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Erbgutveränderungen durch das Rauchen in der Schwangerschaft [129]

Ultraschallbilder lassen vermuten, dass ein Fötus ab dem sechsten Monat das Gesicht verzieht, wenn seine Mutter raucht. Da Kinder von rauchenden Müttern zudem häufig an Übergewicht, Lungenerkrankungen, Allergien oder sogar an Krebs leiden, belegt über den Moment der Bildgebung hinaus, wie vielfältig Nikotin in einer empfindlichen Entwicklungsphase das ganze spätere Leben belasten kann. Grund hierfür sind dauerhafte Abdrücke, die das Rauchen der werdenden Mutter in der Erbgutsteuerung bei Mutter und Kind hinterlässt. Studienergebnisse belegen jetzt erstmals, dass der Tabakkonsum besonders häufig Veränderungen in den Erbgut-Abschnitten auslösen kann, die für die Aktivierung gleich mehrerer Gene bedeutsam sind. Rauchen in der Schwangerschaft kann so das Risiko für ganz unterschiedliche Erkrankungen erhöhen, indem es das Erbgut vorzugsweise an Schaltstellen beeinträchtigt, die erst später im Leben für die Regulierung von Genen bedeutsam werden. Obgleich in den letzten Jahren die Zahl der Nichtraucherinnen kontinuierlich wächst, rauchen in Deutschland noch immer rund elf Prozent aller werdenden Mutter oft wider besseres Wissen. Und so sind rund 75.000 Babys pro Jahr Giftstoffen ausgesetzt, die auch dann noch schaden, wenn die Zigarette der Mutter längst verglimmt ist.


Wissenschaftliche Details

Wenn eine werdende Mutter raucht, dann gelangen schädliche Substanzen aus dem Tabak von der Lunge ins Blut der Mutter und über die Plazenta auch in den Kreislauf des Kindes. Damit steigt das unmittelbare Risiko für Fehlbildungen und für ein zu geringes Geburtsgewicht ebenso sowie wie die Gefahr für Früh- und Fehlgeburten an. Die schädliche Wirkung des Rauchens in der Schwangerschaft äußert sich über einen sehr langen Zeitraum hinweg und in einer Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen (1). So leiden Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft dauerhaft rauchten, häufig und lebenslang an Übergewicht, Lungenerkrankungen, Allergien und auch an Tumoren. Wissenschaftler gehen davon aus, dass schädliche Substanzen aus dem Tabak beim noch ungeborenen Kind in Erbgutabschnitten Veränderungen auslösen, die die Umschaltung von Genen in späteren Entwicklungsphasen negativ beeinflussen.

Wie das Rauchen in der Schwangerschaft zu Fehlprogrammierungen für die Aktivierung des Erbgutes der ungeborenen Kinder beiträgt, hat ein Team am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig sowie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg und der Universität Heidelberg anhand von Daten aus der epidemiologischen Studie „Lebensstil und Umweltfaktoren und deren Einfluss auf das Neugeborenen-Allergierisiko“ (LiNA) systematisch beschrieben (1). Um Veränderungen in der Erbgutsteuerung durch Rauchen nachzuweisen, sind im Vergleich acht rauchende und acht nichtrauchenden Schwangere bis zur Geburt ihrer Kinder und diese dann bis zum fünften Lebensjahr gentechnisch im Labor begleitet worden. Dabei gelang es erstmals zu zeigen, dass der Tabakkonsum der werdenden Mütter besonders häufig Veränderungen in den Enhancer genannten Erbgutabschnitten auslösen kann, die für die Steuerung gleich mehrerer Genaktivitäten bedeutsam sind.

Mehr als vierhundert Enhancer, die Enzyme als Mitauslöser für Entzündungen, Diabetes, Fettleibigkeit, Lungenerkrankungen oder sogar Krebs steuern, hatten sich einzig durch das Rauchen in der Schwangerschaft verändert. Die Spuren all dieser epigenetischen Umprogrammierungen ließen sich im Blut der rauchenden Schwangeren, im Nabelschnurblut sowie im Blut der Kinder bis zum Alter von fünf Jahren nachweisen. Sie belegten eine sehr frühe und eine beeinflussbare Weichenstellung für eine höhere Anfälligkeit für chronische Erkrankungen im späteren Leben einzig aufgrund des Rauchens. So fiel beispielsweise bei den Analysen auch eine Fehlregulierung des Genabschnittes JNK2 auf, der auch bei wesentlich älteren Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung oder mit Lungenkrebs immer noch nachweisbar ist. Rund 11 Prozent der werdenden Mütter, darunter überdurchschnittlich und zunehmend Frauen unter 25 Jahren und aus benachteiligten Einkommensgruppen, rauchen in Deutschland (2;3). Obgleich sich die Zahl der Raucherinnen in den letzten zwei Jahrzehnten fast halbiert hat, sind immer noch rund 75.000 Kinder bereits im Mutterleib Tabakschadstoffen ausgesetzt. Ebenso ist die Gefährdung durch Passivrauchen im Säuglings- und Kleinkindalter gegenwärtig unverändert hoch.


Zum Weiterlesen

(1) Assmann-Stiftung für Prävention (2018): Rauchen. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/rauchen/

(2) T. Bauer et al. (2016): Environment-induced epigenetic reprogramming in genomic regulatory elements in smoking mothers and their children. In: Molecular Systems Biology, Vol. 12, Nr. 3. Online unter http://msb.embopress.org/content/12/3/861.long.

(3) L. Joubert et al. (2016): DNA Methylation in Newborns and Maternal Smoking in Pregnancy: Genome-wide Consortium Meta-analysis. In: American Journal of Human Genetics, Vol. 98, Nr. 4, S. 680-696. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4833289/

B. Kuntz, T. Lampert (2016): Tabakkonsum und Passivrauchbelastung bei Jugendlichen in Deutschland. In: Deutsches Ärzteblatt, Vol. 113, Nr, 3, S. 23-30. Online unter https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/2244/21X1ZnekDW0.pdf?sequence=1&isAllowed=y

Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (2016): Daten/Fakten Tabak. Online unter http://www.dhs.de/datenfakten/tabak.html

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