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Statinbehandlung von Kindheit an bei familiärer Hypercholesterinämie [336]

Eine Statintherapie kann bei Kindern mit familiärer Hypercholesterinämie das Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen und den frühzeitigen Tod langfristig verringern. So stellten Wissenschaftler der Universität Amsterdam in einer Nachbeobachtung fest, dass Erwachsene, die im Kindes- und Jugendalter mit Pravastatin behandelt worden waren, deutlich seltener eine Herz-Kreislauf-Erkrankung erlitten als ihre Eltern im gleichen Alter.  Für die Elterngeneration stand das Medikament erst später im Leben zur Verfügung. Die frühe Gabe von Statinen hatte den mittleren LDL-Cholesterinspiegel der Betroffenen über 20 Jahre hinweg um rund 32 % abgesenkt. Auch konnte die zunehmende Verdickung der Halsschlagaderwand, ein Frühwarnzeichen für Atherosklerose, hinausgezögert werden.

Die Experten sind davon überzeugt, dass eine mit Hilfe von Statinen angestrebte Normalisierung des LDL-Cholesterinspiegels von Kindheit an ein Schlüsselfaktor ist, um die Herz- und Gefäßgesundheit im Erwachsenenalter bei Menschen mit familiärer Hypercholesterinämie über einen langen Zeitraum zu erhalten. Details hierzu finden sich im New England Journal of Medicine (1).


Wissenschaftliche Details

Familiäre Hypercholesterinämie und das Herz- und Gefäßrisiko

Die familiäre Hypercholesterinämie ist eine häufig vorkommende Störung des Lipoproteinstoffwechsels, die durch eine deutliche Erhöhung des LDL-Cholesterinspiegels von Kindesalter an charakterisiert ist. Die Betroffenen haben unbehandelt ein lebenslang extrem hohes Risiko für vorzeitige Herz- und Gefäßerkrankungen und einen vorzeitigen Tod, etwa infolge eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalls. Die familiäre Hypercholesterinämie zählt mit einer angenommenen Häufigkeit von 1 : 500 in Deutschland zu den häufigsten genetischen Störungen (2).

Statine

Zur Behandlung von familiärer Hypercholesterinämie werden bevorzugt Statine eingesetzt. In nationalen und internationalen Leitlinien wird die Gabe von Statinen ab einem Alter von 8 bzw. 10 Jahren befürwortet, um den schon in der Kindheit einsetzenden, ungünstigen Veränderungen der Arterienwände rechtzeitig entgegen wirken zu können (3,4,5).

Studie zur Langzeitwirkung von Pravastatin

Obwohl der lipidsenkende Effekt von Statinen auch bei Kindern gut belegt ist, fehlen bislang Belege für die Langzeiteffekte bis ins Erwachsenenalter. Wissenschaftler der Universität Amsterdam haben jetzt begonnen, diese Lücke durch eine 20-jährige Nachbeobachtung der Wirkung von Pravastatin bei Eltern und Kindern mit familiärer Hypercholesterinämie, auch im Vergleich zu gesunden Geschwistern, zu schließen. Analysiert wurde das Fortschreiten der subklinischen Atherosklerose und der kardiovaskulären Erkrankungen.

Die jetzt im New England Journal of Medicine erschienenen Untersuchungsergebnisse stützen die Ansicht, dass die Fettstoffwechselstörung schon ab dem Kindesalter mit Statinen behandelt werden sollte, um die Herz- und Gefäßgesundheit im Erwachsenenalter erhalten zu können (1). Für die Studie sammelten die Wissenschaftler über 20 Jahre Follow Up-Daten von an einer familiären Hypercholesterinämie erkrankten Kindern, die von 1997 bis 1999 an einer Untersuchung zur Sicherheit und Wirksamkeit von Pravastatin im Vergleich zu einem Placebo teilgenommen hatten und das Medikament auch danach weiter einnahmen. In die Analyse einbezogen wurden Parameter zu Herz- und Gefäßerkrankungen sowie zur Sterblichkeit. Die Angaben der 184 erkrankten Kinder wurden mit denen der 156 Eltern sowie der 77 fettstoffwechselgesunden Geschwister im ähnlichen Alter verglichen.

Im Unterschied zu ihren kranken Kindern konnten die Eltern erst nach dem 30. Lebensjahr mit Pravastatin behandelt werden, da das Medikament erst seit 1988 auf dem Markt verfügbar war. Bei der Nachuntersuchung gaben vier von fünf Patienten an, Pravastatin wie verschrieben eingenommen zu haben.

Die wichtigsten Ergebnisse der Analyse im Überblick:

  • Der mittlere LDL-Cholesterinspiegel der Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie war gegenüber dem Ausgangswert über 20 Jahre hinweg im Schnitt um 32 % gesunken (von 237,3 auf 160,7 mg/dl).
  • Durchschnittlich einer von fünf Patienten hatte das angestrebte LDL-Behandlungsziel (LDL < 100 mg/dl) erreicht.
  • Das mittlere Fortschreiten der Carotis intima media-Dicke der Halsschlagader, ein Marker für die subklinische Atherosklerose, konnte verzögert werden und verlief bei den Fettstoffwechselpatienten dadurch ähnlich wie bei den Geschwistern (0,0056 mm/Jahr im Vergleich zu 0,0057 mm/Jahr).
  • Im Vergleich zu den Elternteilen mit Hypercholesterinämie erlitten die fettstoffwechselkranken Nachkommen bis zu ihrem 40. Lebensjahr im Schnitt seltener eine Herz-Kreislauf-Erkrankung (1 % gegenüber 26 %) oder verstarben an einer Erkrankung des Herzens oder der Gefäße (0 gegenüber 7 %).

Eine Statintherapie ab dem Kindesalter kann bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie das Fortschreiten der Carotis intima media-Dicke der Halsschlagader verlangsamen und das Risiko für Herz- und Gefäß Erkrankungen und einen frühzeitigen Tod bis zum 40. Lebensjahr verringern. Der Schlüsselfaktor zur Prävention von Herzinfarkt und Schlaganfall bei familiärer Hypercholesterinämie ist nach wie vor der LDL-Cholesterinspiegel im Serum. Die Studienergebnisse sprechen, so die niederländischen Autoren, insgesamt dafür, so früh wie möglich mit einer Statintherapie bei Kindern mit familiärer Hypercholesterinämie zu beginnen.


Zum Weiterlesen

(1) I.K. Luirink et al. (2019): 20-Year Follow-up of Statins in Children with Familial Hypercholesterolemia. In: The New England Journal of Medicine, Vol. 381, S. 1547-56. Online unter https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1816454?query=featured_home

(2) G. Klose et al. (2014): Familiäre Hypercholesterinämie. Entwicklungen in Diagnostik und Behandlung. In: Deutsches Ärzteblatt, Vol. 111, S. 523-9. Online unter https://www.aerzteblatt.de/archiv/161185/Familiaere-Hypercholesterinaemie

(3) Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Stoffwechselstörungen in der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin e.V. (2015): S2k-Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Hyperlipidämien bei Kindern und Jugendlichen. Online unter https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/027-068l_s2k_Hyperlipid%C3%A4mien_Kinder_Jugendliche_2016-02.pdf

(4) B.G. Nordestgaard et al. (2019): Familial hypercholesterolaemia is underdiagnosed and undertreated in the general population: guidance for clinicians to prevent coronary heart disease: Consensus Statement of the European Atherosclerosis Society. In: European Heart Journal, Vol. 34, Nr. 45, S. 3478-90. Online unter https://academic.oup.com/eurheartj/article/34/45/3478/435928

(5) S.M. Grundy et al. (2018): 2018 AHA/ACC/AACVPR/AAPA/ABC/ACPM/ADA/AGS/AGS/APhA/ASPC/NLA/PCNA Guideline on the Management of Blood Cholesterol: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Clinical Practice Guidelines. In: Circulation, Vol. 139, Nr. 25, e1082-1143. Online unter https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIR.0000000000000625

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