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Über nachhaltige Ernährung und das Potential von Fleischalternativen für Mensch und Umwelt [356]

Nicht nur in Deutschland tut sich etwas in Sachen nachhaltige Ernährung (siehe den Neues aus der Wissenschaft-Artikel zum Ernährungsreport 2020 [355]) – in ganz Europa sprechen sich Konsumenten für eine nachhaltige Ernährungsweise aus. Das zeigt eine europaweite Umfrage des Europäischen Verbraucherverbands BEUC (1). Nachhaltig, das bedeutet nach Ansicht der Befragten umweltfreundlich, ohne Gentechnik, pestizidfrei und regional. Zwei Drittel der Konsumenten sind offen dafür, ihre Ernährungsgewohnheiten zugunsten der Umwelt anzupassen. Über 40 % gaben an, unserem Planeten zuliebe schon jetzt auf Fleisch zu verzichten oder ihren Konsum zu reduzieren.

Wie eine nachhaltige Ernährung für die Umwelt und die menschliche Gesundheit aussieht, ist noch nicht abschließend geklärt. Der Großteil der aktuellen Studien deutet darauf hin, dass sie vorwiegend pflanzlich ist und tierische Produkte nur in geringen Mengen beinhaltet. Das liegt daran, dass Lebensmittel tierischen Ursprungs, allen voran Fleisch, in großen Mengen produziert und verzehrt, mit negativen Auswirkungen auf Mensch und Natur assoziiert sind (2-4). Pflanzliche Fleischalternativen sollten aber als hochverarbeitete Produkte die Ausnahme bleiben.


Wissenschaftliche Details

Dass unsere aktuelle westliche Ernährungsweise erheblich zur drohenden Klimakrise beiträgt, ist mittlerweile keine Neuigkeit mehr. Immerhin macht die Ernährung in Deutschland rund ein Drittel des ökologischen Fußabdrucks aus – also anteilig weniger als andere Einflussfaktoren wie Wohnen oder Mobilität (5). Das Ausmaß, in dem die Konsumenten die Umwelt durch ihre Kauf- und letztendlich Essentscheidungen beeinflussen, ist den meisten zumindest in Europa nicht bewusst. Zu diesem Schluss kommt der Europäische Verbraucherverband (BEUC) in einer kürzlich erschienen Analyse (1).

Die wichtigsten Erkenntnisse kurz zusammengefasst:

  • Über die Hälfte aller Konsumenten sagt, dass ihre Bedenken zum Thema Nachhaltigkeit ihre Ernährungsgewohnheiten beeinflussen.
  • Insekten oder Fleisch aus dem Labor lehnen die meisten der Befragten ab, hingegen ist der Großteil offen für pflanzliche Fleischalternativen, sofern diese ohne Gentechnik produziert werden, und für alternative Proteinquellen wie Hülsenfrüchte.
  • Über 50 % der Befragten sind der Meinung, dass für die Landwirtschaft Anreize (z.B. Subventionen) geschaffen werden sollten, damit diese ihre Lebensmittelproduktion nachhaltiger gestalten kann.
  • Fast 60 % wünschen sich eine bessere Kennzeichnung der Lebensmittel hinsichtlich Nachhaltigkeit.
  • Steuern auf weniger nachhaltige Lebensmittel sind unter den Befragten nicht beliebt.

Auf Basis der erhobenen Daten empfiehlt der Verband, die öffentliche Aufmerksamkeit für den Einfluss von Lebensmittelproduktion und -konsum auf die Umwelt zu steigern. Sie fordern klare und unabhängige Ernährungsempfehlungen, die nach Kriterien der Gesundheit und Nachhaltigkeit formuliert werden und zu einer pflanzenbasierten Ernährung ermutigen. Nach Ansicht des Verbands muss es für die Verbraucher einfach sein, beim Lebensmitteleinkauf eine nachhaltige Wahl treffen zu können.

Pflanzenbasierte Kost – die Ernährungsweise der Zukunft?

Diskussionen darüber, wie eine nachhaltige und gleichzeitig gesunde Ernährung aussehen kann, sind aktuell präsent wie nie. Zahlreiche Wissenschaftler fordern eine pflanzenbasierte Ernährung mit einem nur geringen Anteil tierischer Produkte (2-4). Uns Menschen würde ein geringerer Verzehr tierischer Produkte nicht schaden. Nach wie vor ist vielfach wissenschaftlich belegt, dass ein höherer Verzehr von insbesondere verarbeitetem rotem Fleisch mit einem höheren Risiko für Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bestimmten Krebsarten und dem vorzeitigen Tod verbunden ist (6-9).

Fleischalternativen unter gesundheitlichen Gesichtspunkten nicht uneingeschränkt empfehlenswert

Mit der zunehmenden Skepsis gegenüber dem aktuellen Fleischkonsum steigt auch die Nachfrage nach Alternativen. Von Sojagranulat über Insekten bis hin zu in-vitro-Fleisch aus dem Reagenzglas – aktuell scheint es für Fleischersatz keine Denkverbote zu geben. Das birgt viel Potenzial: Wir Menschen sind Gewohnheitstiere und möchten ungern auf unser Grillwürstchen oder Spaghetti Bolognese verzichten. Wenn es also pflanzliche Alternativen gibt, die vergleichbar schmecken, aber auch in Sachen Umwelt und Tierwohl punkten können – umso besser?

Jein. Denn ebenso wie für Wurst als hochverarbeitetes Lebensmittel braucht es auch für die vegetarischen Alternativen häufig viele Verarbeitungsschritte, damit sie von der Sojabohne zum schmackhaften Veggie-Würstchen werden. Das beinhaltet mitunter die Zugabe verschiedener Aromen und Zusatzstoffe, deren Wirkung auf den menschlichen Organismus teilweise noch unbekannt ist (10). Außerdem enthalten die vegetarischen und veganen Fleischalternativen mitunter hohe Mengen gesättigter Fettsäuren und Salz (11). Gerade der hohe Gehalt dieser Stoffe ist einer der Hauptgründe dafür, dass sich verarbeitete Fleischprodukte negativ auf die menschliche (Herz-)Gesundheit auswirken können.

So positiv wirken sich Tofu-Würstchen & Co. auf die Umwelt aus

Für die Umwelt scheinen Fleischersatzprodukte eine echte Option zu sein: Laut einer kürzlich vom Umweltbundesamt veröffentlichten Studie verursacht die Herstellung von pflanzlichem Fleischersatz nur einen Bruchteil der Treibhausgasemissionen, die bei der Produktion von Rindfleisch und auch anderen Fleischsorten ausgestoßen werden (12). Die Autoren einer Studie zu alternativen Proteinquellen kamen zu dem Schluss, dass durch eine pflanzenbasierte Ernährung die Treibhausgasemissionen ebenso wie der Bedarf an Ackerland und Stickstoffdünger um bis zu 50 % reduzieren werden könnten. Allerdings würde sich der Bewässerungsbedarf um 15 % erhöhen (13).

Zurück zum Sonntagsbraten: Fleisch und Fleischalternativen sollten die Ausnahme bleiben

Fleischersatzprodukte können eine gute Alternative sein, um den eigenen Fleischkonsum ohne großartige Geschmackseinbußen zu verringern und der Umwelt etwas Gutes zu tun. Allerdings ist entscheidend, woraus die Fleischalternative hergestellt ist: Besteht sie zum Großteil aus Milch oder Ei, wird mit deren Produktion ebenso die Massentierhaltung und somit die Klimakrise genährt – sie sind also keine wirklich umweltfreundliche Alternative. Nachhaltiger scheinen nach aktuellem Wissensstand die pflanzlichen Fleischalternativen, z.B. aus Soja, zu sein. Weil sie ebenso hoch verarbeitete Produkte sind und ähnlich salzreich wie das „Original“, sollten sie allerdings nur selten verzehrt werden. Gesunde Alternativen für den Alltag sind pflanzliche Proteinquellen wie Nüsse, Samen, Hülsenfrüchte und Zwischenprodukte wie Tofu, Seitan und Tempeh.

Eine kurze wissenschaftliche Einschätzung zum Thema „Fleischersatzprodukte“ lesen Sie auch hier auf dem Blog unserer Initiative „Deutschland bestimmt das Herzalter!“.


Zum Weiterlesen

(1) The European Consumer Organisation (BEUC) (2020): One bite at a time: Consumers and the transition to sustainable food. Analysis of a survey of European consumers on attitudes towards sustainable food. June 2020. Online unter https://www.beuc.eu/publications/one-bite-time-consumers-and-transition-sustainable-food

(2) Intergovernmental Panel on Climate Change (2019): Climate Change and Land. Online unter https://www.ipcc.ch/report/srccl/

(3) R. Harrabin (2019): Plant-based diet can fight climate change – UN. In: BBC. Online unter https://www.bbc.com/news/science-environment-49238749

(4) W. Willett et al. (2019): Food in the Athropocene: the EAT-Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. In: The Lancet Commissions, Vol. 393, Nr. 10170, S. 447-492. Online unter https://www.thelancet.com/pdfs/journals/lancet/PIIS0140-6736(18)31788-4.pdf?utm_campaign=tleat19&utm_source=HubPage

(5) Brot für die Welt (2020): Über den ökologischen Fußabdruck. Online unter https://www.fussabdruck.de/oekologischer-fussabdruck/ueber-den-oekologischen-fussabdruck/

(6) R.W.M. Vernooij et al. (2019): Patterns of red and processed meat consumption and risk for cardiometabolic and cancer outcomes a systematic review and meta-analysis of cohort studies. In: Annals of Internal Medicine. Online unter https://annals.org/aim/fullarticle/2752327/patterns-red-processed-meat-consumption-risk-cardiometabolic-cancer-outcomes-systematic

(7) M.A. Han et al. (2019): Reduction of red and processed meat intake and cancer mortality and incidence: a systematic review and meta-analysis of cohort studies. In: Annals of Internal Medicine. Online unter https://annals.org/aim/fullarticle/2752321/reduction-red-processed-meat-intake-cancer-mortality-incidence-systematic-review

(8) D. Zeraatkar et al. (2019): Effect of lower versus higher red meat intake on cardiometabolic and cancer outcomes: a systematic review of randomized trials. In: Annals of Internal Medicine. Online unter https://annals.org/aim/fullarticle/2752326/effect-lower-versus-higher-red-meat-intake-cardiometabolic-cancer-outcomes

(9) World Cancer Research Fund International (2019): Red and processed meat still pose cancer risk, warn global health experts. Online unter https://www.wcrf.org/int/latest/news-updates/red-and-processed-meat-still-pose-cancer-risk-warn-global-health-experts

(10) J. Scholl (2020): Fleischfrei gesund und klimafreundlich essen – die Evidenz fehlt. In: Deutsches Ärzteblatt, Vol. 27-28, Nr. 117. Online unter https://www.aerzteblatt.de/archiv/214649/Ernaehrung-und-Klima-Fleischfrei-gesund-und-klimafreundlich-essen-die-Evidenz-fehlt

(11) Verbraucherzentrale (2017): Gesundheitswert und Transparenz der Kennzeichnung von veganen und vegetarischen Ersatzprodukten. Online unter https://www.verbraucherzentrale.de/sites/default/files/2017-11/VZN-Marktcheck-10sk.pdf

(12) T. Jetzke et al. (2020): Die Zukunft im Blick: Fleisch der Zukunft. Trendbericht zur Abschätzung der Umweltwirkungen von pflanzlichen Fleischersatzprodukten, essbaren Insekten und In-vitro-Fleisch. Umweltbundesamt. Online unter https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/die-zukunft-im-blick-fleisch-der-zukunft

(13) G. Eshel (2019): Environmental Optimal, Nutritionally Sound, Protein and Energy Conserving Plant Based Alternatives to US Meat. In: Nature Scientific Reports, Vol. 9, Nr. 10345. Online unter https://www.nature.com/articles/s41598-019-46590-1

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