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Sinkender Eisengehalt in Nutzpflanzen aufgrund zu hoher Kohlendioxidbelastung in der Atmosphäre [198]

Mit den steigenden Kohlendioxid-Konzentrationen der Luft verändert sich der Mikronährstoffgehalt von Pflanzen zuungunsten des Menschen. Besonders sensibel reagieren sogenannte C3-Pflanzen[1] wie Weizen, Roggen, Hafer oder Reis sowie Hülsenfrüchte auf Belastungen aus der Umwelt (1). Wissenschaftler weisen darauf hin, dass diese Getreidesorten zwischen 4 – 10 % weniger Eisen als gewohnt enthalten können, wenn sie in einer Umgebung mit hoher Kohlendioxidbelastung in der Umgebung gewachsen sind (2). Zudem nimmt auch der Anteil von Zink und Proteinen in den Pflanzen ab, wenn sich die Luftqualität verschlechtert (3). Mais, Hirse oder Amarant, also Gewächse, die Kohlendioxid aufbereitet verstoffwechseln, reagieren weniger empfindlich. Der sinkende Eisengehalt der Pflanzen wirkt sich besonders fatal auf den Ernährungsstatus in Regionen aus, die überwiegend pflanzliche C3-Lebensmittel konsumieren und zudem über eine geringe Lebensmittelvielfalt verfügen, wie etwa in Ländern im Süden Asiens und im nördlichen Afrika

Fußnote: [1] C3-Pflanzen betreiben unter normalen Temperatur- und Lichtverhältnissen Photosynthese. Bei heißem und trockenem Wetter schließen sich die Spaltöffnungen, wodurch die Photosynthese Leistung sinkt. Der überwiegende Teil höherer Pflanzen gehört zu den C3-Pflanzen. Um sich an Standort- bzw. Klimabedingungen optimal anzupassen, haben sich zudem besondere Formen der CO2-Fixierung entwickelt (C4- und CAM-Pflanzen. Vgl. C3 – Pflanzen. Blog. Abrufbar unter www.pflanzenforschung.de.


Wissenschaftliche Details

Eisenmangel als das größte Mikronährstoffdefizit der Welt wird mit weltweit rund 200.000 Todesfällen jährlich in Verbindung gebracht. Das Ausmaß des Eisendefizites ist unbekannt und kann nur geschätzt werden. Experten gehen davon aus, dass etwa die Hälfte der zwei Milliarden Menschen, die weltweit unter Blutarmut (Anämien) leiden, auch von Eisenmangel betroffen ist. Eisenmangel mindert die Leistungsfähigkeit, schwächt die Abwehrkräfte und führt u.a. zu einer höheren Sterblichkeitsrate bei Müttern und Kleinkindern (4).

Die Problematik könnte sich mit dem zunehmenden Kohlendioxid-Gehalt in der Luft in den kommenden Jahren verstärken, konstatieren Wissenschaftler vom Harvard University Center for the Environment in Cambridge. Diese hatten ermittelt, dass bei einer Kohlendioxid-Konzentration von über 550 ppm[1] der Eisengehalt in C3-Pflanzen wie Weizen, Hafer, Roggen, Reis sowie Hülsenfrüchten um vier bis zehn Prozent abnehmen kann.

Rückschlüsse auf das regionalspezifische Risiko eines zunehmenden Eisenmangels aufgrund steigender CO2-Werte erlaubt der Abgleich von Ernährungsgewohnheiten in 152 Ländern. Besonders betroffen ist demnach die Bevölkerung in Gebieten, die Eisen überwiegend aus pflanzlichen Produkten aufnehmen und zudem über eine geringe Ernährungsvielfalt verfügen, wie etwa in Südasien oder im nördlichen Afrika. Jetzt schon leben 1,4 Milliarden Kinder im Alter zwischen ein und fünf Jahren und Frauen im gebärfähigen Alter, also Gruppen, die besonders sensibel auf Eisenmangel reagieren, in diesen Risikoländern und bedürfen einer besonderen Fürsorge.

Nachfolgende Tabelle illustriert den Risikobereich (4)

CO2 Risikobereich

Nimmt der CO2-Gehalt der Atmosphäre weiter wie bislang zu, dann könnten, so die Wissenschaftler, bis 2050 weitere 3,4 % an Eisen in Grundnahrungsmitteln verloren gehen. Um diesem Trend entgegen zu wirken, empfehlen sie insbesondere in den Risikogebieten

  • den Eisengehalt von Ernten systematisch zu überwachen
  • staatliche und industriell geführte Informations- und Ernährungsprogramme zu starten
  • Forschungen zu Anbautechniken, die Mikronährstoffreichtum erhalten, zu intensivieren
  • gleichzeitig die Verfügbarkeit von eisenhaltigen Lebensmitteln vergrößern und Erkrankungen, die die Eisenabsorption einschränken, wie etwa Malaria, Parasiteninfektionen und Entzündungen gezielt zu bekämpfen (6).

Zu hohe CO2-Emissionen verursachen in den Nutzpflanzen nicht nur einen abnehmenden Mikronährstoffgehalt. Eine jetzt im Journal Environmental Health Perspectives publizierte Hochrechnung prognostiziert, dass sieben Prozent des Proteingehaltes in Nutzpflanzen aufgrund der Kohlendioxidbelastungen der Luft in verschiedenen Regionen der Welt, die von C3-Grundnahrungsmitteln abhängig sind, verloren gehen werden (2). In der Konsequenz bedeutet dies 7,9 % weniger Proteine in Zentralasien, Nordafrika und im Mittleren Osten, 8,2 % in Zentral- und Ost-Europa und 8,9 % in China.

Die Forschungen zum Zusammenhang von Nährstoffverlusten aufgrund von Umweltverschmutzungen und sinkender Lebensmittelqualität verweisen auf einen erweiterten Ansatzpunkt für die Prävention von Erkrankungen und frühen Tod – und auf einen akuten Handlungsbedarf.

Zum Weiterlesen

  1. SS Myers et al. (2014), Increasing CO2 threatens human nutrition, Nature, 510, 139–142. doi:10.1038/nature13179
  2. MR Smith et al. Potential rise in iron deficiency due to future anthropogenic carbon dioxide emissions. GeoHealth, August 2, 2017. Doi:10.1002/2016GH000018. Abrufbar über http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/2016GH000018/full
  3. Vgl. N. Medek et al. Estimated Effects of Future Atmospheric CO2 Concentrations on Protein Intake and the Risk of Protein Deficiency by Country and Region. Environmental Health Perspectives, online August 2, 2017, DOI: 10.1289/EHP41, abrufbbar über https://ehp.niehs.nih.gov/ehp41/ und SS Myers et al. (2015), Effect of increased concentrations of atmospheric carbon dioxide on the global threat of zinc deficiency: A modelling study, Lancet Glob. Heal., 3(10), e639–e645. doi: 10.1016/S2214-109X(15)00093-5. Epub 2015 Jul 15., abrufbar über https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26189102
  4. Vgl. (2), Figure 1
  5. Vgl. auch DJ Raiten et al. (2016), Integration to implementation and the Micronutrient Forum: A coordinated approach for global nutrition. Case study application: Safety and effectiveness of iron interventions, Adv Nutr vol. 7: 135-148, Jan 2016 abrufbar über http://advances.nutrition.org/content/7/1/135.full.pdf+html

Fußnote: [1] ppm = parts per million: Teilchen pro eine Million Teilchen

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