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Zu niedriges LDL-Cholesterin als ein Indikator für den hämorrhagischen Schlaganfall [310]

Die Ergebnisse der prospektiven Kaliuan-Studie der Pennsylvania State University weisen darauf hin, dass niedrige LDL-Cholesterinwerte die Gefahr für einen hämorrhagischen Schlaganfall im Gehirn erhöhen können. In der Studie wurden fast 100.000 Chinesen über einen Zeitraum von neun Jahren beobachtet und im Abstand von jeweils zwei Jahren der LDL-Cholesterinspiegel gemessen. Die Forscher wiesen nach, dass niedrige LDL-Cholesterinspiegel (< 70 mg / dl) signifikant mit einem erhöhten Risiko für einen hämorrhagischen Schlaganfall im Gehirn assoziiert waren.

Die Studienergebnisse könnten dabei helfen, den idealen Richtwert für das LDL-Cholesterin bei Personen mit einem erhöhten Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle zu ermitteln, allerdings sind weitere Studien notwendig, so die Experten im Journal Neurology (1).


Wissenschaftliche Details

Weltweit empfehlen Experten einen niedrigen LDL-Cholesterinspiegel zur Prävention von Herzinfarkten und Schlaganfällen (2). Im Gegensatz dazu haben in den vergangenen Jahren verschiedene epidemiologische Studien einen inversen Zusammenhang zwischen dem LDL-Cholesterinspiegel und dem Risiko für einen intrazerebralen Schlaganfall gezeigt. Der intrazerebrale Schlaganfall ist eine Form des hämorrhagischen Schlaganfalls, bei dem es zu einer Blutung ins Gehirn kommt. Kürzlich wurde nun die Ergebnisse einer prospektiven Kohortenstudie publiziert, die die bisherigen Forschungsergebnisse zu einem möglichen Zusammenhang zwischen einem niedrigen LDL-Cholesterinspiegel und dem Risiko für einen intrazerebralen Schlaganfall untermauert (1).

In die von amerikanischen Wissenschaftlern durchgeführte Kohortenstudie wurden 96.043 im Schnitt 51 Jahre alte Bewohner der nordchinesischen Industriestadt Tangshan einbezogen. Die Teilnehmer wiesen zu Studienbeginn keinen Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine Krebserkrankung auf. Im Verlaufe der neunjährigen Beobachtungszeit wurden bei den Probanden zu vier gleichmäßig verteilten Zeitpunkten der LDL-Cholesterinspiegel sowie weitere Blutparameter bestimmt.753 der Probanden erlitten über den Zeitraum der Studie hinweg einen intrazerebralen Schlaganfall. Das Risiko dafür war ähnlich bei Teilnehmern mit einem LDL-Spiegel zwischen 70 und 99 mg/dl und bei Probanden mit einem LDL-Cholesterinspiegel von über 100 mg/dl. Im Vergleich dazu hatten Chinesen innerhalb der Studie mit einem LDL-Cholesterinspiegel von unter 70 mg/dl ein um 65 % höheres Risiko, einen intrazerebralen Schlaganfall zu erleiden. Das Risiko derjenigen Studienteilnehmer, deren LDL-Cholesterinwert bei unter 50 mg/dl lag, war sogar um den Faktor 2,69 erhöht. Dabei waren beide Berechnungen schon um mögliche Einflussfaktoren wie das Alter, das Geschlecht, der Body-Maß-Index, Bluthochdruck und das Alkoholverhalten bereinigt worden. Auch änderten sich die Ergebnisse nicht signifikant, wenn diejenigen Teilnehmer ausgeschlossen wurden, die cholesterinsenkende oder antikoagulierende Medikamente einnahmen. Als mögliche Hintergründe der beobachteten Assoziation werden verschiedene Mechanismen diskutiert; dazu zählen eine erhöhte Erythrozyten-Fragilität aufgrund der niedrigen LDL-Cholesterinwerte, eine beeinträchtigte Gerinnungsfunktion und auch genetische Ursachen (1,3).

Die Autoren weisen abschließend darauf hin, dass auf Grundlage ihrer Ergebnisse „weniger strenge“ Zielwerte beim LDL-Cholesterin zwischen 70 und 99 mg/dl möglicherweise besser geeignet seien, um eine optimale Balance zwischen dem Risiko für einen ischämischen und einem hämorrhagischen (intrazerebralen) Schlaganfall zu finden. Allerdings sei es wichtig, dass die Behandlungs- und Präventionsstrategien immer personalisiert werden. Zudem sollte auch die Möglichkeit bedacht werden, dass ein niedriger LDL-Cholesterinspiegel lediglich ein präklinischer Biomarker für eine drohende Hirnblutung sein kann.

In einer kurzen Stellungnahme äußern sich brasilianische Forscher zu der neuen Publikation. Sie geben zu bedenken, dass trotz der beobachteten signifikanten Assoziation nur 179 der 13.050 Studienteilnehmer mit einem LDL-Cholesterinspiegel von unter 70 mg / dl einen intrazerebralen Insult erlitten (4). Somit liege die Anzahl der Ereignisse bei nur 0,0015 Ereignissen/Personenjahr. Die Autoren zweifeln auf Basis dieser Zahlen an, dass bei der gegebenen statistischen Signifikanz auch von einer klinischen Relevanz der Ergebnisse gesprochen werden kann. Die Frage nach der klinischen Bedeutsamkeit der Ergebnisse sei insbesondere vor dem Hintergrund der Vorteile wichtig, die ein niedriger LDL-Cholesterinspiegel für Patienten mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko mit sich bringt.

Die vorliegenden Studienergebnisse könnten wichtig zur Bestimmung eines Grenzwerts für LDL-Cholesterin sein, speziell für Patienten mit einer atherosklerotischen Erkrankung, einem Bluthochdruck, Patienten im höheren Alter und Personen mit einem hohen Alkoholkonsum. Es sind weitere Studien mit ausreichender Stichprobengröße notwendig, um die Studienergebnisse zu be- oder entkräftigen und zu eruieren, inwieweit die theoretischen Erkenntnisse in der klinischen Praxis berücksichtigt werden sollten.


Zum Weiterlesen

(1) C. Ma et al. (2019): Low-density lipoprotein cholesterol and risk of intracerebral hemorrhage. A prospective study. In: Neurology, Nr. 93, e1-e13. Online unter https://n.neurology.org/content/93/5/e445

(2) S.M. Grundy et al. (2019): 2018 AHA/ACC/AACVPR/AAPA/ABC/ACPM/ADA/AGS/APhA/ASPC/NLA/PCNA Guideline on the Management of Blood Cholesterol: Executive Summary: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Clinical Practice Guidelines. In: Circulation, Vol. 139, Nr. 25, e1082-e1143. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30586774

(3) D. McNamara (2019): Wenn die LDL-Cholesterin-Spiegel fallen…steigt dann das Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle? In: Medscape. 12. Juli 2019.

(4) J.G. de Lima & P.H.A. Fraiman (2019): Reader Response: Low-density lipoprotein cholesterol and risk of intracerebral hemorrhage: A prospective study. Online unter https://n.neurology.org/content/reader-response-low-density-lipoprotein-cholesterol-and-risk-intracerebral-hemorrhage

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