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Gute Gründe, sich mit der aktuellen Verteilung von deutlichem Übergewicht und von deutlichem Untergewicht in der Welt zu beschäftigen [132]

Wir leben mittlerweile in einer übergewichtigen Welt. Gemessen am sogenannten Body-Maß-Index (BMI), dem Verhältnis von Körpergewicht zur Körpergröße im Quadrat, übersteigt global jetzt erstmals die Zahl der übergewichtigen Erwachsenen die der Untergewichtigen (1). Extrem mangelernährte Bevölkerungsschichten bleiben dennoch eine Herausforderung für Ärzte und das Gesundheitswesen, vor allem in ärmeren Regionen. In jedem Land, und sei es noch so wirtschaftlich leistungsfähig, lebt eine sehr untergewichtige und eine sehr übergewichtige Gruppe, die gefährdet ist, vor dem 70. Lebensjahr zu sterben.
Die Verbindung zwischen der Sterblichkeit und dem Übergewicht bzw. dem Untergewicht ist nach neuster Studienlage enger als bislang angenommen. Schon moderate Abweichungen vom Normalgewicht wirken sich negativ aus (2).

Übergewicht ist, und das hat die PROCAM-Forschung gezeigt, kein eigenständiger Faktor für Erkrankungen, doch es kann Mittler wie die Blutfett- und -zuckerwerte und Entzündungsmarker negativ beeinflussen und somit Prozesse verstärken, die letztendlich zu einem frühem Tod führen (3). Der Einsatz von hochwirksamen Medikamenten wie etwa Statinen begrenzt zwar den Schaden, der in reicheren Ländern als Epidemie der Fettleibigkeit umschrieben wird, reicht aber dennoch nicht aus, um Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck und Typ-2 Diabetes drastisch zu reduzieren. Die steigende Anzahl untergewichtiger Menschen findet parallel dazu kaum Beachtung. In ärmeren Ländern fehlen schon aus Kostengründen meist Medikamente und Medizintechnik, um die gesundheitlichen Folgen extremer Abweichungen vom Normalgewicht nach unten beziehungsweise nach oben zu erkennen und zu dämpfen. Die Folgen von Fettsucht wirken sich dort ungebremster aus, ebenso wie chronisches Untergewicht die Gefährdung durch Infektionskrankheiten spürbarer steigert. Die Ausprägung von deutlichem Übergewicht und von deutlichem Untergewicht unterscheidet und verändert sich von Region zu Region. Da die Veranlagung zum Über- oder Untergewicht schon während der Schwangerschaft und in der frühesten Kindheit beeinflusst wird und sich über einen sehr langen Zeitraum entfaltet, gewinnt angesichts der großen Migrationsströme die aktuelle Situation im jeweiligen Herkunftsland an Aussagekraft, wenn es darum geht, wirksame Präventionskonzepte für eine ethisch immer vielfältiger werdende Bevölkerung zu formulieren (4).


Wissenschaftliche Details

Die Bewohner unserer Erde werden nicht nur immer zahlreicher, sondern auch immer schwerer. In den letzten vierzig Jahren hat sich die Zahl der Übergewichtigen von 105 Millionen auf 641 Millionen versechsfacht. Inzwischen gilt jede siebte Frau und jeder zehnte Mann in der Welt als übergewichtig. Der Anteil untergewichtiger Männer und Frauen ist zwar seit 1975 um ein Drittel gesunken, liegt derzeit mit 8,8 Prozent versus 9,7 Prozent aber immer noch sehr hoch. Heute leben erstmals mehr übergewichtige als untergewichtige Menschen in unserer Welt. Dies hochgerechnet, könnte im Jahr 2025 rund jeder fünfte Erwachsene übergewichtig sein. Mangelernährte Bevölkerungsgruppen bleiben parallel dazu eine Herausforderung für das Gesundheitswesen, vor allem für ärmere Länder. Fast ein Viertel der im südlichen Asien wohnenden Menschen beispielsweise ist heute deutlich untergewichtig und in Zentral- und Ostafrika wiegt rund jede achte Frau und rund jeder siebte Mann viel zu wenig.

Das Internationale Bündnis gegen chronische Erkrankungen, die Non-Communicable Disease (NCD) Risk Factor Collaboration hat jetzt in einer aktuellen Metaanalyse im Journal The Lancet neben diesen globalen auch regionale und nationalen Trends benannt, die die Veränderungen des Body-Maß-Index (BMI) von Erwachsenen in 186 Ländern der Erde zwischen 1975 und 2014 beschreiben (1). Daten von 19,2 Millionen Männern und Frauen über 18 Jahre, die in 1.698 bevölkerungsbasierten Studien und im Zeitraum von 1975 bis 2014 gesammelt wurden, sind in der Analyse berücksichtigt. Dem Schema der Weltgesundheitsorganisation entsprechend, gelten Erwachsene mit einem BMI von weniger als 18,5 kg/m² als untergewichtig und mit einem BMI von 18,5 – 24,99 kg/m² als normalgewichtig. Übergewicht besteht ab einem BMI von 25 kg/m²  – und wird nochmal unterteilt in Präadipositas (< 30 kg/m²), Adipositas Grad I (30 – 34,99 kg/m²), Grad II (35 – 39,99 kg/m²) und Grad III (≥ 40 kg/m²). Obgleich der Körperfettanteil als krankmachender Risikofaktor dabei nicht erfasst wird, ist der BMI nach wie vor der einzige Parameter, der für globale, ländervergleichende Analysen (wie für die hier zu referierende) zur Bewertung des Körpergewichtes als gesundheitlicher Risikofaktor weltweit zur Verfügung steht und überhaupt herangezogen werden kann. Die wichtigsten Trends laut erwähnter Metaanalyse in der nationalen Verteilung der Häufigkeit von Über- und Untergewicht sind im nachfolgenden benannt:

  • Frauen in Frankreich, Belgien, der Schweiz, Tschechien, in Japan und in Singapur behielten ihren BMI in den letzten vierzig Jahren nahezu bei.
  • In Polynesien und in Mikronesien sind mehr als 38 % der Männer und mehr als 50 % der Frauen übergewichtig. Für die in Polynesien und in Mikronesien lebenden isländischen Frauen ist mit 34.8 kg/m² und für die in Amerikanisch-Samoa lebenden Männer mit 32.2 kg/m² der jeweils weltweit höchste BMI errechnet worden.
  • Frauen in Timor-Leste haben mit einem BMI von< 20,8 kg/ m² und Männer in Äthiopien mit einem BMI von < 20,1kg/m² den jeweils niedrigsten BMI der Welt.
  • Mehr als ein Fünftel der Männer in Indien, Bangladesch, Timor-Leste, Afghanistan, Eritrea und Äthiopien sind untergewichtig.
  • Inmitten aller Englisch sprechenden Nationen haben die US-Amerikaner den höchsten durchschnittlichen BMI mit einem Wert von über 28 kg/m². Jede vierte sehr fettsüchtige Frau und jeder fünfte sehr fettsüchtige Mann in der Welt lebt in den USA. (Adipositas Grad II)
  • Ein Fünftel aller übergewichtigen Erwachsenen (118 Millionen) und mehr als ein Viertel aller fettleibigen (50 Millionen) leben in nur sechs englisch sprechenden Industrienationen der Welt – in Australien, Kanada, Irland, Neuseeland, Großbritannien und den USA.
  • In Europa haben die in Zypern, in Irland und in Malta lebenden Männer mit einem BMI von 27.8 kg/m² und die in Moldawien lebenden Frauen mit einem BMI von 27.3 kg/m² den jeweils höchsten BMI; Niederländische und Bosnische Männer mit einem BMI von 25.9 kg/m² und Schweizer Frauen mit einem BMI von 23.7 kg/m² den jeweils niedrigsten.
  • In Deutschland waren im Jahr 2014
    • 1 % der Männer und zwei % der Frauen morbide (BMI >40 kg/m²),
    • 4 % der Männer und 5 % der Frauen sehr fettsüchtig (BMI >35 kg/m²),
    • 17 % der Männer und 14 % der Frauen fettsüchtig (BMI >30 kg/m²),
    • 42 % der Männer und 28 % der Frauen übergewichtig (BMI >25 kg/m²),
    • 34 % der Männer und 43 % der Frauen normalgewichtig (BMI >20 kg/m²),
    • 2 % der Männer und rund 6 % der Frauen untergewichtig (BMI> 18,5 kg/m²) und
    • 2 % der Frauen über 18 Jahre sehr untergewichtig (BMI < 18,5 kg/m²) (1).

Zum Weiterlesen

(1) NCD Risk Factor Collaboration (2016): Trends in adult body-mass index in 200 countries from 1975 to 2014: a pooled analysis of 1698 population-based measurement studies with 19•2 million participants. In: The Lancet, Vol. 387, Nr. 10026, S. 1377–1396 Online unter http://www.thelancet.com/pdfs/journals/lancet/PIIS0140-6736(16)30054-X.pdf

(2) The Global BMI Mortality Collaboration (2016): Body-mass index and all-cause mortality: individual-participant-data meta-analysis of 239 prospective studies in four continents. In: The Lancet, Vol. 388, Nr. 10046, S. 776-786. Online unter https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0140673616301751

(3) Assmann-Stiftung für Prävention (2018): Übergewicht & Adipositas. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/uebergewicht-und-adipositas/

(4) G. Assmann (2015): Interview in der F.A.Z. Students4Kids. Online unter http://students4kids.org/interview/

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