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Neuartige Blutparameter im Kampf gegen nicht-übertragbare Krankheiten und Multimorbidität? [368]

Nicht-übertragbare Erkrankungen machen weltweit über 70 % aller Todesfälle aus. Insbesondere ältere Menschen ebenso wie Personen, die in Ländern mit geringem bis mittlerem Einkommen leben, sind von den sog. non-communicable diseases betroffen (1). Eine besondere Herausforderung im Zusammenhang mit nicht-übertragbaren Krankheiten ist, dass es bei den wenigsten Menschen bei einer Krankheit bleibt. So erkrankt circa ein Drittel derjenigen, die an einer nicht-übertragbaren Krankheit leiden, im Verlaufe des weiteren Lebens an mindestens einer weiteren (2,3).

Ein internationales Forscherteam hat nun möglicherweise einen Ansatz gefunden, mit dem die Erkrankungen in den Anfängen ihrer Entstehung erkannt und somit frühzeitig abgewendet werden könnten. Das Team um den Wissenschaftler Maik Pietzner untersuchte Stoffwechselprodukte im Blut als Indikatoren für die Entwicklung von verschiedenen Krankheiten. Dabei konnten sie zahlreiche Assoziationen zwischen den untersuchten Verbindungen und Krankheiten finden. Bei Personen mit mehreren Leiden scheinen speziell die Nierenfunktionsstörungen eine wichtige Rolle zu spielen, so das Resümee der Studienautoren (4).


Wissenschaftliche Details

Die Coronapandemie versetzt die Menschheit in Angst und Schrecken. Angst um ihre Gesundheit? Auch. Aber vor allem: Angst um ihren Wohlstand. Laut einer Umfrage aus dem Spätsommer 2020 rangiert die Angst vor einer schweren Erkrankung auch inmitten von öffentlichen Diskussionen um Intensivbetten, Desinfektion und einer neuartigen Impfung in Deutschland nur auf Platz 2 hinter der Angst vor einer wirtschaftlichen Talfahrt (5).

Während für die Wirtschaft aktuell kein Lichtblick in Sicht ist, gibt es zumindest in Sachen Krankheitsprävention und -früherkennung positive Ereignisse zu verzeichnen. Mit dem Ziel, zukunftsträchtige Instrumente zur Diagnostik und Therapie für die Multimorbidität zu finden, hat ein internationales Forscherteam Blutproben von über 12.000 Menschen analysiert. Das Blut wurde auf verschiedene Stoffwechselprodukte untersucht – etwa solche, die bei der Energiegewinnung oder der Verdauung entstehen. Denn diese könnten, so die Hypothese der Wissenschaftler, frühzeitig anzeigen, ob und welche Erkrankungen ein Mensch entwickelt (4).

Von den über 1.000 untersuchten Stoffwechselprodukten konnten 420 mit einer oder mehreren Erkrankungen in Verbindung gebracht werden, etwa mit Herzschwäche, Leberkrankheiten oder Funktionsstörungen der Niere. Bei den meisten dieser Verbindungen zwischen Erkrankung und Stoffwechselprodukten spielte ein Molekül ein besonders wichtige Rolle: N-Acetyl-Neuraminat. Warum sich der Stoff, der Bestandteil von Endothelzellen ist, vermehrt im Blut anreichert, ist noch unklar. Die Experten vermuten als Auslöser möglicherweise einen hohen Blutdruck, oxidativen Stress oder entzündliche Prozesse (4).

Mit Multimorbidität konnten immerhin 30 der untersuchten Stoffwechselprodukte assoziiert werden. Dabei machten die Studienautoren im Kontext der Nierengesundheit eine weitere, interessante Entdeckung: Sie identifizierten die Stoffgruppe der N-Acetyl-Alanine als neuen Indikator für die Nierengesundheit, der diese deutlich zuverlässiger voraussagte als die bekannten Nierenparameter. War der Blutspiegel der N-Acetyl-Alanine erhöht, war nicht nur das Risiko für eine Nierenschwäche, sondern auch für viele andere Krankheiten erhöht. Die Experten vermuten daher, dass Nierenfunktionsstörungen in höherem Maße als bisher vermutet zu einer Multimorbidität beitragen könnten und sich eine frühzeitige Behandlung entsprechend auszahlen könnte (3,4).

Die Studienergebnisse von Pietzner et al. sind richtungsweisend für einen möglicherweise neuen Ansatz im Umgang mit nicht-übertragbaren Erkrankungen und Multimorbidität – weg von der Symptombehandlung von Blutwerten und hin zu Früherkennungsmaßnahmen, mit denen die Krankheiten optimalerweise in den Ansätzen ihrer Entstehung erkannt und abgewendet werden können.

Neben der Optimierung der medizinischen Arbeit sollte jedoch nicht vergessen werden, dass Lebensstilfaktoren wie Rauchen, zu wenig Bewegung, Alkoholmissbrauch und eine ungesunde Ernährung das Risiko, an einer nicht-übertragbaren Krankheit zu erkranken, deutlich erhöhen (1). Während die Wissenschaftler also tun, was in ihrer Macht steht, um die Gesundheit des Menschen so lange und so gut wie möglich zu erhalten, sollten auch die Menschen selbst ihren Teil dazu beitragen. Das bedeutet: kein Missbrauch von Tabak oder Alkohol, ausreichend Bewegung, gesunde Ernährung. Denn den eigenen Lebensstil und somit auch die eigene Gesundheit hat in erster Linie jeder selbst in der Hand.


Zum Weiterlesen

(1) World Health Organization (2018): Noncommunicable diseases. Online unter https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/noncommunicable-diseases

(2) S. Licher et al. (2019): Lifetime risk and multimorbidity of non-communicable diseases and disease-free life expectancy in the general population: A population-based cohort study. In: PLoS Med, Vol. 16, Nr. 2, e1002741. Online unter https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30716101/

(3) N. von Lutterotti (2021): Gute Ernten und böse Zeichen. In: Neue Zürcher Zeitung, 24.03.2021. Online unter https://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin-ernaehrung/die-entschluesselung-des-stoffwechsels-verraet-viel-ueber-die-kuenftige-gesundheit-17258552.html

(4) M. Pietzner et al. (2021): Plasma metabolites to profile pathways in noncommunicable disease multimorbidity. In: Nature Medicine, Vol. 27, S. 471-479. Online unter https://www.nature.com/articles/s41591-021-01266-0

(5) Deutsche haben mehr Angst um Wohlstand als um Gesundheit. Westfälische Nachrichten, 10.09.2020. Online unter https://www.wn.de/Welt/Wirtschaft/4269715-Umfrage-Deutsche-haben-mehr-Angst-um-Wohlstand-als-um-Gesundheit

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