Nahrungsergänzungsmittel

Werden die Grundsätze einer gesunden Ernährung befolgt, sind bei dem Großteil der Menschen keine Supplemente nötig. Ihr Einsatz zur Prävention verschiedener Erkrankungen ist dennoch weit verbreitet und Gegenstand aktueller wissenschaftlicher Studien.

Krebserkrankungen vorbeugen?

Für die Krebsprävention gilt: Der Nährstoffbedarf sollte ausschließlich über eine gesunde Ernährung gedeckt werden. Nahrungsergänzungsmittel werden zur Verhütung von Krebserkrankungen im Allgemeinen nicht empfohlen. In einer prospektiven, randomisierten, placebokontrollierten Langzeitstudie konnte beispielsweise durch eine Supplementierung von Calcium und Vitamin D bei älteren, postmenopausalen, gesunden Frauen das Risiko für ein Auftreten von Krebserkrankungen nicht gesenkt werden [1]. Ist eine ausreichende Nährstoffzufuhr in bestimmten Situationen, z.B. im Falle einer Krankheit, bei bestehendem Nährstoffmangel oder bei einer erschwerten Nahrungsaufnahme, nicht zu gewährleisten, kann die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln nach Rücksprache mit Ihrem Arzt erwogen werden [2].

Das Herz-Kreislaufsystem schützen?

Da Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems weiterhin auf Platz eins der Todesursachenstatistik in Deutschland stehen [3], wundert es nicht, dass die Nachfrage an Supplementen zur Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen entsprechend hoch ist. Die wissenschaftliche Studienlage ist hierzu allerdings kontrovers: So gibt es einige Studien, die einen Zusammenhang zwischen Nahrungsergänzungsmitteln wie omega-3-Fettsäuren, Niacin, Coenzym Q10 oder Selen und einem verminderten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bestätigen. In einer prospektiven, randomisierten, placebokontrollierten 5‑Jahres‑Langzeitstudie konnte beispielsweise durch die kombinierte Supplementierung von Selen und Coenzym Q10 eine hochsignifikante Reduktion der kardiovaskulären Mortalität bei älteren Personen nachgewiesen werden [4]. Im Folgejahr erschien jedoch eine umfassende Meta-Analyse, die unter Betrachtung einer Vielzahl aktueller Studien keinen Zusammenhang feststellen konnte [5]. Welche Substanzen letztlich Einfluss auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität nehmen, bedarf weiterer kontrollierter, klinischer Langzeitstudien. In jedem Fall ist es ratsam, eine Supplementation zuvor ausführlich mit dem behandelnden Arzt zu besprechen, um z.B. Gefahren wie eine Überdosierung oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu vermeiden.

Bis ins hohe Alter fit bleiben?

Was den Einfluss von Nahrungsergänzungsmitteln auf die Gesamtmortalität betrifft, ist die Studienlage verhältnismäßig eindeutig: Mehrere aktuelle Meta-Analysen konnten keinen Nutzen einer Supplementation von Mikronährstoffen für das allgemeine Sterblichkeitsrisiko feststellen. Dabei spielte es keine Rolle, ob in den Studien einzelne Nährstoffe oder Kombipräparate aus verschiedenen Vitaminen und Mineralstoffen verabreicht wurden [6;7].

Sich mit gesunder Ernährung Gutes tun

Das Mittel der Wahl zur Vorbeugung von Krankheiten und vorzeitiger Sterblichkeit ist und bleibt eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung. So wurde beispielsweise in der Nurse Health Study II bei 93.600 Frauen im Alter von 25 bis 42 Jahren während eines 18‑jährigen Beobachtungszeitraums eine signifikante inverse Assoziation zwischen anthocyaninreicher Nahrung (insbesondere Blaubeeren und Erdbeeren) und dem Herzinfarktrisiko beobachtet [8]. In einer im New England Journal of Medicine veröffentlichten Langzeitstudie konnte zudem gezeigt werden, dass eine langfristige Verbesserung der Ernährungsqualität mit einem verminderten Mortalitätsrisiko in Verbindung steht [9]. Bei den knapp 74.000 Probanden sank das Sterblichkeitsrisiko umso deutlicher, je konsequenter diese sich an gesunden Ernährungsmustern wie beispielsweise der mediterranen Kost orientierten.

Eine solch umfassende und eindeutig positive Auswirkung auf den menschlichen Körper konnte durch Nahrungsergänzungsmittel bislang nicht nachgewiesen werden. Eine Auswahl an protektiven Mechanismen einzelner Lebensmittel und Lebensmittelgruppen entnehmen Sie dieser Tabelle.

Fazit

  • Nahrungsergänzungsmittel sollten nur nach Feststellung eines manifesten Mangels und in ärztlicher Absprache eingenommen werden.
  • Für die Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen oder Krebs durch Nahrungsergänzungsmittel können aktuell keine evidenzbasierten Empfehlungen ausgesprochen werden [10]. Die Deckung des Nährstoffbedarfs sollte primär über eine gesunde Ernährung erfolgen. Wenn Sie trotz dessen eine Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln in Betracht ziehen wollen, lassen Sie sich dazu im Vorfeld unbedingt von Ihrem Hausarzt beraten.
  • Das Gesamtmortalitätsrisiko lässt sich nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln nicht senken.
  • Eine ausgewogene, gesunde Ernährung wirkt sich nachhaltig positiv auf den menschlichen Stoffwechsel aus und kann so das Mortalitätsrisiko senken.
  • Nahrungsergänzungsmittel sind somit, wie der Name vermuten lässt, z.B. bei einem bestätigten Mangel eine hilfreiche Ergänzung einer gesunden Kost, können jedoch weder
    • einem gesunden Menschen dazu verhelfen, noch gesünder zu werden, noch
    • eine einseitige, unausgewogene Ernährung kompensieren.

Quellen

[1] J. Lappe et al. (2017): Effect of Vitamin D and Calcium Supplementation on Cancer Incidence in Older Women. A Randomized Clinical Trial. In: Journal of the American Medical Association, Vol. 317, Nr. 12, S. 1234-1243.

[2] World Cancer Research Fund / American Institute for Cancer Research (2007): Food, Nutrition, Physical Activity, and the Prevention of Cancer: A Global Perspective. Washington, DC: AICR. Online unter http://www.aicr.org/assets/docs/pdf/reports/Second_Expert_Report.pdf.

[3] Statistisches Bundesamt (2017): Todesursachen 2015. Online unter https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Todesursachen/Todesursachen.html.

[4] U. Alehagen et al. (2012): Cardiovascular mortality and N-terminal-proBNP reduced after combined selenium and coenzyme Q10 supplementation: A 5-year prospective randomized double-blind placebocontrolled trial among elderly Swedish citizens. In: International Journal of Cardiology, Vol. 167, Nr. 5, S. 1860-1866.

[5] S.-K. Myung et al. (2013): Efficacy of vitamin and antioxidant supplements in prevention of cardiovascular disease: systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. In: The British Medical Journal, Vol. 346, f10.

[6] A.J. Curtis et al. (2014): Vitamin E supplementation and mortality in healthy people: A meta-analysis of randomized controlled trials. In: Cardiovascular Drugs and Therapy, Vol. 28, S. 563-573.

[7] H. Macpherson, A. Pipingas, M.P. Pase (2013): Multivitamin-multimineral supplementation and mortality: a meta-analysis of randomized controlled trials. In: The American Journal of Clinical Nutrition, Vol. 97, Nr. 2, S. 437-444.

[8] A. Cassidy et al. (2013): High Anthocyanin Intake Is Associated With a Reduced Risk of Myocardial Infarction in Young and Middle-Ages Women. In: Circulation, Vol. 127, Nr. 2, S. 188-196.

[9] M. Sotos-Prieto et al. (2017): Association of Changes in Diet Quality with Total and Cause-Specific Mortality. In: The New England Journal of Medicine, Vol. 377, S. 143-153.

[10] V.A. Moyer (2014): Vitamin, Mineral, and Multivitamin Supplements for the Primary Prevention of Cardiovascular Disease and Cancer: U.S. Preventive Services Task Force Recommendation Statement. In: Annals of Internal Medicine, Vol. 160, Nr. 8, S. 558-564.