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Salz schadet der Darmflora [242]

Sehr salzhaltige Kost dezimiert den Bestand von Milchsäurebakterien im Darm. Gleichzeitig steigt der Blutdruck an. Auch nimmt im Blut die Zahl von entzündungsfördernden TH 17-Immunhelferzellen zu. Die Entwicklung von salzabhängigen Erkrankungen wird daher durch ein Wechselspiel zwischen der Darmflora und dem Immunsystem mit beeinflusst, so Wissenschaftler vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin und der Berliner Charité in der Interpretation ihrer Forschungsergebnisse (1). Die Experten prognostizieren in der Zeitschrift „Nature“, dass künftig eine gezielte Stärkung des Darmmikrobioms dazu beitragen kann, Bluthochdruck, Herz-Kreislauferkrankungen oder etwa auch Multiple Sklerose präventiv entgegen zu wirken.


Wissenschaftliche Details

Ein dauerhaft zu hoher Salzkonsum kann zu Bluthochdruck und anhängig zu Herz-Kreislauferkrankungen führen (2). Ebenso wird die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose zunehmend auch mit einer zu salzhaltigen Kost in Verbindung gebracht. Um diesen Zusammenhang zu erklären, hat sich die Forschung bislang auf die schädlichen Auswirkungen von Salz auf das Gefäßsystem, auf die Nierenfunktionen und auf das Nervensystem konzentriert. Einen neuen Faktor hat jetzt in der Zeitschrift „Nature“ ein internationales Wissenschaftlerteam vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin und der Berliner Charité mit dem Verweis auf das salzempfindliche Darmmikrobiom ins Spiel gebracht (1).

Ausgangspunkt dieser Überlegung bildeten Beobachtungen zu den Reaktionen von Mäusen auf salzangereichertes Futter. Eine erhöhte Salzzufuhr veränderte zwar nicht die Verdauung, wohl aber die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft im Mäusedarm. Neue Bakterien kamen hinzu, andere wie die Milchsäurebakterien der Gattung Lactobacillus verschwanden hingegen fast vollständig aus dem Bestand. Gleichzeitig stiegen der Blutdruck sowie die Zahl der TH 17-Immunzellen im Blut bei den Tieren an; autoimmune Prozesse intensivierten sich. Eine Rückgabe ausgewählter Sorten wie Lactobacillus murinus oder auch Lactobacillus reuteri an die Mäuse mit Hilfe von Präbiotika glich das Defizit in der Darmbakteriengemeinschaft zum Teil wieder aus. Dabei verringerten sich auch die salzbedingten krankhaften Veränderungen, der Blutdruck sank und die Heftigkeit autoimmuner Reaktionen ließ mit der Gabe der spezifischen Präbiotika nach.

Im Pilotversuch mit zwölf gesunden Männern wiederholte sich das Muster einer Verbindung zwischen der salzsensiblen Darmflora, der Intensität von Immunreaktionen und den Blutdruckveränderungen. Als die Versuchspersonen zwei Wochen lang täglich sechs Gramm Salz zusätzlich zur gewohnten Kost konsumierten, stiegen bei ihnen sowohl der Blutdruck als auch die Zahl der TH-17 Immunhelferzellen an. Gleichzeitig veränderte sich die Zusammensetzung des Darmmikrobioms. Unter anderem dezimierte sich bei den Männern wie bei den Mäusen der Bestand von Lactobacillus spp., insoweit diese Milchsäurebakterien vor der Salzbehandlung überhaupt vorhanden gewesen sind. Nur bei fünf von 12 Männern konnte diese Bakteriengattung zu Studienbeginn nachgewiesen werden.

Lactobacillus-Bakterien gehören nicht zum Grundbestand der menschlichen Darmflora. Abhängig vom Ernährungsstil nimmt die Zahl dieser Mikroben im Laufe des Lebens immer mehr ab. Erwachsene, die traditionell fermentierte Lebensmittel wie Joghurt oder Kefir bevorzugen, tragen in der Regel eine größere Vielfalt von Lactobacillus-Bakterien in sich als die Anhänger der westlichen Ernährungsweise, die unter anderem viel Salz nutzt. Die therapeutische Wirksamkeit von Joghurt und Kefir sei damit dennoch nicht bewiesen, so die Wissenschaftler. Der Befund aus dem Pilotversuch lässt eher vermuten, dass noch viele andere unentdeckte, salzempfindliche Bakterienarten den menschlichen Darm besiedeln und das Immunsystem und den Blutdruck beeinflussen können.

Die derzeitigen Forschungsergebnisse reichen noch nicht aus, um aus der gefundenen Verbindung zwischen einer salzsempfindlichen Darmflora, den Autoimmunreaktionen und den Blutdruckveränderungen prognostische Schlüsse zu ziehen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass es künftig möglich sein wird, Präbiotika individuell zusammen zu stellen, um das Darmmikrobiom derart zu stärken, dass Bluthochdruck, anhängige Herz-Kreislaufleiden und zerstörerische Autoimmunreaktionen ausbleiben oder gelindert werden.


Zum Weiterlesen

(1) N. Wilck et al. (2017): Salt-responsive gut commensal modulates TH17 axis and disease. In: Nature, Vol. 551, S. 585–589. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6070150/

(2) M. O’Donnell et al. (2014): Urinary sodium and potassium excretion, mortality, and cardiovascular events. In: The New England Journal of Medicine, Vol. 371, S. 612–623. Online unter https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1311889

(3) Assmann-Stiftung für Prävention (2017): Ein zu hoher Salzkonsum schwächt das Herz [204]. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/ein-zu-hoher-salzkonsum-schwaecht-das-herz-204/

(4) A. Mente et al. (2018): Urinary sodium excretion, blood pressure, cardiovascular disease, and mortality: a community-level prospective epidemiological cohort study. In: The Lancet, Vol. 392, Nr. 10146, S. 496-506. Online unter https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(18)31376-X/fulltext

 

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