fbpx

Salz in der Prävention von chronischen Krankheiten [67]

Das Übermaß im Salzkonsum verringern – kaum eine ernährungsphysiologische Empfehlung wird so oft  in Präventionsprogrammen ausgesprochen wie diese. So soll zum Beispiel das von der Welt Herz Föderation anvisierte Ziel, bis zum Jahr 2025 die Herz-Kreislaufmortalität um 25 % zu senken, explizit auch mit Hilfe einer salzreduzierten Ernährung erreicht werden (1).

UN und WHO favorisieren die gesundheitspolitische Erwartung, mit der Minderung des Salzverbrauches das Entstehen und die Ausbreitung von chronischen Krankheiten im günstigen Kosten-Nutzen –Verhältnis begrenzen zu helfen (2). Gemeinsam von der WHO und von internationalen medizinischen Fachgesellschaften getragene Präventionsprogramme sehen daher vor, den Salzkonsum in den kommenden zehn Jahren weltweit um 30 % zu reduzieren. Der von der WHO im Jahr 2013 präzisierte Richtwert einer gesundheitsförderlichen Verzehrhöchstmenge von maximal 5 g Salz bzw. von maximal 2 g Natrium pro Tag bildet dabei eine Berechnungsgrundlage für die so genannten nationalen Salzstrategien (3). Salz ist der wichtigste Natriumlieferant und ein lebenswichtiger Mineralstoff für den menschlichen Organismus. 1 g Salz enthält 393 mg oder 17 mmol Natrium (4).

Salzverbrauch steigt weltweit

Mediziner der Harvard – Universität fanden jüngst in einer Auswertung von 247 Studien aus 50 Ländern heraus, dass rund 99 % der Weltbevölkerung mehr als die von der WHO empfohlene Menge an Natrium täglich zu sich nehmen (5). Global betrachtet, wurden im Jahr 2010 durchschnittlich 3,95 g/Tag Natrium konsumiert, also fast doppelt soviel wie von der WHO empfohlen.

Der Natriumverzehr variiert in Abhängigkeit vom Herkunftsland und auch vom Geschlecht der Konsumenten beträchtlich. Den höchsten durchschnittlichen Natriumverbrauch weist Kasachstan auf mit 6 g täglich, gefolgt von Mauritius mit 5,6 g/Tag und Usbekistan mit 5,5 g/Tag. Kenia und Malawi benötigen mit durchschnittlich 1,5 g/Tag die geringsten Mengen an Natrium. Männer verzehren im Durchschnitt mehr Salz als Frauen. Nach einer aktuellen Bewertung des Max-Rubner-Instituts (MRI) und des Robert-Koch-Instituts (RKI)  liegt die tägliche Salzaufnahme in Deutschland bei durchschnittlich 9 Gramm bei Männern und 6,5 Gramm bei Frauen. (6).

Auswirkungen der Salzzufuhr auf die Gesundheit

Eine zu salzreiche Ernährung kann den Blutdruck erhöhen und damit auch das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und ihren Folgeschäden signifikant vergrößern. Die American Heart Association (AHA) etwa führt 15 % der 2,3 Millionen durch Herz-Kreislauferkrankungen bedingten Todesfälle im Jahr 2010 auf einen zu hohen Salzkonsum zurück (7).

Eine im Jahr 2013 von der WHO beauftragte  Metaanalyse von randomisierten Studien und prospektiven Kohortenstudien mit nicht akut erkrankten Erwachsenen belegt, dass eine erhöhte Natriumaufnahme auch mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko und einer erhöhten Schlaganfallmortalität assoziiert ist (8).

Die Analysen ergaben, dass eine reduzierte Natriumaufnahme mit einem Absinken des Blutdruckes einhergehen kann. Lag etwa die tägliche Natriumzufuhr unter 2 g am Tag, sank bei den Probanden der systolische Blutdruck um 3,47 mmHg und der diastolische Blutdruck um 1,81 mmHg. Die verminderte Natriumaufnahme hatte keinen signifikant negativen Auswirkungen auf die Blutfettwerte, den Katecholaminspiegel oder die Nierenfunktionen. Ungeklärt bleibt bislang der Zusammenhang zwischen einer reduzierten Natriumzufuhr und der Gesamtmortalität.
Beobachtungsstudien legen die Vermutung nahe, dass auch eine allzu geringe Salzzufuhr die kardiovaskuläre Mortalität und die Häufigkeit von Herz-Kreislauferkrankungen ansteigen lassen könnte. Nach Angaben deutscher, österreichischer und Schweizer Fachgesellschaften bedarf es einer täglichen Mindestmenge von ca. 550 mg Natrium am Tag, um die physiologischen Funktionen des menschlichen Organismus aufrecht zu erhalten (9).

Studienergebnisse weisen darauf hin, dass eine zu salzreiche Ernährung unabhängig von ihrem Einfluss auf den Blutdruck mit zerebrovaskulären Ereignissen (10) sowie mit Herz- und Niereninsuffizienz (11) im Zusammenhang stehen kann. Weiterhin sind Assoziationen zwischen einer zu hohen Salzzufuhr und dem Risiko für Magenkarzinome (12), für Nierensteine (13) sowie für das  Metabolische Syndrom (14) und das krankhafte Übergewicht (15) klinisch beschrieben.

Neueste biomedizinische Forschungsergebnisse bekräftigen die Hypothese, dass eine zu hohe Zufuhr an Natrium auch Autoimmunkrankheiten befördern könnte. Tests an menschlichen Zellkulturen und an Mäusen zeigen, dass salzhaltige Nährstoffe die Aggressivität von T-Lymphopzyten fördern. Unter Laborbedingungen zeigen Mäuse zudem nach einer sehr salzhaltigen Kost schneller und heftiger Symptome der multiplen Sklerose (16). Nachgewiesen wurde dabei auch, dass nach sehr salzhaltigen Mahlzeiten in Fastfood – Restaurants die Zahl der aggressiven Immunzellen im menschlichen Blut überproportional ansteigen kann.

Salzkomponenten in der täglichen Ernährung

Ca. 75 % des konsumierten Salzes stammt aus Fertiggerichten und verarbeiteten Lebensmitteln wie Fleischerzeugnisse, Käse und auch Backwaren. Rund 12 % werden der Nahrung direkt durch das Salz streuen zusätzlich beigefügt. Der kritische Blick auf die Zusammensetzung der täglichen Nahrung bietet daher eine Vielzahl von Ansatzpunkten, um den Salzkonsum zu reduzieren. Außerdem nehmen einschlägige Ernährungsempfehlungen auf Möglichkeiten einer Minderung der Salzdosis Bezug (17).

Weit weniger berücksichtigt wird im Alltag, dass insbesondere auch lösliche Arzneimittel höhere Natriummengen enthalten. Die Auswertung von 1.292.337  Patientendaten einer zwischen 1987 und 2010 durchgeführten Fall-Kontroll-Studie zeigt, dass allein durch die Einnahme von löslichen Schmerzmitteln wie Paracetamol und Acetylsalicylsäure (ASS)  die empfohlene Tagesdosis an Natrium überschritten werden kann (18). Die Analyse ergab auch, dass bei dauerhafter Einnahme der löslichen Schmerzmittel das Risiko für Bluthochdruck um das siebenfache und für Herzinfarkt und Schlaganfall um 16 % ansteigen kann.

Salzempfindlichkeit

Der menschliche Stoffwechsel reagiert hormonell, genetisch, alters- und krankheitsbedingt sehr unterschiedlich und individuell auf eine Veränderung der Salzzufuhr. Ob und wie die variable Salzempfindlichkeit verschiedener Bevölkerungsgruppen in spezifischen Verzehrempfehlungen berücksichtigt werden solle, wird derzeit sehr kontrovers diskutiert (19). So rät das American Institute of Medicine etwa der Gruppe von über 50-Jährigen und Patienten mit Hypertonie, einem Diabetes oder einer chronischen Niereninsuffizienz sowie Afroamerikanern zu einer geringeren Tagessalzdosis als die für die Gesamtbevölkerung gültige, ohne dafür  in der medizinischen Fachwelt uneingeschränkte Befürwortung zu erlangen.

Ungeachtet des nach wie vor  umfangreichen Forschungsbedarfes (20) zur Dosierung und zur Wirkung von Salz und Natrium gilt es derzeit als Konsens, dass alle Bevölkerungsgruppen von einer verminderten Salzzufuhr profitieren können.

Zum Weiterlesen:

(1)  Im Kommentar und auch auf die Situation in Deutschland bezogen:
http://dgk.org/pressemitteilungen/2013-herbsttagung/2013-ht-aktuelle-pm/2013-ht-statements/2013-ht-statements-tag2/weltweite-kampagne-will-herz-kreislauf-sterblichkeit-bis-2025-auf-25-prozent-reduzieren-wissenschaftliche-leitlinien-sollen-dabei-unterstuetzen/

(2)  Population sodium reduction strategies: http://www.who.int/dietphysicalactivity/reducingsalt/en/

(3)  Guideline: Sodium intake for adults and children:
http://www.who.int/nutrition/publications/guidelines/sodium_intake/en/
Die The American Heart Association empfiehlt abweichend davon die Natriumdosis von 1,5 g/Tag. Vgl. etwa: http://www.heart.org/HEARTORG/GettingHealthy/Diet-and-Lifestyle-Recommendations_UCM_305855_Article.jsp

(4)  In der klinischen Forschung werden Mengenangaben sowohl für Natrium (engl. Sodium) als auch für Salz (Natriumchlorid; engl. Sodium chloride) benutzt. Die Bezeichnungen in diesem Beitrag geben das jeweilige Studiendesign wieder.

(5)  S. Fahimi et al. Abstract 017: National, Regional, and Global Sodium Intake in 1990 and 2010: A Systematic Analysis of 247 24-hour Urinary Sodium Excretion Studies and Dietary Surveys Worldwide. In: Circulation. 2013; 127: A017

(6)  http://www.bfr.bund.de/cm/343/blutdrucksenkung-durch-weniger-salz-in-lebensmitteln.pdf

(7)  D. Mozaffarian et al. Abstract 028: The Global Impact of Sodium Consumption on Cardiovascular Mortality: A Global, Regional, and National Comparative Risk Assessment. In: Circulation. 2013; 127: A028

(8)  N.J. Aburto et al. Effect of lower sodium intake on health: systematic review and meta-analyses. In: BMJ 2013; 346 doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.f1326

(9)  D-A-CH Referenzwerte der DGE, ÖGE, SGE/SVE.
http://www.dge.de/modules.php?name=Content&pa=showpage&pid=3&page=5

(10)                  XY Li et al. High salt intake and stroke: meta-analysis of the epidemiologic evidence. In: CNS Neurosci Ther. 2012 Aug;18(8):691-701. doi: 10.1111/j.1755-5949.2012.00355.x und Strazzullo P. Salt intake, stroke, and cardiovascular disease: meta-analysis of prospective studies. In: BMJ. 2009 Nov 24; 339:b4567. doi: 10.1136/bmj.b4567.

(11)                  HJ. Lambers Heerspink et al. Salt intake in kidney disease–a missed therapeutic opportunity? In: Nephrol Dial Transplant. 2012 Sep;27(9):3435-42. doi: 10.1093/ndt/gfs354 und ESC Abstract 2478 – Urinary sodium excretion and risk of heart failure in men and women in the EPIC-Norfolk study. 

(12)                  JV.  Joosens et al. Dietary salt, nitrate and stomach cancer mortality in 24 countries. European Cancer Prevention (ECP) and the INTERSALT Cooperative Research Group. In: Int J Epidemiol. 1996; 25(3):494-504.

(13)                  L Borghi et al. C.mparison of Two Diets for the Prevention of Recurrent Stones in Idiopathic Hypercalciuria. In: N Engl J Med 2002; 346:77-8.

(14)                  J. Chen et al. Metabolic syndrome and salt sensitivity of blood pressure in non-diabetic people in China : A dietary intervention study. Lancet 2009 Mar 7; 373:829.

(15)                  z.B. H. Zhu et al. Dietary Sodium, Adiposity, and Inflammation in Healthy Adolescents. In: Pediatrics. Accepted December 17, 2013. doi: 10.1542/peds.2013-1794.

(16)                  M. Kleinewietfeld et al. Sodium chloride drives autoimmune disease by the induction of pathogenic TH17 cells. In: Nature (2013) doi:10.1038/nature1186.

(17)                  https://www.assmann-stiftung.de/ernaehrung/ernaehrungstipps-details/  und https://www.assmann-stiftung.de/ernaehrung/ernaehrung-blutdruck/

(18)                  J. George. Association between cardiovascular events and sodium-containing effervescent, dispersible, and soluble drugs: nested case-control study. In: BMJ 2013; 347 doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.f6954.

(19)                  IOM (Institute of Medicine). 2013. Sodium intake in populations: Assessment of evidence. Washington, DC: The National Academies Press. Online zugänglich über den link: http://www.nap.edu/catalog.php?record_id=18311 und die kritische Position der Amerikanischen Herzgesellschaft (AHA): K. Paul et al. American Heart Association Sodium Reduction Recommendations. In: Circulation. doi: 10.1161/CIR.0b013e318279acbf.

(20)                  Exemplarisch vgl.:  TA Kotchen et al: Salt in health and disease–a delicate balance. In: N Engl J Med. 2013 Jun 27; 368(26):2531-2. doi: 10.1056/NEJMc1305326.

Comments are closed.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Unsere Webseite nutzt Cookies. Wenn Sie auf dieser Webseite bleiben, nehmen wir an, dass Sie damit einverstanden sind. Sie können unsere Cookies löschen. Wie das geht, erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Schließen