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Einfluss der Gene auf das Darmkrebsrisiko wird möglicherweise überschätzt [331]

Das Auftreten von Darmkrebs ist zum Teil erblich bedingt. Inzwischen sind knapp 100 Genvariationen identifiziert, die das Darmkrebsrisiko mitbestimmen. Neuste Ergebnisse aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum verweisen jetzt darauf, dass die Vorbelastung durch dieses Erbgut möglicherweise überschätzt wird (1). Nach Hochrechnungen in einer Fall-Kontroll-Studie mit fast 8.000 Erwachsenen lag der Einfluss der Genabschnitte auf das Darmkrebsrisiko lediglich bei bis zu 14 % und hatte nicht wie erwartet einen Einfluss von bis zu 23 %. Die von der Familie erlernten Lebensgewohnheiten und die Umweltbedingungen dürften bei der Häufung von Darmkrebs eine größere Rolle spielen als bislang angenommen. Da sie veränderbar sind, enthalten sie ein bislang weitgehend unausgeschöpftes Potential für Prävention.


Wissenschaftliche Details

Darmkrebs ist die zweithäufigste Krebsart, durch die Menschen weltweit zu Tode kommen (2). Allein in Europa sterben jährlich über 200.000 Menschen daran (3). Rund drei Viertel der diagnostizierten Erkrankungen werden mit Umweltfaktoren einschließlich kultureller und sozialer Gewohnheiten sowie dem Lebensstil in Verbindung gebracht. Auf Keimbahnmutationen infolge genetischer Defekte entfallen etwa 2 bis 5 %; die Ursachen der verbleibenden 20 bis 30 % der erblich bedingten Darmkrebserkrankungen sind bislang ungeklärt.

Die Forschung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vor allem darauf konzentriert, Genabschnitte zu identifizieren, die die Häufung von Darmkrebserkrankungen in der Familie begünstigen. Inzwischen sind knapp 100 Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs) markiert. Ihr Anteil bei der Entwicklung von bösartigen Darmtumoren wurde bislang auf bis zu 23,1 % geschätzt.

Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums sind bei einer kritischen Überprüfung der gängigen Berechnungsmethoden jetzt zu anderen Ergebnissen gelangt. Die Auswertung ihrer Fall-Kontroll-Studie mit 4.447 Darmkrebspatienten und 3.480 gesunden Erwachsenen ergab, dass spezifische Einzelnukleotid-Polymorphismen das Tumorrisiko lediglich zwischen 5,4 und 14,3 % beeinflusst haben (1). Die familiäre Vorbelastung durch das Erbgut fiel damit im Schnitt deutlich geringer aus als bislang angenommen. Weitere, jüngst im BMJ publizierte Ergebnisse stützen diese Einschätzung (2). So hatte eine umfangreiche Familienanamnese nach Rückgriff auf das schwedische Krebsregister ergeben, dass Halbgeschwister einem ähnlich hohen Darmkrebsrisiko wie Geschwister ausgesetzt sind (4).

Die Experten gehen davon aus, dass das tatsächliche familiäre Risiko und das genetische Risiko zwei komplementäre Aspekte des Darmkrebsrisikos darstellen. In der Konsequenz raten sie, neben der genetischen Vorbelastung auch andere lebensstil- und umweltbedingte Risikofaktoren in der Familie gleichberechtigt zu berücksichtigen. Dazu zählen etwa schlechte Ernährung, Bewegungsarmut und Rauchen.


Zum Weiterlesen

(1) K. Weigl et al. (2019): Establishing a valid approach for estimating familial risk of cancer explained by common genetic variants. In: International Journal of Cancer. Online unter  https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/ijc.32664

(2) World Health Organization (2018): Cancer. Online unter https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/cancer

(3) L. Dusek et al. (2015): Epidemiology of colorectal cancer: international comparison. Online unter http://www.crcprevention.eu/index.php?pg=colorectal-cancer-epidemiology

(4) Y. Tian et al. (2019): Familial colorectal cancer risk in half siblings and siblings: nationwide cohort study. In: The BMJ, Vol. 364. Online unter https://www.bmj.com/content/364/bmj.l803

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