Gravierend einschneidende Lebenserfahrungen oder Traumata lösen Stressreaktionen aus, die auch das Herz und die Gefäße erheblich belasten. Schwedische Wissenschaftler haben in einer vergleichenden Geschwisterstudie nachgewiesen, dass mit den stressbedingten psychischen Störungen die Gefahr für Herz- und Gefäßleiden durchschnittlich um zwei Drittel ansteigt. Zwar erwies sich besonders das erste Jahr nach dem Stressereignis als kritisch, doch auch längerfristig ließen sich herzschädigende Effekte nachweisen. Ein Herzstillstand oder ein Herzinfarkt trat in den ersten sechs Monaten nach dem Auslöser gehäuft auf, Gerinnsel in den Blutgefäßen bildeten sich vermehrt nach zwölf Monaten. Patienten unter 50 Jahre zeigten sich besonders anfällig. Die Ergebnisse sind im British Medical Journal publiziert (1).
Wissenschaftliche Details
Extrem belastende Situationen lösen Stressreaktionen aus, die dem Herz erheblich schaden können. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das Stresserlebnis nicht ausreichend verarbeitet wird und psychische Erkrankungen zur Folge hat, wie etwa eine posttraumatische Belastungsstörung, eine akute Stressreaktion oder auch eine Anpassungsstörung. Bisherige Forschungen zum Thema konzentrierten sich hauptsächlich auf männliche Veteranen oder Soldaten mit posttraumatischen Symptomen. Schwedische Wissenschaftler verglichen die Herz-Kreislaufdaten von 136.637 Erwachsenen mit diagnostizierten stressbedingten Störungen mit den Parametern von 171.314 stressarm lebenden Geschwistern in einem Zeitfenster von 27 Jahren. 1.366.370 zufällig ausgewählte Erwachsene ohne ein verwandtschaftliches Verhältnis bildeten eine weitere Vergleichsgruppe.
Die Analysen bestätigten den engen Zusammenhang zwischen den stressbedingten Störungen und den Herz- und Gefäßerkrankungen. Die unter Stress psychisch erkrankten Erwachsenen waren im Durchschnitt einem 64 %ig höheren Risiko ausgesetzt, Herz- und Gefäßerkrankungen zu erleiden oder auch sogar daran zu versterben, als Geschwister ohne traumatische Lebenserfahrungen. Erwartungsgemäß verlief das erste Jahr nach dem Stressereignis kritisch. In diesem Zeitraum stieg vor allem das Risiko für eine Herzinsuffizienz um das Siebenfache an, um danach wieder abzusinken.
Zwölf Monate nach dem Stressauslöser wiederum war die Gefahr für Blutgerinnsel am größten. Patienten unter 50 Jahre waren durchweg anfälliger als Ältere. Die Herz- und Gefäßschädigungen traten bei Männern und Frauen ähnlich und unabhängig davon auf, ob es in ihrer Familie eine Vorbelastung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder für psychische bzw. psychiatrische Erkrankungen gab.
Die Experten gehen davon aus, dass die Verbindung zwischen den stressbedingten psychischen Störungen und den Herz- und Gefäßerkrankungen sowohl durch Verhaltensfaktoren, etwa Schlafmangel und übermäßiges Rauchen, als auch durch Stoffwechselstörungen vermittelt werden. Als Auslöser für Störungen des Stoffwechsels werden insbesondere Entzündungen und Dysregulationen der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse in Betracht gezogen. Der Mechanismus ist allerdings unklar. Die Experten empfehlen ungeachtet dessen ein frühzeitiges Überwachen der Herz- und Gefäßgesundheit bei Patienten mit diagnostizierten stressbedingten psychischen Störungen.
Zum Weiterlesen
H. Song et al. (2019): Stress Related Disorders and Risk of Cardiovascular Disease: Population Based, Sibling Controlled Cohort Study. In: BMJ, Vol. 365. Online unter https://www.bmj.com/content/365/bmj.l1255.