Der Ernährungszustand von Frauen und Männer im fortpflanzungsfähigen Alter beeinflusst die Chancen der noch ungeborenen Kinder auf ein gesundes Leben maßgeblich. Neben Rauchen und zu hohem Alkohol- und Koffeinkonsum vergrößern vor allem Adipositas und Mangelernährung das Risiko für chronische Erkrankungen bei den Nachkommen über Generationen hinweg. Das Journal „The Lancet“ greift das Thema auf und stellt jetzt ein umfassendes Gesundheitskonzept für die Zeit vor der Empfängnis (Preconceptional Health) vor.
Wissenschaftliche Details
Die Ernährungsweise von Männern und Frauen, die potentiell in der Lage sind, Eltern zu werden, prägt nicht nur den Verlauf einer möglichen Schwangerschaft. Sie kann zudem das Risiko für chronische Erkrankungen bei den Nachkommen über einen sehr langen Zeitraum hinweg erhöhen oder senken. Drei Publikationen im Journal „The Lancet“ lenken jetzt mit einem umfassenden Gesundheitskonzept für den Zeitraum vor der Empfängnis (Preconceptional Health) die Aufmerksamkeit der Gesundheitsförderung auf eben jenes Zeitfenster. Ziel dabei ist es, sowohl den Ernährungszustand von Frauen und Männern zu verbessern, die aktiv planen, Eltern zu werden, als auch eine gesunde Ernährung von Bevölkerungsgruppen im fortpflanzungsfähigen Alter insgesamt zu unterstützen. Dabei sollen beide Elternteile in spe gleichermaßen motiviert werden, Verantwortung zu übernehmen, indem sie sich ernährungsphysiologisch auf eine mögliche Schwangerschaft einstellen. Die Experten unterscheiden drei Zeitfenster für Hilfestellungen in der Prävention:
- aus biologischer Sicht Tage bis Wochen vor der Embryonalentwicklung
- aus der Sicht einer individuellen Lebensplanung Wochen bis Monate vor der geplanten Schwangerschaft
- aus gesundheitspolitischer Sicht: Monate oder Jahre
Aktuelle Aufklärungskampagnen fokussieren sich derzeit überwiegend darauf, die schädliche Wirkung von Rauchen und übermäßigem Alkoholkonsum zu erläutern. Doch die Chancen der noch ungeborenen Kinder auf ein langes Leben in Gesundheit werden, so die Autoren, auch durch unausgewogene Ernährung und Mikronährstoffmangel verringert. Fettsucht bei den Eltern etwa kann die Wahrscheinlichkeit von Herzinfarkten, Schlaganfällen, Immunerkrankungen und Diabetes bei Kindern vergrößern, nachdem Entzündungsprozesse, Metaboliten oder Hormone Eizellen oder/und Spermien verändert haben. Mikronährstoffdefizite führen, insbesondere wenn sie bei der Mutter auftreten, wiederum zu körperlichen und geistigen Entwicklungsverzögerungen bei den Kindern. Das Verständnis für diese Zusammenhänge ist sowohl in reichen als auch in ärmeren Ländern kaum ausgeprägt. Darauf haben unter anderem zwei neue Stichprobenanalysen bei britischen und australischen Frauen im gebärfähigen Alter von 18 bis 42 Jahren verwiesen. So lag bei rund 96 % von ihnen die Zufuhr von Eisen und Folaten unter den in diesen Ländern empfohlenen Werten von 14,8 mg bzw. 400 µg pro Tag. Die Werte entsprechen ungefähr den empfohlenen Zufuhrmengen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, sollten zusätzlich zu einer folatreichen Ernährung in ärztlicher Absprache täglich 400 µg Folsäure einnehmen, um Neuralrohrdefekten vorzubeugen (2). Für schwangere und stillende Frauen gelten nochmals erhöhte Zufuhrempfehlungen.
Eine Nahrungsergänzung mit Mikronährstoffen, die in der Schwangerschaft begonnen wird, kann zwar helfen, Nährstoffmängel bei der Mutter auszugleichen, reiche aber nach Ansicht der Experten nicht aus, um die Gesundheit eines ungeborenen Kindes grundlegend zu verbessern. Bedenklich sei auch, dass weltweit betrachtet die typischen Ernährungsgewohnheiten insbesondere bei Jugendlichen weit hinter den Empfehlungen für eine ausgewogene Nährstoffversorgung zurückbleiben. Daher sollten Schulen, so die internationale Autorengruppe um Judith Stephenson vom Institute for Women’s Health, University College London, mit dem Konzept von „Preconceptional Health“ Jugendliche auf die zukünftige Elternschaft vorbereiten.
Die Assmann‑Stiftung für Prävention führt in Kooperation mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung seit 2016 internationale Studierendenwettbewerbe zur Linderung von Mikronährstoffdefiziten bei Kindern südlich der Sahara durch. Die Initiative „Students4Kids“ trägt mit innovativen Ansätzen unmittelbar zur Gesundheitsfürsorge vor der Empfängnis bei (3).
Zum Weiterlesen
(1) Series from the Lancet Journals. Preconception health. The Lancet. Published: April 17, 2018, abrufbar unter http://www.thelancet.com/series/preconception-health:
- J. Stephensons et al. (2018): Before the beginning: nutrition and lifestyle in the preconception period and its importance for future health. In: The Lancet, Vol. 391, Nr. 10132, S. 1830-1841. Online unter https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(18)30311-8/fulltext
- T.P. Fleming et al. (2018): Origins of lifetime health around the time of conception: causes and consequences. In: The Lancet, Vol. 391, Nr. 10132, S. 1842-1852. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/m/pubmed/29673874/
- M. Barker et al. (2018): Intervention strategies to improve nutrition and health behaviours before conception. In: The Lancet, Vol. 391, Nr. 10132, S. 1853-1864. Online unter https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(18)30313-1/fulltext
(2) Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2018): Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Online unter https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/
(3) Assmann-Stiftung für Prävention (2018): 10 gute Gründe für ein Engagement gegen Hidden Hunger in Uganda. 1. Auflage, Münster. Online unter https://students4kids.org/wp-content/uploads/2017/02/S4K_10-Gr%C3%BCnde_Uganda_Web.pdf