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Ist Vitamin D-Mangel ein Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf? Was bislang bekannt ist [363]

Zurzeit herrscht noch weitgehend Unklarheit darüber, wie sich eine COVID-19-Erkrankung effektiv vermeiden bzw. abmildern lässt. Diskutiert wird unter anderem eine Nahrungsergänzung mit Vitamin D. Gebildet unter Sonneneinstrahlung, übernimmt es im menschlichen Körper unter anderem im Immunsystem wichtige Aufgaben (1).

In einer aktuellen Übersichtsarbeit konnte gezeigt werden, dass ein Vitamin D-Mangel häufiger bei schweren als bei leichten COVID-19-Fällen auftritt. Auch konnten die Autoren bestätigen, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Krankenhausaufenthalt und einen Tod infolge einer COVID-19-Erkrankung bei Menschen mit Vitamin D-Mangel erhöht ist (2). Auch wenn der Zusammenhang noch nicht eindeutig belegt ist, kann die Einnahme von Vitamin D speziell in den Wintermonaten zur Vermeidung eines schweren COVID-19-Verlaufs hilfreich sein (3-6). Diese sollte immer Teil einer gesunden Ernährung und Lebensweise sein und im Vorfeld mit dem Arzt besprochen werden.


Wissenschaftliche Details

Abstand halten, Maske tragen, Alltagshygiene, Corona-Warnapp. Das sind die vier Maßnahmen, die jedem deutschen Bürger zur Eindämmung der Coronapandemie nahegelegt werden. In manchen Ländern und Regionen werden die Menschen sogar explizit dazu angehalten, das Haus nur für unbedingt nötige Erledigungen zu verlassen. Was der „Hausarrest“ mit uns psychisch macht, ist eine Sache. Auch, dass wir uns dadurch oft viel weniger bewegen, soll heute Nebensache sein – wenngleich die wenige Bewegung unserer Gesundheit alles andere als zuträglich ist. Was die meisten allerdings nicht bedenken, wenn es um #stayhome geht: Wir verbringen deutlich weniger Zeit im Sonnenlicht. Dies ist insoweit bedenklich, als dass der menschliche Organismus Sonnenlicht benötigt, um Vitamin D zu produzieren – ein Vitamin, welches im Immunsystem eine entscheidende Rolle spielt. Dort unterstützt es unter anderem die Bildung entzündungshemmender und antimikrobieller Strukturen (3,4).

Deshalb wurde in den vergangenen Wochen und Monaten vielfach zu den möglichen Zusammenhängen von Vitamin D und COVID-19 geforscht. Während das Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion unabhängig vom Vitamin D-Status zu sein scheint, so spielt das fettlösliche Vitamin, dessen Bedarf wir allein über die Nahrung bei weitem nicht decken können (7), bei dem Verlauf von COVID-19 nach aktuellem Wissensstand eine nicht unbedeutende Rolle.

Die wichtigste Erkenntnis entstammt einer aktuellen Übersichtsarbeit: COVID-19-Patienten mit schweren Erkrankungsverläufen, die im Krankenhaus behandelt werden, hatten in den herangezogenen Studien häufiger einen Vitamin D-Mangel als solche mit einem milden Erkrankungsverlauf. Auch berichteten die Forscher, dass eine unzureichende Konzentration von Vitamin D im Blut die Hospitalisierungs- und Mortalitätsrate bei einer COVID-19-Erkrankung in den untersuchten Studien erhöhte. Sie resümieren, dass ein Zusammenhang zwischen Vitamin D und der Schwere einer COVID-19-Erkrankung besteht, der durch weitere Studien konkretisiert werden muss (2). Das bestätigen auch die Daten einer kürzlich erschienen randomisierten klinischen Pilotstudie, in der spanische Wissenschaftler die Rate intensivmedizinischer Behandlungen durch eine frühzeitige Gabe von Cacifediol, einer Form von Vitamin D, signifikant senken konnten. Die Autoren vermuten auf Basis ihrer Ergebnisse, dass Calcifediol die Schwere von COVID-19-Erkrankungen mindern kann (8). In anderen Studien wurde gezeigt, dass Vitamin D-Mangel das Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS), eine Hauptkomplikation von COVID-19, verschlimmern bzw. zu dessen Entwicklung beitragen kann (6,9).

Obschon niedrige Vitamin D-Spiegel mit anderen nicht-übertragbaren Erkrankungen sowie einer erhöhten Infektanfälligkeit (insbesondere Infektionen oberer Atemwege) verbunden ist, zeigt sich der Vorteil einer Vitamin D-Supplementierung zur Behandlung oder Prävention in Interventionsstudie selten, mit einer Ausnahme: Eine Supplementierung von Vitamin D schützt gemäß einer aktuellen Übersichtsarbeit vor Atemwegsinfektionen, wobei der Effekt bei Personen mit einer anfangs niedrigen Blutkonzentration hierbei am deutlichsten war (10,11).

Aufgrund der aktuellen Datenlage und weil die Supplementierung von Vitamin D selten mit Nebenwirkungen verbunden ist, können insbesondere Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko sowie solche, die ein hohes Risiko für oder einen bestehenden Mangel an Vitamin D haben, eine Einnahme von Vitamin D-Nahrungsergänzung in Betracht ziehen (3-6). Auch wenn die Kausalität nicht bewiesen ist und randomisierte kontrollierte Interventionsstudien fehlen, so überwiegen nach aktuellem Wissensstand die Indizien für einen Nutzen von Vitamin D für bei einer COVID-19-Erkrankung die Risiken. Zusätzlich sind die Wintermonate, geprägt von Dunkelheit und wenig Sonne, eine Zeit, in der das Risiko für einen Vitamin D-Mangel generell erhöht ist. Wenn Sie erwägen, Vitamin D zu supplementieren, sollten Sie hierzu insbesondere auch hinsichtlich einer geeigneten Dosierung und Auswahl des Präparates mit Ihrem Hausarzt Rücksprache halten.

Nicht vergessen werden sollten allerdings die relevanten Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf wie beispielsweise Adipositas (12). Vor diesem Hintergrund ist eine grundsätzlich gesunde Lebensweise und nicht nur die Einnahme einzelner Nahrungsergänzungsmittel empfehlenswert (13).

Ob Nahrungsergänzung oder nicht: Insbesondere in Zeiten von #stayhome und #homeoffice sollte jeder versuchen, sich – sofern erlaubt – täglich draußen zu bewegen. Das kann eine Joggingrunde, ein Spaziergang, eine Erledigung zu Fuß oder etwas anderes sein. Die Bewegung an der frischen Luft wird nicht nur dem Vitamin D-Haushalt, sondern auch der psychischen und physischen Gesundheit guttun.


Zum Weiterlesen

(1) Assmann-Stiftung für Prävention (2020): Vitamine & Mineralstoffe. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/vitamine-mineralstoffe/

(2) M. Pereira et al. (2020): Vitamin D deficiency aggravates COVID-19: systematic review and meta-analysis. In: Critical Reviews in Food Science and Nutrition. Online-Vorveröffentlichung. Online unter https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33146028/

(3) F. Mitchell (2020): Vitamin D and COVID-19: do deficient risk a poorer outcome? In: The Lancet Diabetes Endocrinology, Vol. 8, Nr. 7, S. 570. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7239633/

(4) W.B. Grant et al. (2020): Evidence that Vitamin D Supplementation Could Reduce Risk of Influenza and COVID-19 Infections and Deaths. In: Nutrients, Vol. 12, Nr. 4, S. 988. Online unter https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32252338/

(5) M. Kara et al. (2020): ‚Scientific Strabismus” or two related pandemics: coronavirus disease and vitamin D deficiency. In: British Journal of Nutrition, Vol. 124, Nr. 7, S. 736-41. Online unter https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32393401/

(6) N. Ali (2020): Role of vitamin D in preventing of COVID-19 infection, progression and severity. In: Journal of Infection and Public Health, Vol. 10, S. 1373-80. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7305922/

(7) Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (2020): Vitamin D (Calciferole). Online unter https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/vitamin-d/?L=0

(8) M.E. Castillo et al. (2020): Effect of calcifediol treatment and best available therapy versus best available therapy on intensive care unit admission and mortality among patients hospitalized for COVID-19: A pilot randomized clinical study. In: The Journal of Steroid Biochemitry and Molecular Biology, Vol. 203. Online unter https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960076020302764?via%3Dihub

(9) J.M. Quesada-Gomez et al. (2020): Vitamin D receptor stimulation to reduce acute respiratory distress syndrome (ARDS) in patients with coronavirus SARS-CoV-2 infections. In: The Journal of Steroid Biochemistry and Molecular Biology. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7289092/pdf/main.pdf

(10) A.R. Martineau et al. (2017): Vitamin D supplementation to prevent acute respiratory tract infections: systematic review and meta-analysis of individual participant data. In: the bmj, Vol. 356. Online unter https://www.bmj.com/content/356/bmj.i6583

(11) F. Mitchell (2020): Vitamin D and COVID-19: do deficient risk a poorer outcome? In: The Lancet Diabetes Endocrinology, Vol. 8, Nr. 7, S. 570. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7239633/

(12) Assmann-Stiftung für Prävention (2020): Erhöht Fettleibigkeit das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf? Online unter https://www.assmann-stiftung.de/erhoeht-fettleibigkeit-das-risiko-fuer-einen-schweren-covid-19-verlauf/

(13) M. Smolich (2020): Mit Vitamin D gegen COVID-19? Online unter https://www.ernaehrungsmedizin.blog/2020/10/19/mit-vitamin-d-gegen-covid-19/

Weiterführende Literatur

Vergin (2020): Corona und Vitamin D: Hilfe oder Hype? Deutsche Welle, Gesundheit. Online unter https://www.dw.com/de/corona-und-vitamin-d-hilfe-oder-hype/a-54036473

Kusma (2020): Sonne tanken stärkt das Immunsystem. In: Neue Zürcher Zeitung, 24.10.2020.

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