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Vegetarisch/vegan essen und damit gesünder leben? [90]

Vegetarisch essen gleicht eher einer Lebenshaltung denn einem Gesundheitskonzept.

Wer sich heute dafür entscheidet, auf den Verzehr von tierischen Produkten zu verzichten, möchte sich vor allem gegen die Massentierhaltung, gegen die damit verbundenen Umweltbelastungen und gegen ungebremsten Konsum überhaupt artikulieren. Dies trifft insbesondere für Veganer zu, die sich ausschließlich von pflanzlichen Lebensmitteln ernähren und neben dem Verzehr von Fleisch, Fisch, Eier, Milch und Milchprodukten auch die Nutzung von tierischen Bestandteilen in Gebrauchsgegenständen wie Kleidung und Möbeln etc. strikt ablehnen (1). Auch Ovo-Lacto-Vegetarier, die lediglich Fleisch und Fisch weglassen, und Lacto-Vegetarier, die zusätzlich zu Fleisch und Fisch auch auf Eier verzichten, sind dazu überwiegend aus ethisch-religiösen und ökologischen Gründen motiviert.

Dennoch werden mit dem vegetarischen Lebensstil auch Erwartungen verbunden, Gesundheit zu erhalten und Fitness zu steigern. Studien liefern bislang Beobachtungsdaten zu Einzelaspekten, die längst noch nicht ausreichen, um systematisch zu bewerten, ob Vegetarier unter dem Strich gesund leben oder auch nicht.

Argumente, die auf dem ersten Blick für eine vegetarische Ernährungsweise sprechen, liefert eine Analyse in der großen europäischen Ernährungsstudie EPIC (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) (2). Bei den rund 14.700 Studienteilnehmern, die sich über mehr als fünf Jahre fleischlos ernährten, fiel das Risiko für einige koronare Herzkrankheiten um 32 Prozent geringer aus als bei den ca. 29.300 Mischkostessern. Die Vegetarier konnten sich zudem über niedrigere Blutdruck- und Cholesterinwerte sowie über ein durchschnittlich geringeres Körpergewicht im Vergleich zur Kontrollgruppe freuen.

Wissenschaftler sind bei der Interpretation der Studienergebnisse noch unschlüssig, ob die günstigen Effekte sich generell aus einem gesundheitsbewussten Lebensstil der Vegetarier ergeben oder primär mit dem Verzicht auf tierische Lebensmittel zusammenhängen.  Gerade stark verarbeitete Fleischprodukte, denen bei der Herstellung Salze, Nitrate, Phosphate und anderen Konservierungsstoffe zugesetzt werden, bzw. die beim Räuchern entstehenden aromatischen Kohlenwasserstoffe stehen im Verdacht, die Gesundheit zu schädigen. Studien belegen, dass ein übermäßiger Verzehr von Produkten aus rotem Fleisch das Risiko für Herzinsuffizienz, Herztod und für Diabetes-Typ-2 steigern kann (3). Doch nimmt die gesundheitsschädigende Wirkung rapide ab, wenn wenig verarbeitetes Fleisch in moderatem Umfang verzehrt wird.

 Möglicherweise trägt die pflanzenbetonte Ernährungsweise der Vegetarier entscheidend dazu bei, Krankheiten und vorzeitigen Tod zu vermeiden. Aktuelle Forschungen zeigen zunehmend einen signifikanten Zusammenhang zwischen einem geringeren Sterberisiko allgemein und für Herz-Kreislauferkrankungen und Darmkrebs und einem erhöhten Verzehr von Nüssen, Obst, Gemüse und anderen pflanzlichen Komponenten (4). Die als besonders gesund anerkannte Mittelmeerküche empfiehlt neben einer Vielzahl von pflanzenbasierten Bestandteilen allerdings auch Fisch. (5)

Der Verzicht auf tierische Produkte in der Ernährung über einen längeren Zeitraum hinweg kann zu Defiziten an Mikronährstoffen wie Eisen, Kalzium, Jod, Vitamin D, B2 und Vitamin B12 führen. Jod spielt als ein elementarer Bestandteil von Schilddrüsenhormonen eine wichtige Rolle im Stoffwechsel von Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß. Vitamin D hilft dem Körper, Kalzium aufzunehmen. Vitamin B2 hilft bei der Umwandlung von Zucker und Fett in Energie und Vitamin B12 ist an der Zellteilung und der Bildung von roten Blutkörperchen beteiligt. Besonders gravierend wirkt sich bei rein veganer Ernährung die Unterversorgung an Vitamin B12 aus, da dieses fast ausschließlich in tierischen Produkten vorkommt. Vitamin-B12-Mangel wird z.B. mit Fehlgeburten und mit Nervenschädigungen bei Neugeborenen in Zusammenhang gebracht. (6).

Über das Wechselspiel von psychischer Befindlichkeit und vegetarischer Ernährung ist bislang wenig bekannt. Im Unterschied zu den Fleischessern leiden Vegetarier bis zu 15 % häufiger an Depressionen und mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit an Angststörungen sowie an Essstörungen. Dennoch gehen die Forscher noch nicht davon aus, dass es eine lineare ursächliche Verknüpfung zwischen der vegetarischen bzw. veganen Ernährung und psychischer Auffälligkeit gibt (7). Ebenso gibt es noch keinen statistisch überzeugenden Beleg, dass vegetarische bzw. vegane Kost als gewichtsreduzierendes Mittel eingesetzt werden kann (8).

Der Verzicht auf Fleisch kann anteilig mit dazu beitragen, Umweltbelastungen zu mindern, zumal rund 14 Prozent der Treibhausgas-Emissionen in der veterinären Landwirtschaft erzeugt werden (9).  Jedoch fällt die Ökobilanz vegetarischer Ernährung insgesamt nicht günstiger aus als die der Mischkost. Viele der angesagten vegetarischen Produkte sind entweder stark mit (geschmacksverstärkenden) Zusätzen angereichert oder/und in Übersee erzeugt und legen bis zum Endverbraucher sehr lange Wege zurück. So wird beispielsweise Grünkohl in Form von Grünkohlchips aus Kalifornien nach Deutschland reimportiert.

Zum Weiterlesen:

  1.  Vgl. die Klassifikation der Vegetarier in: Assmann – Stiftung für Prävention.
    Vegetarische Ernährung. Abrufbar über https://www.assmann-stiftung.de/ernaehrung/vegetarische-ernaehrung/
  2. F.L. Crowe et al. Risk of hospitalization or death from ischemic heart disease among British vegetarians and nonvegetarians: results from the EPIC-Oxford cohort study.
    Am J Clin Nutr March 2013 97: 597-603; First published online January 30, 2013. doi:10.3945/ajcn.112.044073
  3. J. Kaluza et al. Processed and Unprocessed Red Meat Consumption and Risk of Heart Failure: A Prospective Study of Men. CIRCHEARTFAILURE.113.000921 Published online before print June 12, 2014, doi: 10.1161/CIRCHEARTFAILURE.113.000921
  4. Zum Einstieg: ASP. Täglich eine Handvoll Nüsse essen und damit gesünder älter werden Ob es eine Verbindung zwischen dem regelmäßigem Nussverzehr und der Gesamt- und ursachenspezifischen Mortalität gibt? [60]. Abrufbar über https://www.assmann-stiftung.de/taeglich-eine-handvoll-nuesse-essen-und-damit-gesuender-aelter-werden-ob-es-eine-verbindung-zwischen-dem-regelmaessigem-nussverzehr-und-der-gesamt-und-ursachenspezifischen-mortalitaet-gibt-60/ sowie Pflanzensamen im Kontext eines gesunden Ernährungsmusters [42]. Abrufbar über https://www.assmann-stiftung.de/pflanzensamen-im-kontext-eines-gesunden-ernahrungsmusters/. Aktuell diskutiert vgl. L. Wu et al. Walnut-enriched diet reduces fasting non-HDL-cholesterol and apolipoprotein B in healthy Caucasian subjects: a randomized controlled cross-over clinical trial. Metabolism. 2014 Mar; 63(3):382-91. doi: 10.1016/j.metabol.2013.11.005. Epub 2013 Nov 12.
  5. Zum präventiven Wirkung von Mittelmeerkost vgl. ASP. Mittelmeerkost beugt kardiovaskulären Erkrankungen vor [29]. Abrufbar über https://www.assmann-stiftung.de/mittelmeerkost-beugt-kardiovaskularen-erkrankungen-vor/ und R. Estruch et al. Primary Prevention of Cardiovascular Disease with a Mediterranean Diet. N Engl J Med 2013; 368:1279-1290April 4, 2013DOI: 10.1056/NEJMoa1200303
    sowie zur Prävention von Diabetes vgl. J. Salas – Salvado et al. Prevention of diabetes with Mediterranean diets: a subgroup analysis of a randomized trial. Ann Intern Med. 2014 Jan 7;160(1):1-10. doi: 10.7326/M13-1725.
  6. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsforschung (DGE) rät Bevölkerungsgruppen, die einen erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen und insbesondere an Vitamin-B-12 haben und dazu zählen vor allem Kinder, Schwangere und Stillende, rigoros von veganer Ernährung ab. Eltern, die ihr Kind dennoch vegan ernähren möchten, wird eine ärztliche Betreuung empfohlen. Vgl. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Vegane Ernährung: Nährstoffversorgung und Gesundheitsrisiken im Säuglings- und Kindesalter. DGEinfo 04/2011 – Forschung, Klinik, Praxis. Abrufbar über: http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=1130
  7. Laut Forsa bekennen in Deutschland zwei Drittel der Frauen und knapp 40 % der Männer, sich anteilig vegetarisch zu ernähren. 9 % der deutschen Bevölkerung zählt die Europäische Vegetarier – Union zum ihrem Kreis; immerhin dreimal so viele wie je in den USA und in Großbritannien. Vegetarier sind nicht in allen sozialen Schichten gleich häufig zu finden. Sie sind häufiger jünger und weiblich und leben sehr oft als Single mit Abitur in Städten. Vgl. dazu:
    A.M. Bordone-Cone. The Inter-Relationships between Vegetarianism and Eating Disorders among Females. Journal of the Academy of Nutrition and Dietetics
    Volume 112, Issue 8, Pages 1247–1252, August 2012. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.jand.2012.05.007 und die Statistik unter
    Vegetarierbund Deutschland: Aktuelle Forsa-Umfrage zeigt: In Deutschland leben über 42 Millionen Teilzeitvegetarier. (2013) http://www.vebu.de/aktuelles/pressemitteilungen/977-aktuelle-forsa-umfrage-zeigt-in-deutschland-leben-ueber-42-millionen-teilzeitvegetarier
  8. D. Korczak und C. Kister. Wirksamkeit von Diäten zur nachhaltigen Gewichtsreduktion bei Übergewicht und Adipositas. Köln 2013. Schriftenreihe Health Technology Assessment, Bd. 127. DOI: 10.3205/hta000112L. Abrufbar über http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta345_bericht_de.pdf
  9. Vgl. ASP. Strategiemodelle gegen den Hunger [81]. Abrufbar über https://www.assmann-stiftung.de/strategiemodelle-gegen-den-hunger-81/

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