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Mangelernährung in deutschen Krankenhäusern rechtzeitig erkennen und lindern [234]

Jeder vierte Patient in Deutschland ist mangelernährt, wenn er in eine Klinik eingewiesen wird. Betroffene verbleiben länger im Krankenhaus, haben eine schlechtere Prognose und vor allem ein höheres Sterberisiko. Routinemäßig eingesetzte Screenings auf Mangelernährung können Leben retten, indem sie helfen, den Nährstoffmangel individuell festzustellen. Einfache anerkannte ernährungstherapeutische Maßnahmen beseitigen diesen effektiv und nachhaltig (1).

Gezielten Ernährungsinterventionen kommt in der Prävention und in der Behandlung vor allem von chronischen Erkrankungen eine vergleichbare Bedeutung zu wie die Verordnung krankheitsspezifischer Medikamente, so die Unterzeichner der „Kasseler Erklärung“ zur Stärkung der Ernährungsmedizin (2).


Wissenschaftliche Details

„Ernährung ist Therapie und Prävention zugleich“, so lautete das Motto des diesjährigen Kongresses „Ernährung 2018“, der von der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM), vom Bundesverband Deutscher Ernährungsmediziner e.V. (BDEM) sowie vom Berufsverband Oecotrophologie e.V. (VDOE) vom 21. bis 23. Juni 2018 in Kassel veranstaltet wurde (1). Neben Adipositas stand insbesondere die Problematik von Mangelernährung im Fokus der Erörterungen.

Rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland gelten als mangelernährt. Zu den Ursachen von Mangelernährung in Deutschland zählen soziale Isolation, ein schlechter Zahnstatus oder schlechtsitzende Zahnprothesen, Demenz, Depressionen, Alkoholabhängigkeit und Armut. Die lebensstilbedingte Mangelernährung wird beim Hinzutreten von konsumierenden Erkrankungen, also von Beeinträchtigungen, die den Energiebedarf zusätzlich erhöhen wie insbesondere Krebs, noch verstärkt. Geschätzt 20 bis 30 % aller Krebspatienten versterben nicht primär an Tumoren, sondern an Folgen der sie auslösenden Mangelernährung.

Eine Nährstoffunterversorgung wird oft erst offensichtlich, wenn Betroffene aufgrund ihrer Erkrankungen im Krankenhaus untersucht werden. Die Folgen für den Heilungsprozess und die Prognose sind fatal. Mangelernährte Patienten erleiden häufiger Komplikationen und vertragen Therapien schlechter. Sie haben zudem geringere Heilungs- und Überlebenschancen und ein höheres Risiko für dauerhafte Folgeschädigungen, die die Lebensqualität beeinträchtigen. Rund jeder vierte Klinikpatient in Deutschland weist inzwischen Zeichen von Energie- und Nährstoffmangel auf, unabhängig davon, welcher Gewichtsklasse er zuzuordnen ist. Mangelernährung kann auch bei krankhaftem Übergewicht auftreten, wenn Vitamine und Mineralstoffe nicht ausreichend aufgenommen oder verwertet werden können.

Die Kongressteilnehmer setzen sich für ein routinemäßiges kurzes Screening bei allen Klinikpatienten ein, um eine eklatante Nährstoffunterversorgung rasch zu diagnostizieren. Im Rahmen des Screenings wird ein in der Regel knapper Fragebogen ausgefüllt, der schnell und wissenschaftlich fundiert Aufschluss über den Ernährungszustand des Patienten gibt. Kriterien im Risikoscreening sind etwa ein ungewollter Gewichtsverlust und eine unzureichende Nahrungsaufnahme der Patienten in den letzten Monaten, das Auftreten von Ödemen oder der Schwund von subkutanem Fettgewebe oder Muskeln[1]. Einfache therapeutische Maßnahmen wie eine individuelle Ernährungsberatung und das Angebot von speziellen nährstoffangereicherten Menüs sollten regelmäßig eingesetzt werden, um den Nährstoffmangel effektiv und langfristig wirksam auszugleichen.

Die medizinischen, sozialen und gesundheitsökonomischen Folgen von Mangelernährung verursachen Mehrkosten von hochgerechnet rund 170 Milliarden Euro im Jahr. Konzepte für Gegenmaßnahmen, so die Kongressteilnehmer, liegen zumindest auf europäischer Ebene längst vor. Deren Umsetzung verlaufe national unterschiedlich ambitioniert, wobei auch Deutschland noch Nachholbedarf habe. Präventionsmaßnahmen sollten nach Meinung der Forscher in allen Lebensbereichen Anwendung finden, beispielsweise auch in Kitas, Schulen, Gastronomie und Supermärkten.

Repräsentanten von DGEM, VDOE und BDEM unterzeichneten im Ergebnis des Dreiländer-Kongresses die „Kasseler Erklärung“, ein Positionspapier, das dem Stellenwert der Ernährungsmedizin Nachdruck und Sichtbarkeit verleiht. Es bildet eine Grundlage, um gesundheitspolitische Akteure über die Relevanz und den Nutzen der Förderung von Ernährungsberatung und -therapie in Ausbildung, Klinik und Praxis zu informieren. Nur so kann es gelingen, Mangelernährung gemeinsam und nachhaltig zu bekämpfen (2).

 


Zum Weiterlesen

(1) Hauptprogramm der Ernährung 2018. Ernährung ist Therapie und Prävention. 17. Dreiländertag der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V., der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft Klinische Ernährung und der Gesellschaft für Klinische Ernährung der Schweiz. Jahrestagung 2018 des BerufsVerbandes Oecotrophologie e.V. 19. Jahrestagung des Berufsverbandes Deutsche Ernährungsmediziner e.V. vom 21.-23. Juni 2018. Online unter http://www.ernaehrung2018.de/wissenschaftliches-programm.html

(2) Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM), BerufsVerband Oecotrophologie e.V. (VDOE) und Bundesverband Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM) (2018): KASSELER ERKLÄRUNG anlässlich der Dreiländertagung „ERNÄHRUNG 2018“ vom 21. Bis 23. Juni 2018 in Kassel. Online unter http://www.ernaehrung2018.de/files/DGEM18/Bilder/Programmuebersichten/Ernaehrung2018_Kasseler%20Erklaerung.pdf

Fußnote

[1] Das Kasseler Modell empfiehlt die Fragebögen vom Nutritional Risk Screening (NRS-2002) und Subjective Global Assessment (SGA).

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