Bariatrische Chirurgie

Neben der konservativen Behandlung einer Adipositas (Ernährungsumstellung, Steigerung körperlicher Aktivität und Verhaltensveränderung) gibt es außerdem die Möglichkeit, Adipositas durch eine chirurgische Operation zu therapieren. Da bariatrische Operationen aufgrund der oftmals schlechten körperlichen Verfassung (z.B. Herzschwäche) der Patienten erhebliche Gefahren für diese bergen und lebenslange Beeinträchtigungen nach sich ziehen können, wird ein solcher Eingriff im Regelfall nur erwogen, wenn alle konservativen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind.

Bariatrische Operationen kommen für Patienten mit extremer Adipositas (Grad III, entspricht einem BMI ≥ 40) in Frage, wenn konservative Behandlungsmöglichkeiten über einen Zeitraum von mehreren Monaten erfolglos waren. Auch bei Patienten mit einem geringeren BMI kann eine derartige Operation indiziert sein, wenn weitere erhebliche Komorbiditäten vorliegen. Ob ein bariatrischer Eingriff sinnvoll und zielführend ist, wird interdisziplinär durch ein Expertenteam entschieden.

Die Adipositaschirurgie beinhaltet verschiedene operative Verfahren wie unter anderem das Magenband, den Schlauchmagen oder den Magen-Bypass [1]. Einige der Verfahren sind irreversibel und bedeuten nicht selten eine lebenslange Beeinträchtigung von Ernährung und Verdauung wie etwa eine eingeschränkte Lebensmittelauswahl, eine stark reduzierte Nahrungszufuhr oder Malabsorptionsstörungen. Dies bedingt häufig eine kontinuierliche Supplementierung von Vitaminen und Mineralstoffen auf Lebenszeit. Unabhängig von der Operationsmethode kann es außerdem durch den starken Gewichtsverlust zu Hautüberschüssen kommen, was wiederrum weitere Operationen nach sich zieht. In jedem Fall sollten Patienten im Vorfeld einer Adipositasoperation sicherstellen, dass eine ausreichende postoperative Nachsorge besteht. Diese ist oft noch unzureichend und verlässliche Langzeitdaten über die Verfassung postoperativer Patienten nach einigen Jahren bis Jahrzehnten fehlen.

Trotz der genannten Risiken sind bariatrische Eingriffe für einige Adipositas-Patienten eine erfolgsversprechende und meist die letzte Möglichkeit, ihrer Erkrankung die Stirn zu bieten. Die krankhafte Fettleibigkeit, die zumeist über Jahre bis Jahrzehnte besteht, belastet den Körper doppelt: Sie wirkt sich zum einen physisch auf zahlreiche Organsysteme wie Herz-Kreislauf-System, Bewegungsapparat und Stoffwechsel aus, belastet zum anderen aber auch die Psyche in hohem Maße. Dieser Leidensdruck wird häufig als durch Willensschwäche selbstverschuldetes Problem abgetan. Zielführender als eine unbedachte Schuldzuweisung sind in jedem Fall eine umfassende Ursachenforschung und das Eruieren eines individuellen Lösungsansatzes für jeden Patienten. Hierfür werden in Adipositaszentren zunehmend multidisziplinäre Teams aus Internisten, Chirurgen, Ernährungstherapeuten, Pflege und Psychologen zusammengestellt, um die Notwendigkeit eines bariatrischen Eingriffs abzuwägen und eine entsprechende Betreuung zu gewährleisten.

In Folge bariatrischer Operationen werden Gewichtsverluste von bis zu 38 kg innerhalb eines Jahres postoperativ verzeichnet [2]. Diese wirken sich positiv auf etwaige Begleiterkrankungen aus: insbesondere hinsichtlich Glukose- und Fett-Stoffwechsel, Bewegungsapparat und Blutdruck profitieren die Betroffenen [3;4;5]. In einer aktuellen Meta-Analyse konnte außerdem ein um 41 % reduziertes Mortalitätsrisiko von operierten Adipositas-Patienten gegenüber nicht-operierten Patienten nachgewiesen werden [6]. Die Lebensqualität der Patienten nach einer Adipositasoperation steigt, auch durch die psychische Entlastung dank des neuen Körpergefühls und eines dadurch gesteigerten Selbstbewusstseins, meist erheblich.


Quellen

[1] Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (2018): S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen. Version 2.3. Online unter http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/088-001l_S3_Chirurgie-Adipositas-metabolische-Erkrankugen_2018-02.pdf.

[2] L. Sjöström et al. (2004): Lifestyle, Diabetes, and Cardiovascular Risk Factors 10 Years after Bariatric Surgery. In: The New England Journal of Medicine, Vol. 351, Nr. 26, S. 2683-2693.

[3] N. Puzziferri et al. (2014): Long-term Follow-up After Bariatric Surgery: A Systematic Review. In: Journal of the American Medical Association, Vol. 312, Nr. 9, S. 934-942.

[4] S.-H. Chang et al. (2014): Bariatric surgery: an updated systematic review and meta-analysis, 2003 – 2012. Journal of the American Medican Association Surgery, Vol. 149, Nr. 3, S. 275-287.

[5] T.D. Adams et al. (2017): Weight and Metabolic Outcomes 12 Years after Gastric Bypass. In: The New England Journal of Medicine, Vol. 337, S. 1143-1155.

[6] L. Cardoso et al [2017]: Short- and long-term mortality after bariatric surgery: A systematic review and meta-analysis. In: Diabetes, Obesity and Metabolism, Vol. 19, Nr. 9, S. 1223-1232.