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Gefährlicher Bierbauch: 10 cm mehr Taillenumfang erhöhen das Sterberisiko um 11 % [362]

Dass ein zu hohes Körpergewicht ungesund ist, das weiß heutzutage fast jedes Kind. Dass es allerdings bare Lebensjahre stehlen kann, ist weniger bekannt. In einer groß angelegten Übersichtsarbeit hat ein internationales Forscherteam nun untersucht, wie verschiedene Maßzahlen für Übergewicht (z.B. der Taillenumfang) mit dem Sterblichkeitsrisiko zusammenhängen (1). Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die meisten der untersuchten Parameter positiv und signifikant mit einem höheren Gesamtrisiko für die Sterblichkeit verknüpft waren.

Für eine erste Einschätzung des Körpergewichts ist der Body Mass Index nach wie vor die gängigste Methode. Er eignet sich allerdings in manchen Fällen nicht, um das durchschnittliche Krankheits- und Sterblichkeitsrisiko abzuschätzen. Hierfür sind Parameter, die die Fettverteilung berücksichtigen, besser geeignet, etwa der Taillenumfang oder der Waist-to-Hip-Ratio (2-5).


Wissenschaftliche Details

Wer kennt ihn nicht: Den Body Mass Index, kurz BMI, mit dem mit nur zwei Parametern, nämlich Größe und Gewicht, über Freud und Leid entschieden wird – und der Grad ist schmal. Wer einen BMI von weniger als 18,5 kg/m² aufweist, gilt als untergewichtig, alles über 25 kg/m² als übergewichtig. Ihr BMI liegt gar über 30 kg/m²? Dann leiden Sie nach Einordnung der Weltgesundheitsorganisation bereits an krankhafter Fettleibigkeit, im Fachjargon Adipositas genannt (6).

Doch so einfach ist es nicht. Denn allein das Körpergewicht sagt wenig über den tatsächlichen Gesundheitszustand bzw. das gesundheitliche Risiko einer Person aus. So liegt beispielsweise der BMI von Profisportlern im Kraftsport fast immer im Bereich von Übergewicht oder gar Adipositas. Dabei kommt das hohe Körpergewicht bei dieser Personengruppe vorrangig durch die hohe Muskelmasse zustande, und nicht etwa durch eine übermäßige Fettansammlung, die gesundheitlich bedenklich wäre. Hier kommt der BMI, der nur das Körpergewicht und die Körpergröße berücksichtigt, also an seine Grenzen (7).

Zudem festigte sich in den letzten Jahren die Annahme, dass insbesondere das Fett am Bauch gesundheitsgefährdend ist – im Gegensatz beispielsweise zum Fett am Po, an den Oberschenkeln oder das Unterhautfett im Allgemeinen (3,5). Deshalb ziehen Experten heutzutage vermehrt alternative Maßzahlen zu Rate, um das gesundheitliche Risiko von Personengruppen auf Basis der Körperzusammensetzung zu beurteilen – die bekannteste davon ist der Taillenumfang. Weil hier das Bauchfett berücksichtigt wird, liefert dieser Informationen, die über eine auf dem BMI allein basierende Risikoabschätzung hinausgehen (2,7) – vorausgesetzt, er wird richtig gemessen. Das ist zwar auf den ersten Blick einfach, wird jedoch insbesondere von Laien oft falsch ausgeführt, was zu fehlerhaften Messergebnissen führt. Wie Sie Ihren Taillenumfang richtig messen, können Sie hier (7) nachlesen.

Ungeachtet dessen korrelieren der BMI und der Taillenumfang stark miteinander (5). So konnte beispielsweise im Rahmen der PROCAM-Studie gezeigt werden, dass beide Verfahren bei der Diagnose des Metabolischen Syndroms ein hohes Maß an Übereinstimmung aufweisen (2).

Ein Forscherteam aus dem Iran und Kanada hat nun in einer Übersichtsarbeit den Zusammenhang zwischen verschiedenen Maßzahlen für die Fettverteilung und dem Sterberisiko untersucht. Dazu werteten sie Daten von 72 prospektiven Kohortenstudien mit insgesamt knapp 2,5 Millionen Teilnehmern aus. Neben dem Taillen-, Hüft- und Oberschenkelumfang untersuchten sie auch das Verhältnis von Taille zu Hüfte, zu Körpergröße und zu Oberschenkelumfang sowie den neuen Body Adiposity Index und den A Body Shape Index.

Mit wenigen Ausnahmen (Hüftumfang, Oberschenkelumfang) waren die berücksichtigten Maßzahlen positiv mit dem Sterblichkeitsrisiko assoziiert. So war ein 10 cm höherer Taillenumfang mit einem um 11 % erhöhten Sterberisiko verbunden. Die positiven Assoziationen blieben auch nach Bereinigung um den BMI als Einflussfaktor bestehen. Das Wissenschaftler-Team kam zu dem Schluss, dass die Inzidenz einer zentralen Fettleibigkeit über verschiedene Parameter unabhängig von der Adipositas an sich positiv und signifikant mit einem höheren Gesamtsterblichkeitsrisiko verknüpft war (1).

Schon im Jahr 2013 resümierten Carmienke et al. in ihrer Übersichtsarbeit, dass Maßzahlen für die abdominelle Adipositas wie der Taillenumfang oder der Waist-to-Hip-Ratio Informationen liefern, die unabhängig von Maßzahlen für die Adipositas im Allgemeinen (wie der BMI) seien. Die Autoren schlussfolgerten aus ihren Ergebnissen, dass diese Maßzahlen in der klinischen Praxis zusätzlich zum BMI angewendet werden sollten, um die gewichtsabhängige Mortalität bei Erwachsenen abzuschätzen (4).

Weil der BMI und der Taillenumfang stark korrelieren, eignen sich grundsätzlich beide Maßzahlen zur Bewertung des Körpergewichts bzw. der Körperzusammensetzung. Darüber hinaus ist einschränkend zu sagen, dass für eine Einzelperson nur anhand von BMI oder Taillenumfang kaum eine valide Prognose getroffen werden kann, ob sie innerhalb der nächsten Jahre versterben wird oder nicht. Viel wichtiger als einzelne Risikofaktoren ist das Gesamtrisiko eines Menschen, welches mehrere Risikofaktoren in unterschiedlicher Gewichtung berücksichtigt. Die bekanntesten Beispiele im Hinblick auf das Morbiditätsrisiko sind sicher die PROCAM-Tests, mit denen das Globalrisiko eines Menschen für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall innerhalb der nächsten 10 Jahre abgeschätzt wird (8).


Zum Weiterlesen

(1) A. Jayedi et al. (2020): Central fatness and risk of all cause mortality: systematic review and dose-response meta-analysis of 72 prospective cohort studies. In: the bmj, Vol. 370, m3324. Online unter https://www.bmj.com/content/370/bmj.m3324

(2) International Task Force for Prevention of Coronary Heart Disease & International Atherosclerosis Society (2009): Prävention der koronaren Herzkrankheit. Thomson Reuters. ISBN: 978-848724260-7.

(3) R. Ross et al. (2020): Waist circumference as a vital sign in clinical practice: a Consensus Statement from the IAS and ICCR Working Group on Visceral Obesity. In: Nature Reviews Endocrinology, Vol. 16, S.177-89.

(4) S. Carmienke et al. (2013): cGeneral and abdominal obesity parameters and their combination in relation to mortality: a systematic review and meta-regression analysis. In: European Journal of Clinical Nutrition, Vol. 67, Nr. 6, S. 573-85. Online unter https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23511854/

(5) A. Sieb et al. (2020): Große Metaanalyse bestätigt, wie gefährlich Bauchfett ist: 10 cm mehr Taillenumfang bedeutet 11 % höheres Sterberisiko! In: MedScape. Online unter https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4909322

(6) World Health Organization (2006): Global Database on Body Mass Index. An interactive surveillance tool for monitoring nutrition transition. Online unter http://apps.who.int/bmi/index.jsp?introPage=intro_3.html

(7) Assmann-Stiftung für Prävention (2020): Übergewicht & Adipositas. Daten & Fakten. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/uebergewicht-und-adipositas/daten-fakten/

(8) Assmann-Stiftung für Prävention (2020): PROCAM-Tests. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/procam-tests/

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