Immer mehr ältere Menschen leiden an Sarkopenie. Der altersabhängige Verlust von Muskelmasse und -funktion betrifft insbesondere diejenigen Senioren, die ihren Alltag vorwiegend sitzend oder liegend verbringen (1,2). In einer aktuellen Studie konnten deutsche Wissenschaftler die günstige Wirkung von Krafttraining auf den Verlauf der Sarkopenie bei männlichen Studienteilnehmern im Alter von 70 oder mehr Jahren erneut bestätigen. Besonders Krafttraining gilt daher laut dem Forscherteam als praktikable und effiziente Methode zur Bekämpfung einer Sarkopenie (3).
Neben regelmäßiger körperlicher Aktivität ist auch eine gesunde Ernährung mit ausreichend hochwertigem Eiweiß erfolgsversprechend zur Prävention und Behandlung einer Sarkopenie. Am besten sei eine Kombination dieser ernährungs- und bewegungstherapeutischen Maßnahmen, so die Experten der europäischen Gesellschaft für klinische Ernährung und Stoffwechsel (eng. European Society for Clinical Nutrition and Metabolism, ESPEN) (2).
Wissenschaftliche Details
Der Verlust von Muskelmasse mit zunehmendem Alter (=Sarkopenie) ist ein natürliches Phänomen und hat zahlreiche negative Auswirkungen etwa auf die Lebensqualität, die Mobilität und die Sterblichkeit der Betroffenen (1). Weil Sarkopenie nicht einheitlich definiert ist, variieren die Angaben zur Anzahl der Betroffenen stark. Von den Menschen zwischen 60 und 70 Jahren gelten 5 bis 13 % als betroffen, für die über 80-Jährigen bewegen sich die Angaben zwischen 11 und 50 % (4).
Der altersbedingte, natürliche Muskelschwund wird besonders häufig bei Senioren mit einem vorwiegend inaktiven Lebensstil beobachtet (2). Regelmäßige Bewegung in Form von Ausdauer- oder insbesondere Krafttraining hingegen kann einer Sarkopenie entgegenwirken bzw. das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Inwieweit sich hochintensives Krafttraining auf den Krankheitsverlauf von 43 älteren Männern mit Sarkopenie auswirkt, hat ein Forscherteam aus Erlangen kürzlich untersucht (3).
Krafttraining und proteinreiche Kost verlangsamten Fortschreiten der Sarkopenie bei Studienteilnehmern
Die männlichen Probanden im Alter von 72 oder mehr Jahren wurden zufällig einer Krafttrainings- oder Kontrollgruppe (inaktiv) zugeordnet. Während die Krafttrainingsgruppe eine Ziel-Proteinzufuhr von 1,5 g/kg Körpergewicht pro Tag hatte, lag das Ziel für die Proteinzufuhr in der Kontrollgruppe bei 1,2 g/kg Körpergewicht täglich. Bei Bedarf wurde die natürliche Proteinzufuhr aller Probanden mit Proteinsupplementen angereichert. Ebenso wurden Studienteilnehmern mit einem niedrigen Vitamin D-Spiegel (< 40 ng/ml) sowie einer geschätzten geringen Calciumzufuhr Vitamin D- und Calcium-Supplemente zur Verfügung gestellt. Zur Einschätzung des Sarkopenie-Verlaufs wurde der Z-Score, welcher Veränderungen der Ganggeschwindigkeit, der Griffkraft und der Skelettmuskulatur berücksichtigt, herangezogen.
Nach dem 28-wöchigen Krafttraining (zwei Trainingseinheiten wöchentlich) konnte eine signifikante Verbesserung des Z-Score bei den Probanden festgestellt werden, wohingegen sich der Z-Score der Teilnehmer in der Kontrollgruppe signifikant verschlechterte. Die Wissenschaftler bestätigten mit ihrer Studie somit erneut die günstige Wirkung von Krafttraining auf eine bestehende Sarkopenie. Sie halten Krafttraining daher für eine praktikable und hocheffiziente Trainingsmethode zur Bekämpfung einer Sarkopenie.
Bei der Interpretation der Studie ist zu beachten, dass auch die proteindefinierte (Interventionsgruppe 1,5g/kg Körpergewicht täglich, Kontrollgruppe 1,2g/kg Körpergewicht täglich) sowie Vitamin D- und calciumreiche Ernährung der Probanden zur Verbesserung des Krankheitsstatus beigetragen haben könnte. Der beobachtete Effekt lässt sich nicht nur auf das Krafttraining beschränken, sondern ist höchstwahrscheinlich auf die Kombination der Ernährungs- und Bewegungsintervention zurückzuführen. Auch wurde in der Krafttrainingsgruppe eine höhere Proteinaufnahme angestrebt als in der Kontrollgruppe. Diese unterschiedlichen Eiweißaufnahmen könnten zumindest zum Teil zu den unterschiedlichen Ergebnissen in beiden Gruppen beigetragen haben.
Strategien zur Sarkopenie-Prävention
Eine geeignete Proteinzufuhr in Kombination mit täglicher Bewegung gilt unter Experten als optimal zur Aufrechterhaltung der Muskelfunktion (2). Eine besonders vielversprechende, aber noch unzureichend erforschte Strategie, um die Muskelmasse aufrecht zu erhalten, ist die Proteinschwelle. Demnach sollte die Proteinzufuhr für einen optimalen Muskelstoffwechsel möglichst gleichmäßig auf die Mahlzeiten verteilt werden und bei circa 25 bis 30 g pro Mahlzeit liegen. Eindeutig bewiesen ist hingegen, dass ein ausreichend hoher Leucinanteil des Proteins den Muskelproteinaufbau unterstützt (5). Was die Bewegung angeht, so scheint Krafttraining aufgrund der gezielten Beanspruchung von Muskelgruppen besonders effektiv zur Prävention und Behandlung der Sarkopenie zu sein (2,3,6).
Empfehlungen zur Proteinzufuhr für ältere Menschen
Die ESPEN-Empfehlungen zur Proteinaufnahme und Bewegung mit dem Ziel der Optimierung der Muskelfunktion mit zunehmendem Alter lauten wie folgt:
- für gesunde ältere Menschen eine Proteinzufuhr in Höhe von 1 bis 1,2 g/kg Körpergewicht am Tag
- für ältere Menschen mit Mangelernährung oder einem erkrankungsbedingt erhöhten Risiko dafür wird eine Eiweißaufnahme zwischen 1,2 und 1,5 g/kg Körpergewicht täglich empfohlen
- im Falle von schweren Erkrankungen oder Verletzungen ist die empfohlene Proteinaufnahme pro Tag noch höher
- immer nach ärztlicher Rücksprache (insbesondere bei Erkrankungen der Niere)
- für alle älteren Menschen eine tägliche körperliche Aktivität (Ausdauer, Kraft), die so lange wie möglich beibehalten werden sollte (ESPEN 2014)
MCT-Fette als weitere Therapieoption?
Eine im letzten Jahr im American Journal of Clinical Nutrition veröffentlichte Studie zeigt außerdem die mittelkettigen Fettsäuren (MCT-Fette) als potentielles Therapeutikum für Sarkopenie-Patienten auf. Die Autoren schlussfolgerten aus ihren Studienergebnissen, dass eine Zufuhr von MCT-Fetten in Höhe von 6 g täglich die Muskelkraft und -funktionalität der gebrechlichen älteren Studienteilnehmer verbesserte und deren tägliche Bewegungsdauer erhöhte (7). Es gilt also abzuwarten, inwiefern das optimale Ernährungsmuster zur Prävention und Behandlung einer Sarkopenie künftig eventuell erweitert wird.
Zum Weiterlesen
(1) E. Marzetti et al. (2017): Sarcopenia: an overview. In: Aging Clinical and Experimental Research, Nr. 1, S. 11-7. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28155183
(2) N.E.P. Deutz et al. (2014): Protein intake and exercise for optimal muscle function with aging: Recommendations from the ESPEN Expert Group. In: Clinical Nutrition, Vol. 33, S. 929-36. Online unter https://www.espen.org/files/PIIS0261561414001113.pdf
(3) T. Lichtenberg et al. (2019): The Favorable Effects of a High-Intensity Resistance Training on Sarcopenia in Older Community-Dwelling Men with Osteosarcopenia: The Randomized Controlled FrOST Study. In: Clinical Interventions in Aging, Vol. 14, S. 2173-86. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31908428
(4) S. v. Haehling et al. (2010): An overview of sarcopenia: facts and numbers on prevalence and clinical impact. In: Journal of Cachexia, Sarcopenia and Muscle, Nr. 2, S. 129-33. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3060646/
(5) D. Paddon-Jones et al. (2015): Protein and healthy eating. In: The American Journal of Clinical Nutrition, Vol. 101, Nr. 6, S.1339S-45S. Online unter https://academic.oup.com/ajcn/article/101/6/1339S/4564495
(6) J.E. Morley (2016): Frailty and sarcopenia in elderly. In: Wiener Klinische Wochenschrift, Vol. 128, Suppl. 7, S. 439-45. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27670855
(7) S. Abe et al. (2019): Medium-chain triglycerides (8:0 and 10:0) are promising nutrients for sarcopenia: a randomized controlled trial. In: The American Journal of Clinical Nutrition, Vol. 110, Nr. 3, S. 652-65. Online unter https://academic.oup.com/ajcn/article-abstract/110/3/652/5537100?redirectedFrom=fulltext