an. Rund eine Million Deutsche zählten im Jahr 2013 zu dieser Gruppe. Hinzu kommen 1,6 Millionen, die die Tumordiagnose bislang über fünf bis zehn Jahre überstehen und 1,1 Millionen Patienten, die auf fünf Jahre Überlebenszeit und mehr hoffen können. Die Krebssterblichkeit liegt vor allem im Süden Deutschlands am niedrigsten. Sie geht in allen Altersgruppen zurück, vor allem aber bei Menschen zwischen 45 und 55 Jahren.

Kaum eine Erkrankung tritt so heterogen und so vielschichtig auf wie Krebs. Selbst Experten tun sich schwer damit, in einer Definition das Krankheitsbild zusammenzufassen. Als Arbeitshypothese wird die Klassifikation der Tumorarten nach Vorgaben der WHO genutzt (2). Viel zu wenig ist noch darüber bekannt, wann die Schwelle vom gutartigen zum bösartigen Zellwachstum überschritten ist und welche Faktoren diese Fehlentwicklung stimulieren. Krebs eines Organes entwickelt sich molekularbiologisch betrachtet sehr unterschiedlich. Zudem nehmen Tumore manchmal alters- und geschlechtsspezifisch sowie regional geprägt einen gesonderten Verlauf.

Darmkrebs tritt bei den über 55jährigen seltener auf

Seit 2003 wird Krebs im Dickdarm und im Enddarm bei Frauen und Männern ab 55 Jahren seltener diagnostiziert; ein Trend, der einzig in Deutschland und so keinesfalls in ganz Europa zu beobachten ist. Vorstufen zu den bösartigen Tumoren werden bei Darmspiegelungen allerdings immer häufiger gefunden und dann auch entfernt. Zu den beeinflussbaren Risikofaktoren für Krebs des Dick- und Enddarmes zählen Rauchen und krankhaftes Übergewicht, ein Mangel an Bewegung und Ballaststoffen sowie ein übermäßiger Verzehr von Fertiggerichten und rotem Fleisch. Genetische Faktoren dominieren vor allem bei seltenen Tumorarten, wie etwa beim Analkarzinom, das nunmehr immer häufiger auftritt.

Krebs am Magenausgang ist rückläufig

Immer seltener erleiden vor allem Ältere Krebs am Magenausgang bzw. sterben daran. Schädigend wirken dann das Bakterium Helicobacter pylori, Rauchen, zu viel Alkohol und ungesunde Ernährung mit. Übergewicht und der Rückfluss von Magensäure belasten immer stärker den Mageneingang. Dort häufen sich bösartige Tumoren gegenwärtig vor allem bei Männern.

Blasenkrebssterblichkeit nimmt ab

Der stetige Anstieg von Blasenkrebsneuerkrankungen ist in den letzten Jahren gestoppt worden. Diese nehmen auch immer seltener einen tödlichen Verlauf. In Süddeutschland wohnende Männer profitieren am meisten, während in Ostdeutschland und in Bremen die Sterblichkeit nicht annähernd so rasch absinkt. Da die die Blase vorzugsweise schädigenden Einflüsse, wie der Tabakkonsum oder berufliche bedingte Belastungen etwa aus der Gummiherstellung und aus Anstreichtätigkeiten, über Jahrzehnte hinweg nachwirken, ist künftig mit einem weiteren Rückgang von Blasenkrebs zu rechnen, wenn entsprechende Präventionsmaßnahmen greifen.

Männer sterben seltener an Lungenkrebs

Positive Veränderungen in der Häufigkeit von Lungenkrebs spiegeln vor allem ein rückgängiges Raucherverhalten wider, das seit der Jahrtausendwende vor allem bei Männern zu beobachten ist. Männer seit längerem und neuerdings auch Frauen unter 55 Jahren aus den alten Bundesländern sterben seltener an Lungenkrebs. Adenokarzinome, die vor allem Nichtraucher befallen, treten derzeit bei beiden Geschlechtern zunehmend häufiger auf.

Brustkrebsaltlasten

Brustkrebs tritt in den neuen Bundesländern merklich seltener auf als in den Ländern der alten Bundesrepublik. Schützend wirken dort frühe und häufigere Schwangerschaften sowie traditionell lange Stillzeiten. Das Gefälle zwischen Ost und West beträgt bei den über siebzig jährigen Frauen noch rund 30 Prozent und ist bei Frauen unter 54 wieder ausgeglichen. Die bis zur Jahrtausendwende üblichen Hormonersatztherapien und hormonellen Schwangerschaftsverhütungspräparate sowie Kinderlosigkeit bzw. späte Geburten gehören hingegen zu den Risikofaktoren für Brustkrebs, deren Wirkung noch anhält. Nicht alle Risikofaktoren sind bekannt. Brustkrebs wird bei einem Prozent der Männer diagnostiziert.

Mehr Hautkrebs durch zu intensive UV – Strahlung

Mehr als zehnmal so viel Menschen als noch vor 40 Jahren erkranken derzeit an einem Melanom, sterben allerdings nicht öfter daran. Zum beeinflussbaren Hauptrisikofaktor für den schwarzen Hautkrebs zählt die zu intensive UV-Strahlung und vor allem ein entsprechend ungeschütztes Freizeitverhalten.

Bauchspeicherdrüsenkrebs nimmt kontinuierlich zu

Ein stetiger Anstieg der Neuerkrankungen durch Bauchspeicheldrüsenkrebs bei andauernd geringen Überlebenschancen wird vor allem bei älteren Menschen beobachtet. Die bösartigen Tumore entstehen überwiegend in Zellen, die Verdauungssäfte herstellen, weniger in den hormonproduzierenden Inselzellen. Starker Tabak- und Alkoholkonsum, hohes Übergewicht, Typ-2 Diabetes und der Verzehr von rotem Fleisch werden mit einem gesteigerten Risiko an Bauchspeicheldrüsenkrebs bislang in Verbindung gebracht. Ein weiterer Anstieg bis zum Jahr 2020 gilt als unvermeidbar.

Leberkrebs als wachsende Spätfolge von Infektionen und Fettsucht

Im Unterschied zum Bauchspeicheldrüsenkrebs, der eher typisch für den westlich-wohlhabenden Lebensstil ist, tritt Leberkrebs vor allem in ärmeren Ländern gehäuft auf. Die wachsenden Zahlen der Neuerkrankungen und Sterbefälle an Leberkrebs in Deutschland werden überwiegend aus den Spätfolgen von Infektionen mit dem Hepatitis-Virus sowie dem Drogenmissbrauch in den 60er bis 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts abgeleitet. Alkoholmissbrauch und Fettsucht, die u.a. eine nicht-alkoholische Fettleber zur Folge haben kann, nehmen gegenwärtig zu und sind beeinflussbar.

Bislang werden Krebserkrankungen in wirtschaftlich starken, wohlhabenden Staaten wie Deutschland häufiger diagnostiziert als in ärmeren. Ein Netz an Vorsorgeuntersuchungen und das Spektrum der Hochleistungsmedizin tragen wesentlich mit dazu bei. Deutschland liegt nach dem europäischen Maßstab im Mittelfeld. Weltweit gelten mehr als 30 Prozent der Krebserkrankungen als vermeidbar. Der Krebsbericht erläutert in einem gesonderten Kapitel bekannte beeinflussbare Risikofaktoren für unterschiedliche Tumorarten und entsprechende Schutzeffekte. Als krebsauslösend gelten der Tabak- und der übermäßige Alkoholkonsum, Radon- und Asbestbelastungen, UV-Strahlung und Bewegungsmangel.

Zu den aktiven Schutzfaktoren gegen Krebserkrankungen im persönlichen Lebensstil zählt neben ausreichender körperlicher Bewegung und den Ressourcen für Resilienz vor allem die ausgewogene Ernährung. Bioaktive Substanzen in Obst und Gemüse, wie Carotinoide, Flavonoide und Vitamine können entzündungshemmend und anti-karzinogen wirken sowie Alterungsprozesse von Zellen bremsen. Sowohl die Schutz- als auch die Risikofaktoren unterliegen einer ständigen fachwissenschaftlichen Bewertung. Die in fünf Jahren in Aussicht gestellte neue Ausgabe des Berichtes zum Krebsgeschehen in Deutschland wird den Wissenszuwachs im Bereich der primären Krebsprävention darstellen.


Zum Weiterlesen

Robert-Koch-Institut (2016): Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016. Zentrum für Krebsregisterdaten im Robert Koch-Institut (Hrsg). Berlin. Online unter https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebsgeschehen/Krebsgeschehen_download.pdf?__blob=publicationFile

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