Die paläolithische Diät orientiert sich an Ernährungsgewohnheiten aus der Steinzeit. Fleisch, Fisch, Eier, Nüsse, Obst und Gemüse werden bevorzugt konsumiert. Getreide, Hülsenfrüchte, Milchprodukte, Salz, raffinierter Zucker und verarbeitete Öle sind hingegen weitestgehend von der Ernährung ausgeschlossen.
Befürworter gehen davon aus, dass das Ernährungsmuster die Darmgesundheit fördern kann. Diese Vermutung stellen australische Wissenschaftler jetzt in Frage. Ihre im European Journal of Nutrition publizierten Studienergebnisse verweisen zudem darauf, dass eine streng eingehaltene Paleo-Diät den Gehalt an Trimethylamin-N-Oxid (TMAO) im Blut ansteigen lässt. TMAO weist als ein Biomarker auf ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin (1).
Wissenschaftliche Details
Anhänger der paläolithischen Ernährungsweise gehen davon aus, dass sich das menschliche Erbgut nicht an den Verzehr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen angepasst hat. Daher versuchen sie, ihre Ernährung möglichst an die der Jäger und Sammler aus der Altsteinzeit anzugleichen. Der Fokus liegt auf weitgehend unverarbeiteten Lebensmitteln, die in ähnlicher Form auch schon vor 2,5 Millionen Jahren für die Gattung „Mensch“ verfügbar waren. Zu den Hauptbestandteilen der Kost zählen daher Obst und Gemüse, Nüsse und Samen, Fleisch und Fisch, Eier sowie gesunde Fette. Lebensmittel, die erst nach der Einführung von Ackerbau und Viehzucht aufkamen, können nach Meinung der Paleo-Verfechter den Organismus schädigen und sollten daher gemieden werden. Hierzu zählen Getreideprodukte, Hülsenfrüchte, Milchprodukte, Zucker, stark verarbeitete pflanzliche Fette und künstliche Zusatzstoffe (2,3).
Australische Wissenschaftler haben jetzt erstmals den Einfluss der Paleo-Diät auf das Mikrobiom[1] im Rahmen einer Querschnittsstudie genauer untersucht (1). Ihre Ergebnisse bestätigen die postulierte gesundheitsförderliche Wirkung des Ernährungsmusters nicht, sondern wiesen im Gegenteil auf ernährungsbedingte Belastungen für den Darm und vor allem für das Herz-Kreislauf-System hin.
44 Frauen und Männer mittleren Alters, die von sich selbst angaben, seit mehr als einem Jahr die Paleo-Diät zu verfolgen, wurden in die Studie einbezogen. Als Vergleich diente eine Gruppe von 47 Erwachsenen, die eine Kost entsprechend den australischen Ernährungsempfehlungen verzehrte. Die Ernährungsweisen wurden über einen Zeitraum von drei Tagen mithilfe von Wiegeprotokollen dokumentiert und bewertet, außerdem wurden 48-Stunden-Stuhlproben und Blutproben entnommen. Nach Auswertung der Ernährungsprotokolle wurde die Probandengruppe mit der Paleo-Ernährung unterteilt in diejenigen, die sich streng an die Vorgaben hielten (n=22) und diejenigen, die weniger konsequent waren und mehr als eine Portion Getreide und Milchprodukte am Tag zu sich nahmen (n = 22).
Die Auswertung ergab eine halb so hohe Aufnahme von resistenter Stärke in den beiden Paleo-Gruppen im Vergleich zu den Personen, die eine für nationale Empfehlungen typische Ernährung verfolgten. Auch veränderte sich in den Diätgruppen das Darmmikrobiom: Die Zahl der nützlichen Mikroben hatte sich verringert, dafür war das Bakterium Hungatella, welches im Darm Trimethylamin-N-Oxid (TMAO) produziert, häufiger zu finden. Entsprechend lag der TMAO-Spiegel in der Gruppe der streng paleo essenden Testpersonen höher als der der inkonsequenten Diätgruppe und der Kontrollgruppe. Je höher der Vollkornkonsum war, umso weniger TMAO konnte bei den Probanden nachgewiesen werden. TMAO weist als Biomarker auf das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin. Es wird im Darm gebildet und ist sowohl abhängig von der Ernährungsweise als auch von der Zusammensetzung der Darmflora. Die Wissenschaftler vermuten daher, dass insbesondere der Mangel an Vollkornprodukten in den Paleo-Gruppen zum Anstieg von TMAO und damit auch zum anwachsenden Herz-Kreislaufrisiko beigetragen hat.
Insbesondere im Hinblick auf den propagierten hohen Konsum von rotem Fleisch dürfte die Paleo-Diät langfristig das Risiko für chronische Erkrankungen erhöhen, vermuten die australischen Wissenschaftler. Im Widerspruch dazu steht eine kürzlich veröffentlichte Übersichtsarbeit, in denen positive, jedoch nicht ausreichend evidenzbasierte Effekte einer Paleo-Kost auf kardiovaskuläre Risikofaktoren festgestellt wurden (4). Auch hinsichtlich der möglichen Prävention eines metabolischen Syndroms durch die Paleo-Diät ist sich die Forschung uneins (5,6). Es sind weitere Studien notwendig, um die Auswirkungen einer an die Altsteinzeit angelehnten Kost auf verschiedenen Erkrankungsmuster genauer definieren und daraus Ernährungsempfehlungen ableiten zu können. Dafür ist es problematisch, dass die Paleo-Diät je nach Land, Umfeld oder Vorreiter unterschiedlich definiert und umgesetzt wird. Eine Vereinheitlichung ist die Voraussetzung dafür, dass gezielte Studien durchgeführt werden können, die mehr Informationen über die Wirkung der Paleo-Kost auf insbesondere ernährungsabhängige Erkrankungen liefern.
Zum Weiterlesen
(1) A. Genoni et al. (2019): Long-term Paleolithic diet is associated with lower resistant starch intake, different gut microbiota composition and increased serum TMAO concentrations. In: European Journal of Nutrition. Online-Vorveröffentlichung. Online unter https://link.springer.com/article/10.1007/s00394-019-02036-y
(2) S.B. Eaton, M. Konner (1985): Paleolithic Nutrition: A Consideration of Its Nature and Current Implications. In: The New England Journal of Medicine, Vol. 312, Nr. 5, S. 283–289. Online unter https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJM198501313120505
(3) E. Lange (2015): Paleo-Diät für Einsteiger: Die neue Steinzeitküche – pur genießen, gesund abnehmen. Gräfe und Unzer Verlag.
(4) E. Ghaedi et al. (2019): Effects of a Paleolithic Diet on Cardiovascular Disease Risk Factors: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. In: Advances in Nutrition, Vol. 10, Nr. 4, S. 634-646. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31041449
(5) E.W. Manheimer et al. (2015): Paleolithic nutrition for metabolic syndrome: systematic review and meta-analysis. In: American Journal of Clinical Nutrition, Vol. 102, Nr. 4, S. 922-932. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4588744/
(6) T.R. Fenton, C.J. Fenton (2016): Paleo diet still lacks evidence. In: American Journal of Clinical Nutrition, Vol. 104, Nr. 3, S. 844. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4997304/#b1
Fußnote
[1] Das Mikrobiom ist das Ensemble der im menschlichen Darm angesiedelten Mikroorganismen.