fbpx

Selenmangel wird infolge des Klimawandels drastisch zunehmen – übersehen wir eine Gefahr? [157]

Selen benötigt unser Organismus unabdingbar insbesondere für die Immunabwehr und als Baustein für Eiweiße. Winzige Dosen sind dafür nötig, die nur aus der Nahrung gewonnen werden. Ob Lebensmittel überhaupt Selen enthalten, entscheidet sich letztlich allein im Ackerboden.

Wissenschaftler der ETH Zürich dokumentieren erstmals, dass der ohnehin selenarme Boden in Europa in den nächsten Jahrzehnten infolge des Klimawandels weiter an seiner Mineralstoffkonzentration verlieren wird. Die Experten sprechen daher eine Frühwarnung aus. Weltweit leiden derzeit ca. 1 Milliarde Menschen an Selenmangel.


Wissenschaftliche Details

Selen gehört zu den unverzichtbaren Spurenelementen, die der menschliche Organismus benötigt, um (gesund) zu überleben. Es wirkt vor allem anti-oxidativ, bindet freie Radikale und stützt so die körpereigene Abwehr. Gravierender Selenmangel bremst das Wachstum bei Kindern und wird insbesondere bei Fehlfunktionen des Herzmuskels, der Leber und der Schilddrüse sowie bei Tumorerkrankungen beobachtet (1).

Ausreichend Selen kann nur über die Nahrung aufgenommen werden. Inwieweit Pflanzen überhaupt Selen enthalten, hängt im Wesentlichen von der Nährstoffkonzentration des Ackerbodens ab. Eher trockene, basische, sauerstoffhaltige Erden mit wenig Ton und organischem Kohlenstoff gelten als selenarm. So zeigen Einzelproben seit längerem an, dass es den landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland, Dänemark, Finnland, Schottland sowie auf dem Balkan an Selen mangelt.

Wissenschaftlern aus der ETH Zürich gelang jetzt erstmals in einer Hochrechnung von Daten aus 33.241 Bodenproben, die globale Verteilung von Selen für die letzten 20 Jahre des 20. und des 21. Jahrhunderts im Vergleich zu modellieren (2). Indem 26 Umweltfaktoren als Variable in die Modellberechnungen mit einflossen, konnte aufgezeigt werden, wie sich der Selengehalt im Boden in Abhängigkeit vom Klimawandel verändert und noch verändern wird. Die Niederschlagsmenge und der Grad ihrer Verdunstung wirkten sich dabei besonders einflussreich aus. Die Modellrechnungen ergaben, dass bis zu den 2090er Jahren zwei Drittel der weltweit landwirtschaftlich genutzten Flächen durchschnittlich neun Prozent an Selen verlieren werden. Betroffen sind vor allem Ackerböden in Europa, im nördlichen Indien, im südlichen Südamerika, im nördlichen Südafrika und im Südwesten der USA. In Südaustralien, südlich der Sahara und im Westen Chinas könnte der Selengehalt im Boden hingegen sogar zunehmen.

Die Experten sprechen eine Frühwarnung aus und appellieren gleichermaßen an humanitäre Organisationen wie an die industrielle Landwirtschaft, dem drohenden Selenverlust in den Böden präventiv zu begegnen. Sie weisen zudem darauf hin, dass sich infolge der Wechselwirkung zwischen dem Klima und der Beschaffenheit von landwirtschaftlichen Nutzflächen künftig die Konzentration nicht nur von Selen, sondern von weiteren lebenswichtigen Mineralstoffen im Boden verändern wird. Diese Nährstoffverluste könnten zu einer sinkenden Nährstoffqualität der Lebensmittel führen und somit das Risiko für Mikronährstoffmangel weltweit ansteigen lassen. Da eine nachhaltige Selenanreicherung bzw. -erhaltung der Böden nicht möglich ist, sprechen sich die Wissenschaftler für eine umfassende Mikronährstoffanreicherung der Pflanzen durch entsprechende Düngung aus.


Zum Weiterlesen

(1) A.P. Kipp et al. (2015): Revised reference values for selenium intake. In: Journal of Trace Elements in Medicine and Biology, Vol. 32, S. 195–199. Online unter https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0946672X15300195?via%3Dihub

(2) G.D. Jones et al. (2017): Selenium deficiency risk predicted to increase under future climate change. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Online unter
http://www.pnas.org/content/early/2017/02/14/1611576114

Comments are closed.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Unsere Webseite nutzt Cookies. Wenn Sie auf dieser Webseite bleiben, nehmen wir an, dass Sie damit einverstanden sind. Sie können unsere Cookies löschen. Wie das geht, erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Schließen