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Neue Erkenntnisse zu Kohlenhydraten in der Ernährung von Diabetes-Patienten [338]

Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. So wird insbesondere Patienten mit chronischen Erkrankungen wie einem Diabetes mellitus das Verfolgen einer gesunden Ernährungsweise empfohlen, um die Einnahme von Medikamenten vermeiden oder die Dosis reduzieren zu können und langfristig Folgeerkrankungen vorzubeugen. Dabei scheinen für Diabetiker die Kohlenhydrate eine besonders wichtige Rolle zu spielen. Während man lange Zeit der Meinung war, Diabetes-Patienten sollten die Aufnahme kohlenhydratreicher Lebensmittel reduzieren oder zumindest im Blick behalten, zeigen aktuelle Studienergebnisse nun Gegenteiliges. Anhand der Daten von über 3.000 Probanden konnten schottische Forscher nachweisen, dass eine geringe Kohlenhydrat- und erhöhte Fettzufuhr mit einem erhöhten HbA1c-Wert[1] und einem erhöhten Diabetesrisiko assoziiert war. Die Studienergebnisse sind kürzlich im wissenschaftlichen European Journal of Nutrition veröffentlicht worden (1).


Wissenschaftliche Details

Lange Zeit wurde Diabetikern der Konsum von Kohlenhydraten bzw. insbesondere von zuckerreichen Lebensmitteln strengstens untersagt. Experten waren der Meinung, dass sich ein hoher Konsum kohlenhydratreicher Lebensmittel negativ auf den Stoffwechsel der Patienten auswirkt.

Die Lebensmittelindustrie reagierte mit der Produktion sogenannter „Diabetiker-Produkte“. Diese waren mit Zuckeralternativen gesüßt und sollten dabei helfen, den Blutzuckerspiegel der Betroffenen besser unter Kontrolle zu halten. In den Diätschokoladen, -joghurts und -marmeladen wurde unter anderem Fructose statt Saccharose eingesetzt. Nachdem nachgewiesen worden war, dass die Verwendung von Fructose und Zuckeraustauschstoffen anstelle des gewöhnlichen Haushaltszuckers keine Vorteile sondern sogar potentielle Nachteile für Diabetiker mit sich brachte, wurde der Verkauf von Diabetiker-Lebensmitteln bis zum Jahr 2012 nach Änderung der Diätverordnung eingestellt (2,3,4).

Mittlerweile sind Fachleute sich einig, dass Diabetiker kein spezielles Ernährungsmuster verfolgen müssen. Ihnen wird ebenso wie der Allgemeinheit eine gesunde, ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung, beispielsweise die mediterrane Ernährung, empfohlen (5).

In einer aktuellen Studie schottischer Wissenschaftler wurden die Auswirkungen der Ernährung auf Parameter und Erkrankungsrisiko des Diabetes mellitus nun erneut hinterfragt (1).

Die Studienautoren um C. Churuangsuk analysierten die Ernährungsdaten von über 3.000 Personen aus dem UK National Diet and Nutrition Survey (2008-2016) anhand der viertägigen Ernährungstagebücher, die sie ausgefüllt hatten. Zur Beurteilung der Ernährungsweise der Probanden zogen die Wissenschaftler zwei Scores heran: Ein hoher LCHF (low carb high fat)-Score deutete auf einen geringen prozentualen Anteil von Kohlenhydraten an der aufgenommenen Gesamtenergie im Verhältnis zu Fett hin. Mithilfe des DRV (UK Dietary Reference Value)-Score wurde quantifiziert, inwieweit die Ernährung der Studienteilnehmer den staatlichen Referenzwerten für eine gesunde Ernährung entsprach. Neben den Scores wurden auch die Makronährstoffverteilung der Ernährung sowie – für alle Teilnehmer ohne einen manifestierten Diabetes mellitus – die HbA1c-Werte (in %) zur Datenanalyse herangezogen.

Von allen Studienteilnehmern hatten 6 % einen manifesten Diabetes mellitus (entweder im Vorfeld diagnostiziert oder anhand eines HbA1c ≥ 6,5 %). Eine um 5 % verringerte Energiezufuhr aus Kohlenhydraten war assoziiert mit einem 12 % erhöhten Wahrscheinlichkeit für einen Diabetes, während die Wahrscheinlichkeit für einen Diabetes je 5 % erhöhter Energiezufuhr aus Fett um 17 % höher war. Pro 2 Punkte Anstieg des LCHF-Score war das Diabetesrisiko um 8 % erhöht. Hingegen konnte kein Zusammenhang zwischen dem DRV-Score und dem Erkrankungsrisiko für Diabetes festgestellt werden.

Bei allen Teilnehmern ohne diagnostizierten Diabetes konnte eine Assoziation jeder 5 %-igen Reduktion der Kohlenhydratzufuhr mit einem um 0,016 % höheren HbA1c nachgewiesen werden. Pro 5 % Zunahme der aufgenommenen Fettmenge konnte ein Zusammenhang mit einem um 0,029 % höheren HbA1c gezeigt werden.

Das Fazit der wissenschaftlichen Analysen: Eine geringere Kohlenhydrat- und höhere Fettzufuhr war in der britischen Probandengruppe mit einem erhöhten HbA1c sowie einem höheren Risiko für einen Diabetes mellitus assoziiert. Den Studienautoren nach wird die in der Wissenschaft aktuell geläufige Ansicht, eine geringe Kohlenhydratzufuhr sei effektiv zur Diabetesprävention, durch die Studienergebnisse nicht unterstützt. Da zur Analyse für das Vereinigte Königreich repräsentative Daten herangezogen wurden, sind die Studienergebnisse auf die britische Bevölkerung sowie wahrscheinlich auf weitere europäische Bevölkerungsgruppen übertragbar.


Zum Weiterlesen

(1) C. Churuangsuk et al. (2019): Lower carbohydrate and higher fat intakes are associated with higher hemoglobin A1c: findings from the UK National Diet and Nutrition Survey 2008-2016. In: European Journal of Nutrition. Online-Vorveröffentlichung. Online unter https://link.springer.com/article/10.1007/s00394-019-02122-1

(2) Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2012): Diabetiker-Lebensmittel sind vom Tisch. Vollwertige Ernährung größeres Plus als teure Produkte. Online unter https://www.dge.de/presse/pm/diabetiker-lebensmittel-sind-vom-tisch/

(3) Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) (2014): Nationale VersorgungsLeitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes – Langfassung. 1. Auflage. Version 4.

(4) N.G. Fohouri et al. (2018): Dietary and nutritional approaches for prevention and management of type 2 diabetes. In: The BMJ, Vol. 361, k2234. Online unter https://www.bmj.com/content/361/bmj.k2234 

(5) World Health Organization (2017): Diabetes. Online unter http://www.who.int/en/news-room/fact-sheets/detail/diabetes


Fußnote

[1] Der HbA1c-Wert ist ein Parameter zur Abschätzung der Blutzuckerkonzentration. Bekannt ist der Wert vor allem aus der Diabetes-Therapie. HbA1c ist eine Unterform des Hämoglobins von Erwachsenen.

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