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Radikaldiät als frühe Interventionsmöglichkeit bei viel zu hohen Blutzuckerwerten [124]

Rund 1.000 Menschen erkranken täglich in Deutschland neu an Typ 2-Diabetes. Manchmal wird diese Erkrankung nur zufällig entdeckt, weil viel zu hohe Blutzuckerwerte nicht immer sofort fühlbare Beschwerden auslösen. Doch ist die Diagnose gestellt, erfahren die Betroffenen auch, dass ihre Lebenserwartung nun um rund sechs Jahre geringer ausfallen kann als die bei Gleichaltrigen ohne eine Stoffwechselstörung. Britische Wissenschaftler zeigen, dass es mit einer Radikaldiät gelingen kann, krankhaft hohe Blutzuckerwerte dauerhaft zu normalisieren. Je früher diese rigorose Ernährungsumstellung erfolgt, umso größer ist die Chance, die Entwicklung eines Typ 2-Diabetes umzukehren. Neben einer familiären Vorbelastung, immensen Stress und Bewegungsmangel gilt Fettleibigkeit aufgrund von Überernährung als der maßgebliche Risikofaktor für den Typ 2-Diabetes. Präventionskonzepte und -angebote liegen vor. Doch Experten fragen zunehmend auch öffentlich, ob die Verantwortung für deren Umsetzung ausschließlich im Kreis der von Erkrankungsrisiken besonders betroffenen Menschen liegt. Zum Beispiel diskutiert die britische Regierung, ob eine Zuckersteuer auf süße Getränke eingeführt werden sollte.


Wissenschaftliche Details

Jeder Fünfte von den mehr als sechs Millionen Diabetikern in Deutschland weiß noch nichts von seiner Erkrankung (1). Diabetesfälle in der Verwandtschaft, negativer Dauerstress oft in Verbindung mit Bewegungsmangel und vor allem krankhaftes Übergewicht gehören zu den Faktoren, die im Alltag auf eine Gefährdung, an Typ 2- Diabetes in der zweiten Lebenshälfte zu erkranken, hinweisen (2). Wird die Diagnose frühzeitig gestellt, dann kann aus der Sicht britischer Wissenschaftler eine Radikaldiät für viele Patienten die Möglichkeit eröffnen, aus eigener Kraft und auch langfristig die krankhaft hohen Blutzuckerwerte zu normalisieren (3):
Mittels einer flüssigen Diätkost und kalorienarmem Gemüse gelang es 30 übergewichtigen Briten mittleren Alters, ihre sehr hohen Blutzuckerwerte zu verringern. Die Diabetiker hatten sich in einer acht Wochen langen Testphase unter ärztlicher Aufsicht von nur maximal 700 kcal täglich ernährt und alle blutzuckersenkenden Medikamente vorher abgesetzt. Knapp die Hälfte von ihnen erreichte durch die rigorose Diätkost einen Nüchternblutzuckerwert von weniger als 7 mmol/l (unter 126 mg/dl), einem Grenzwert, der zwar immer noch kritisch beurteilt, doch labortechnisch gesehen lediglich einer Vorstufe von Typ 2-Diabetes zugeordnet wird. In einer nachfolgenden, sechs Monate dauernden Phase mit Reduktionskost blieben diese fast normalen, gesünderen Blutzuckerwerte bei allen stabil und auch der nebenbei erreichte Gewichtsverlust von rund 14 kg pro Person erhalten. Die Radikaldiät half vor allem Patienten, die noch nicht lange und weniger als vier Jahre zuckerkrank und mit durchschnittlich 52 auch rund 8 Jahre jünger waren als Betroffene, die weniger gute Blutzuckerwerte erzielten. Das optimistische Fazit der Wissenschaftler lautet einmal mehr, Typ 2 Diabetes kann potentiell umkehrbar und letztendlich vermeidbar sein, vorausgesetzt, die Veränderungen im Lebensstil erfolgen rechtzeitig.

Ein entscheidender Ansatzpunkt hierfür liegt in der Beschränkung von Überernährung (4). Experten aus der Medizin und der Gesundheitspolitik beklagen zunehmend öffentlich, dass das angehäufte Wissen um die Prävention von Typ 2-Diabetes im Einzelfall kaum umgesetzt wird. Ansprüche an die lebensmittelverarbeitenden Industrie, einen Teil der Verantwortung für die Vielzahl der Stoffwechselerkrankungen mit zu tragen, werden lauter. Exemplarisch sei hier nur auf die auch akademisch geführte Diskussion um das Vorhaben der britischen Regierung, eine Zuckersteuer auf süße Getränke einzuführen, hingewiesen (5;6).

Die jetzt im Journal The Lancet publizierte Übersicht zur Häufigkeit von Typ 2-Diabetes im Ländervergleich unterstreicht den immensen Handlungsbedarf im Bereich der Prävention (7). Die Lancet-Studie stellt fest, dass sich die Zahl der Diabetes-Fälle seit 1980 bis 2014 weltweit von 108 Millionen auf 422 Millionen Betroffene vervierfacht hat. Die Hälfte der erwachsenen Diabetiker-Patienten weltweit kamen 2014 aus nur fünf Ländern: China, Indien, USA, Brasilien und Indonesien. Besonders auf den Pazifischen Inseln, im Nahen Osten und in nordafrikanischen Ländern wie Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien nahmen die Erkrankungen rasant zu. Eine Grafik mag abschließend das Ausmaß dieser Entwicklung verdeutlichen (siehe Abbildung):

Ausmaß dieser Entwicklung - Diabetes weltweit


Zum Weiterlesen

(1) Deutsche Diabetes Gesellschaft, diabetesDE Deutsche Diabeteshilfe (2016): Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2016. Online unter http://www.diabetesde.org/fileadmin/users/Patientenseite/PDFs_und_TEXTE/Infomaterial/Gesundheitsbericht_2016.pdf

(2) Assmann-Stiftung für Prävention (2014): Gesundheit durch Lebensstil. Sonderbeilage der Rheinischen Post – Extra Gesünder älter werden. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/wp-content/uploads/2014/01/EXTRA-Ges%C3%BCnder-%C3%A4lter-werden-Seite-3.pdf

(3) S. Steven et al. (2016): Very-Low-Calorie Diet and 6 Months of Weight Stability in Type 2 Diabetes: Pathophysiologic Changes in Responders and Nonresponders. In: Diabetes Care. Online unter http://care.diabetesjournals.org/content/early/2016/02/24/dc15-1942.abstract

(4) G. Mingrone et al. (2015): Bariatric–metabolic surgery versus conventional medical treatment in obese patients with type 2 diabetes: 5 year follow-up of an open-label, single-centre, randomised controlled trial. In: The Lancet, Vol. 386, Nr. 9997, S. 964–973. Online unter https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(15)00075-6/abstract?code=lancet-site

(5) A. Gulland (2016): Headline writers find sweet spot with sugar tax. In: British Medical Journal, Vol. 352, i1627. Online unter https://www.bmj.com/content/352/bmj.i1627

(6) Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (2016): Deutsche Diabetes Gesellschaft und diabetesDE begrüßen Englands Beschluss zur Softdrink-Steuer: Wann handelt endlich auch die Bundesregierung? Online unter http://www.dank-allianz.de/nachricht/144.html

(7) NCD Risk Factor Collaboration (2016): Worldwide trends in diabetes since 1980: a pooled analysis of 751 population-based studies with 4,4 million participants. In: The Lancet, Vol. 387, Nr. 10027, S. 1513–1530. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5081106/

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