Daten & Fakten

Adipositas beschreibt den Zustand einer über das Normalmaß hinausgehenden Vermehrung des Körperfetts und lässt sich über den Body‑Mass‑Index vom herkömmlichen Übergewicht abgrenzen. Nach neustem Wissensstand ist die Verteilung des Fetts jedoch wichtiger als die Masse, um das individuelle Krankheitsrisiko zu bestimmen. Vor allem Fettpolster, die am Bauch und übermäßig an den Organen lokalisiert sind, das sogenannte viszerale Fettgewebe, gelten als gefährlich [1]. Ein erhöhter Body-Mass-Index und Taillenumfang (siehe unten) sind mit einem erhöhten metabolischen und kardiovaskulären Krankheitsrisiko assoziiert (siehe Abbildung 1) [2;3].

Die Klassifikation von Übergewicht und Adipositas

Der Body‑Mass‑Index (BMI) ist eine errechnete Maßzahl zur Bewertung des Körpergewichts im Verhältnis zur Körpergröße. Häufig werden von Experten die Vor- und Nachteile des BMI im Vergleich zum Taillenumfang diskutiert. Die PROCAM‑Studie hat gezeigt, dass beide Verfahren bei der Diagnose des metabolischen Syndroms ein hohes Maß an Übereinstimmung aufweisen [4]. Der BMI (=Körpermassenindex) wird folgendermaßen berechnet:

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Gewichtsklassifikation wie folgt festgelegt [5]:

 

Tabelle 1: BMI: Gewichtsklassifikation
KategorieBMI (kg/m²)Gewichtsklassifikation
starkes Untergewicht< 16< 18,5 Untergewicht
mäßiges Untergewicht16 - 17
leichtes Untergewicht17 - 18,5
Normalgewicht18,5 - 25
Präadipositas25 - 30≥ 25 Übergewicht
Adipositas Grad I30 - 35≥ 30 Adipositas
Adipositas Grad II35 - 40
Adipositas Grad III≥ 40

Zur ersten Einschätzung eines eventuellen Übergewichts oder einer Adipositas gilt der BMI nach wie vor als praktikabel, allerdings werden auch die Grenzen dieser Maßzahl in der Adipositasforschung immer deutlicher. Der BMI berücksichtigt das gesamte Körpergewicht, unabhängig davon, zu welchen Teilen es sich aus Muskel- oder Fettmasse zusammensetzt. Eine übermäßige Körperfettvermehrung, wie Adipositas definiert wird, kann mittels des BMI also nicht eindeutig nachgewiesen werden. Das wird beispielsweise bei Profisportlern mit hoher Muskelmasse, insbesondere bei Kraftsportlern, deutlich. Da Muskeln ein relativ hohes Eigengewicht haben, sind diese Menschen nach reiner Beurteilung des BMI häufig als übergewichtig einzustufen, obwohl sie kaum Fettmasse haben. Ein BMI beurteilt also nur, welche Körpermasse vorhanden ist, jedoch nicht, ob sich diese Masse größtenteils aus Muskeln oder aus Fett zusammensetzt [6]. Entsprechend kann es während einer Gewichtsreduktion bei gleichzeitig ausgeprägter sportlicher Aktivität, insbesondere bei Krafttraining, zur Stagnation des Gewichts kommen, wenn weiterhin Fettmasse abgebaut, aber Muskelmasse aufgebaut wird. Zur Erhebung von Fett- und Muskelmasse kann eine bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) durchgeführt werden. Falls Sie an einer solchen Messung interessiert sind, sprechen Sie Ihren Hausarzt an. Dieser kann Sie bei Bedarf an einen Spezialisten überweisen.

Neben der Fettmasse bestimmt außerdem die Fettverteilung das metabolische und kardiovaskuläre Gesundheitsrisiko einer Adipositas. Da insbesondere die viszerale Fettmasse mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko assoziiert ist, hat sich der Taillenumfang als aussagekräftige Maßzahl für Übergewicht und damit verbundene Krankheitsrisiken etabliert [1] (Tabelle 2).

Tabelle 2: Taillenumfang und Krankheitsrisiken
Risiko für metabolische und kardiovaskuläre KomplikationenTaillenumfang in cm (Männer)Taillenumfang in cm (Frauen)
erhöht≥ 94≥ 80
deutlich erhöht≥ 102≥ 88

Taillenumfang messen

Ihren Taillenumfang sollten Sie am Morgen vor dem ersten Frühstück und nach dem Toilettengang messen, am besten stellen Sie sich dazu mit freiem Oberkörper aufrecht vor den Spiegel. Legen Sie nun ein Maßband um Ihre Taille zwischen die unterste Rippe und die Oberkante Ihres Hüftknochens (auf Bauchnabelhöhe). Das Band sollte möglichst eng und gerade um Ihren Körper führen, aber nicht einschneiden. Wenn Sie Ihren Bauch entspannen (d.h. nicht eingezogen haben) und ausgeatmet haben, können Sie Ihren Taillenumfang am Maßband ablesen [7].

Die Adipositas-Epidemie

Während Adipositas noch vor wenigen Jahrzehnten ein seltenes Phänomen war, hat sich die Prävalenz seit 1975 fast verdreifacht [8]. Daher ist es kaum verwunderlich, dass mittlerweile weltweit mehr Menschen übergewichtig als unterernährt sind. Weil Übergewicht und Adipositas die Hauptrisikofaktoren für zahlreiche chronische Erkrankungen wie Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebs sind, wachsen mit der Verbreitung von Übergewicht und Adipositas auch die Anforderungen an unser Gesundheitssystem. Lagen die Gesamtkosten für Adipositas in Deutschland im Jahr 2003 noch bei 13 Milliarden Euro, so werden es im Jahre 2020 schätzungsweise schon über 25 Milliarden Euro sein [9].

Auf der Internetseite der NCD Risk Factor Collaboration finden Sie anschauliche 3D-Visualisierungen neuster wissenschaftlicher Daten zum Thema BMI, Übergewicht und Adipositas weltweit.

Übergewicht erhöht das kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko [10]

Im Rahmen der PROCAM-Studie wurde der Zusammenhang zwischen dem Body Mass Index (BMI) und dem Sterblichkeitsrisiko durch koronare Herzkrankheit (KHK) untersucht. Zur Auswertung wurde die Population von 10 856 Männern mittleren Alters in Raucher und Nichtraucher eingeteilt. Die Ergebnisse sind in Abbildung 1 dargestellt.

Der Verlauf der Grafen ist relativ ähnlich: Bei niedrigem bis normalem BMI bleibt die Mortalität durch KHK bei beiden Personengruppen relativ konstant, bevor sie zum letzten Quintil hin deutlich ansteigt. Dabei verläuft die Kurve der Mortalitätsraten der Nichtraucher jedoch auf einem viel niedrigeren Niveau und ist selbst bei hohem BMI nur halb so hoch wie die Todesrate der Raucher in diesem Quintil. Neben Übergewicht erhöht also auch Rauchen das Sterblichkeitsrisiko durch KHK deutlich.

In der vorliegenden Studie hat der BMI keinen unabhängigen Effekt auf das KHK-Risiko, sondern steht in Wechselwirkung mit den Risikofaktoren, die im PROCAM-Algorithmus integriert sind. Hierzu zählen unter anderem Parameter des Blutlipid- und Insulinstoffwechsels. Dabei scheint das viszerale Fettgewebe bei einer über das Normalmaß hinausgehenden Ansammlung im Körper als stoffwechselaktives, endokrines Organ bedeutend in den Organismus einzugreifen und gewichtsassoziierte Erkrankungen wie das metabolische Syndrom in hohem Maße zu begünstigen (siehe oben: Taillenumfang) [11;12].

Bei der PROCAM-Studie (Prospective Cardiovascular Münster Study) handelt es sich um eine große Beobachtungsstudie mit Schwerpunkt auf Herz- und Gefäßerkrankungen. Die klassische, prospektive Kohortenstudie wurde 1978 am Institut für Arterioskleroseforschung an der Universität Münster von Prof. Dr. G. Assmann iniitiert und ist nach wie vor ein Meilenstein in der Erforschung kardiovaskulärer Erkrankungen. Von besonderer Bedeutung ist die Erkenntnis, dass das Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisiko nicht auf Basis eines einzelnen Risikofaktors bestimmt werden kann, sondern das Gesamtrisiko unter Berücksichtigung mehrere Risikofaktoren abgeschätzt werden muss. Diese Erkenntnis wurde praktisch durch mehrere PROCAM-Tests umgesetzt, mit denen das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bestimmt werden kann.

Abbildung 1: Altersstandardisierte Mortalitätsraten durch KHK in Abhängigkeit vom BMI in Quintilen bei Männern mittleren Alters in der Münster Heart Study (PROCAM); modifiziert nach Schulte et al. (1999) [10]


Quellen

[1] R. Ross et al. (2020): Waist circumference as a vital sign in clinical practice: a Consensus Statement from the IAS and ICCR Working Group on Visceral Obesity. In: Nature Reviews Endocrinology, Vol. 16, S.177-89.

[2] K. Bibbins-Domingo et al. (2007): Adolescent Overweight and Future Adult Coronary Heart Disease. In: The New England Journal of Medicine, Vol. 357, S. 2371-2379.

[3] The GBD 2015 Obesity Collaborators (2017): Health Effects of Overweight and Obesity in 195 Countries over 25 Years. In: The New England Journal of Medicine, Vol. 377, S. 13-27.

[4] International Task Force for Prevention of Coronary Heart Disease und International Atherosclerosis Society (2009): Handbuch Prävention der koronaren Herzkrankheit. Thomson Reuters.

[5] World Health Organization (2006): Global Database on Body Mass Index. An interactive surveillance tool for monitoring nutrition transition. Online unter http://apps.who.int/bmi/index.jsp?introPage=intro_3.html.

[6] J.E. Blundell et al. (2014): Beyond BMI – Phenotyping the Obesities. In: Obesity Facts, Vol. 7, Nr. 5, S. 322-328.

[7] AOK Baden-Württemberg (2018): Zu viel Bauchfett? So misst Du Deinen Bauchumfang. Online unter https://www.aok.de/bw-gesundnah/vorsorge-und-gesundheit/bauchumfang-messen/

[8] World Health Organization (2017): Obesity and overweight. Fact Sheet. Online unter http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs311/en/.

[9] Deutsche Adipositas Gesellschaft (2012): Kosten der Adipositas in Deutschland. Online unter http://www.adipositas-gesellschaft.de/index.php?id=42.

[10] H. Schulte, P. Cullen, G. Assmann (1999): Obesity, mortality and cardiovascular disease in the Muenster Heart Study (PROCAM). In: Atherosclerosis, Vol. 144, Nr. 1, S. 199-209.

[11] M. Blüher (2010): Pathophysiologie der Adipositas – neue Betrachtungsweise. In: Viszeralmedizin, Vol. 26, S. 14-20.

[12] S.B. Heymsfield, T.A. Wadden (2017): Mechanisms, Pathophysiology, and Management of Obesity. In: The New England Journal of Medicine, Vol. 376, S. 254-266.