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Omega-3-Fettsäuren-Präparate doch kein Geheimtipp zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen? [364]

Fisch wird – zu Recht – schon seit langem als eines der herzgesündesten Lebensmittel überhaupt gehandelt. Das ist vor allem auf die herzgesunden mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren zurückzuführen. Wer keinen Fisch mag oder essen möchte, kann denselben positiven Effekt allerdings nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht durch die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren als Nahrungsergänzungsmittel herbeiführen. Darauf deuten auch die Ergebnisse von zwei aktuellen Studien hin, in denen der Nutzen von Omega-3-Fettsäuren-Präparaten auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit untersucht wurde (1). Im Gegenteil: In beiden Studien waren überraschenderweise gerade die Teilnehmer häufiger von Vorhofflimmern betroffen, die die mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren einnahmen (2,3).

Nach aktuellem Wissensstand sind Omega-3-Fettsäurenpräparate zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht empfehlenswert. Besser ist es, sich herzgesund zu ernähren. Ein gutes Beispiel dafür ist die Mittelmeerkost, im Rahmen derer ein- bis zweimal wöchentlich insbesondere fettreicher Seefisch gegessen wird. Wer sich herzgesund ernährt, kann sein Sterberisiko um bis zu einem Viertel senken (4).


Wissenschaftliche Details

Dass Fett nicht mehr nur der böse Dickmacher ist, sondern die richtigen Fette uns sogar gesund erhalten können, ist mittlerweile den meisten bekannt. Besonders positiv scheinen sich die mehrfach ungesättigten Fettsäuren auf unsere Gesundheit auszuwirken, speziell die sogenannten Omega-3-Fettsäuren. Sie kommen vor allem in fettreichem Seefisch vor und wirken im Körper unter anderem entzündungshemmend und triglyceridsenkend.

Deshalb wird von gängigen Fachgesellschaften empfohlen, im Rahmen einer gesunden Ernährung ein- bis zweimal wöchentlich Fisch zu essen – vorzugsweise fettreiche Sorten wie Lachs, Makrele oder Hering (5,6). Das Problem: Mehr und mehr Menschen verzichten aus Gründen des Tierwohls oder der Umwelt auf Fisch, viele Menschen mögen zudem schlichtweg keinen Fisch. Lässt sich der positive gesundheitliche Effekt also auch erzielen, wenn die in Fisch enthaltenen mehrfach ungesättigten Fettsäuren EPA[1] und DHA[2] als Nahrungsergänzung eingenommen werden?

Das wird in der Wissenschaft schon seit Jahren kontrovers diskutiert. Dabei wird ein positiver Effekt auf die verschiedensten Erkrankungen untersucht, unter anderem auf Demenz, Diabetes oder Einschränkungen im Bewegungsapparat. Besonders im Fokus stehen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die nach wie vor der häufigste Grund für einen vorzeitigen Tod weltweit sind. Die triglyceridsenkende Wirkung von EPA und DHA schürte lange Zeit die Hoffnung, die Prävention von Erkrankungen von Herz und Gefäße durch den Einsatz von Fischöl-Präparaten revolutionieren zu können. Dass diese Hoffnung unbegründet ist, weil die Präparate das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse nicht wie erwartet und erhofft senken, bestätigen zwei aktuelle Studien nun erneut.

In der sogenannten STRENGTH-Studie, in der mehr als 13.000 Probanden untersucht wurden, wurden die Auswirkungen der Einnahme von 4 g Omega-3-Fettsäuren und derselben Menge Maiskeimöl auf Menschen, die Statine einnahmen und ein hohes kardiovaskulären Risiko sowie erhöhten Triglycerid- und erniedrigten HDL-Cholesterinspiegeln hatten, untersucht. Weil sich im Studienverlauf kein signifikanter Unterschied zwischen der Interventions- und der Kontrollgruppe auf das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse zeigte, aber in der Interventionsgruppe deutlich häufiger gastrointestinale Beschwerden sowie etwas häufiger Vorhofflimmern auftraten, wurde die Studie vorzeitig beendet (2).

Die Autoren der OMEMI-Studie mit rund 1.000 Studienteilnehmern untersuchten den Effekt von 1,8 g Omega-3-Fettsäuren gegenüber Maiskeimöl bei älteren Patienten, die schon einen Herzinfarkt überstanden hatten. Auch hier zeigten sich kein signifikanter Unterschied in Sachen kardiovaskuläre Ereignisse zwischen beiden Gruppen. Im Gegenteil: Auch in dieser Studie trat Vorhofflimmern vermehrt unter den Studienteilnehmern auf, die Omega-3-Fettsäuren eingenommen hatten (3).

Die Studienergebnisse sind insofern überraschend, als dass in den letzten Jahren auch Studien veröffentlicht wurden, die einen herzschützenden Effekt der Omega-3-Fettsäuren zeigten. Die bekannteste ist wohl die REDUCE-IT-Studie mit etwa 8.000 Teilnehmern, in der das Risiko für einen Herzinfarkt, Schlaganfall und Tod durch kardiovaskuläre Ereignisse durch eine hochdosierte EPA-Gabe um bis zu einem Viertel gesenkt werden konnte (7). Beim Vergleich dieser mit den beiden aktuellen Studien ist allerdings zu berücksichtigen, dass in der REDUCE-IT-Studie im Unterschied zu den oben angeführten Studien nur EPA anstelle von einer Kombination aus EPA und DHA verabreicht wurde. Es wird daher diskutiert, ob DHA den positiven Effekt von EPA wieder aufheben könnte. Auch die Wahl des in der Kontrollgruppe verabreichten Öls, nämlich in der REDUCE-IT-Studie Paraffinöl, während die Kontrollgruppen der STRENGTH- und OMEMI-Studie Maiskeimöl erhielten, sollte nicht außer Acht gelassen werden. Die unterschiedlichen Auswirkungen der beiden als Placebo angewandten Öle u.a. auf den Blutfettstoffwechsel und andere Blutparameter können eine weitere Erklärung für die auf den ersten Blick widersprüchlich scheinenden Studienergebnisse sein (1,2).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Fischöl-Präparate nach aktuellem Wissensstand nicht zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse empfohlen werden können (2,3,8,9). Wen das betrübt, der darf sich bewusst machen, dass es eine weitaus natürlichere, schmackhaftere und wissenschaftlich fundierte Alternative zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt: Herzgesund essen. Eine nachgewiesenermaßen herzgesunde Ernährung ist beispielsweise die Mittelmeerkost (4). Sie zeichnet sich aus durch viel Gemüse, reichlich Olivenöl und – wer hätte es gedacht – mehrfach wöchentlich Fisch. Auch Getreideprodukte und Hülsenfrüchte landen täglich auf dem mediterranen Teller, ebenso wie Sauermilchprodukte. Fleisch, Wurst oder Eier gibt es nur selten, und auch bei Zucker und Salz wird gespart (10). Wer sich mediterran ernährt, profitiert sozusagen doppelt: Das Essen schmeckt und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird gesenkt. Gibt es einen besseren Geheimtipp?


Zum Weiterlesen

(1) S. Heinzl (2020): STRENGTH- und OMEMI-Studie setzen Entzauberung von Omega-3-Fettsäuren fort: Kein Nutzen, aber mehr Vorhofflimmern. Online unter https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4909472

(2) J. Nicholis et al. (2020): Effect on High-Dose Omega-3 Fatty Acids vs Corn Oil on Major Adverse Cardiovascular Events in Patients at High Cardiovascular Risk. The STRENGTH Randomized Clinical Trial. In: Journal of the American Medical Association. Online unter https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/2773120

(3) A.A. Karlstad et al. (2020): Effects of n-3 Fatty Acid Supplements in Elderly Patients after Myocardial Infarction: A Randomized Controlled Trial. In: Circulation. Online unter https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCULATIONAHA.120.052209

(4) R. Estruch et al. (2013): Primary Prevention of Cardiovascular Disease with a Mediterranean Diet. In: The New England Journal of Medicine, Vol. 368, S. 1279-90. Online unter https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1200303

(5) Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (2019): DGE-Ernährungskreis. Lebensmittelgruppen – Fleisch, Wurst, Fisch und Eier. Online unter https://www.dge-ernaehrungskreis.de/lebensmittelgruppen/fleisch-wurst-fisch-und-eier/

(6) American Heart Association (2017): Fish and Omega-3 Fatty Acids. Online unter https://www.heart.org/en/healthy-living/healthy-eating/eat-smart/fats/fish-and-omega-3-fatty-acids

(7) Assmann-Stiftung für Prävention (2019): Die Omega-3-Fettsäure EPA schützt vor Herzinfarkt und Schlaganfall – Ausnahmeergebnisse der REDUCE-IT-Studie. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/die-omega-3-fettsaeure-epa-schuetzt-vor-herzinfarkt-und-schlaganfall-ausnahmeergebnisse-der-reduce-it-studie-259/

(8) M. Smolich (2018): Schützen Omega-3-Fettsäuren vor Herzinfarkt? Ernährungsmedizinblog. Online unter https://www.ernaehrungsmedizin.blog/2018/02/09/schuetzen-omega-3-fettsaeuren-vor-herzinfarkt/

(9) T. Aung et al. (2018): Associations of Omega-3 Fatty Acid Supplement Use With Cardivascular Disease Risks. Meta-analysis of 10 Trials Involving 77 917 Individuals. In: Journal of the American Medical Association, Vol. 3, Nr. 3, S. 225-233. Online unter https://jamanetwork.com/journals/jamacardiology/fullarticle/2670752

(10) Assmann-Stiftung für Prävention (2018): Mittelmeerkost. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/mittelmeerkost/

Fußnoten

[1] Eicosapentaensäure

[2] Docosahexaensäure

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