Der zu hohe Blutzuckeranstieg nach einer Mahlzeit gilt als Risikofaktor für Typ-2-Diabetes und Herzkreislauferkrankungen (1). Empfehlungen für eine gesunde Ernährung sollen entscheidend dabei helfen, diesen Erkrankungen vorzubeugen. Und doch fehlt bislang ein sicherer Indikator, mit dem sich die Verbindung zwischen der Ernährungsweise und der entsprechenden metabolischen Reaktion des Körpers individuell beschreiben und demzufolge auch voraussagen lässt.
Ein Team von Wissenschaftlern um Eran Segal und Eran Elinav vom Weizmann-Institute of Science in Israel entwickelte und erprobte jetzt einen Algorithmus, um den postprandialen Blutzuckeranstieg (PPGR) nach einer Mahlzeit individuell berechnen zu können (2).
Die Grundlage dafür bildeten Messungen des Blutzuckeranstieges bei 800 Probanden im Alter von 18 bis 70 Jahren nach einer von vier vorgegebenen Frühstücksvarianten im Verlaufe einer Woche. Ergänzend dazu wurden das Schlaf-, Bewegungs- und Tätigkeitsverhalten der Testpersonen dokumentiert sowie Blut- und Stuhlproben berücksichtigt (3).
Die Auswertung der Stoffwechselantworten auf insgesamt 46,898 Mahlzeiten ergab, wie unterschiedlich, ja sogar gegensätzlich die Testpersonen auf die dieselbe Menge von gleichen Nahrungsbestandteilen reagieren. Beispielsweise stieg nach dem Verzehr von Brot der Glukoseblutwert im Mittel um 44 mg/dl, bei einigen Testpersonen um weniger als 15 mg/dl und bei anderen wiederum auf 79 mg/dl an.
Anknüpfend an die Ergebnisse bewerten die Wissenschaftler verallgemeinerte Ernährungsempfehlungen, die einzig auf Bevölkerungsdurchschnittswerten beruhen, als problematisch und im Einzelfall auch als schädigend. Dies gilt vor allem für den Glykämischen Index (GI), der derzeit verwendet wird, um den Einfluss von Lebensmitteln auf den Blutzucker zu beschreiben. Mit Hilfe des Glykämischen Index‘ wird der Kohlenhydratgehalt von Lebensmitteln benutzt, um Produkte in gesunde und ungesunde zu klassifizieren. Dieser Maßstab ist zwar standardisiert, beruhe dabei allerdings auf Durchschnittsdaten von zu kleinen Testgruppen (4). Zudem bleiben nach Ansicht der Autoren Inhaltsstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente in diesem Bewertungsmaßstab von Lebensmitteln unberücksichtigt, die mindestens in gleichem Maße wie ein spezifischer Kohlenhydratgehalt zu einer gesundheitsförderlichen Ernährung beitragen.
Unterschiede in der Stoffwechselantwort der Probanden auf gleiche Nahrungsbestandteile erklären die Wissenschaftler vom Weizmann-Institut mit einer Kombination von Faktoren: der genetischen Veranlagung, der Lebensführung und vor allem aus der Zusammensetzung der Darmflora. Insgesamt 137 Parameter fließen derzeit in einem Algorithmus ein, um Ernährungsempfehlungen personalisiert zu erstellen, die metabolische Effekte günstig beeinflussen können. Nachstehendes Schema illustriert diesen komplexen Ansatz, der jetzt in Hinblick auf die Dokumentation und Auswertung des individuellen Ernährungsverhaltens noch vereinfacht werden soll.
Die Ergebnisse der im Journal Cell veröffentlichten Studie wurden in Nature Reviews Endocrinology positiv gewürdigt (5).
Zum Weiterlesen:
- Exemplarisch: American Diabetes Association. Prevention or delay of type 2 diabetes. Diabetes Care. 2015 Jan; 38 Suppl: S31-2. doi: 10.2337/dc15-S008.
- The Personalized Nutrition Project. Weizmann Scientists Can Use Data about How the Body Responds to Specific Foods to Create a Diet Tailored to You . Link: http://www.weizmann-usa.org/e-news/13-09/landing/personalized-nutrition-project.htm
- D. Zeevi et al. Personalized nutrition by prediction of glycemic responses. Cell http://dx.doi.org/10.1016/j.cell.2015.11.001
- Zur umstrittenen Einschätzung des Glykämischen Index’ vgl. Assmann – Stiftung für Prävention. Glykämischer Index. Abrufbar über https://www.assmann-stiftung.de/ernaehrung/glykaemischer-index/
- R. Phillips. Glycaemic response variation suggests value of personalized diets. Nature Reviews Endocrinology (2015) doi: 10.1038 / nrendo.2015.209.Published online 27 November 2015