Bluthochdruck ist zu einem globalen Problem geworden, dass sich aus zu üppigen, wenn auch bewegungsarmen Lebensgewohnheiten allein nicht mehr erklären lässt. Von den 1,13 Milliarden Menschen, die mittlerweile weltweit unter zu hohen Blutdruckwerten leiden, lebt der überwiegende Teil in ärmeren Regionen, vor allem in Südasien, südlich der Sahara und in Osteuropa. In den wirtschaftlich schwächeren Ländern wächst der Anteil der Menschen mit Bluthochdruck stetig, während er in Westeuropa, Nordamerika und den einkommensstarken Ländern der Asien-Pazifik Region spürbar zurückgeht. Diese Trendumkehr stellt die Frage neu, welche Faktoren Bluthochdruck begünstigen. Experten nennen neben der zunehmenden Verstädterung des Alltags vor allem Mangelernährung in der frühesten Kindheit als einen maßgeblichen Grund, weshalb Bluthochdruck in ärmeren Regionen der Welt seit Jahren überproportional zunimmt.
Wissenschaftliche Details
Rund 1,13 Milliarden erwachsene Hypertoniker leben auf der Welt, geschätzt doppelt so viele wie noch vor 40 Jahren. In Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen ist ihre Zahl besonders rasch gestiegen. Eine höhere Lebenserwartung und das Bevölkerungswachstum haben diesen Trend verstärkt, so dass jetzt erstmals in der Geschichte in ärmeren Regionen der Welt mehr Menschen mit Bluthochdruck zu finden sind als in den wohlhabenden Industriestaaten (1). Bluthochdruck ist zu einem globalen Problem geworden, das zunehmend auch in Entwicklungs- und Schwellenländern Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt, die zu Schlaganfällen und Herzinfarkten führen. Geschätzt 7,5 Millionen Todesfälle pro Jahr werden in der ganzen Welt allein auf Bluthochdruck zurückgeführt.
Das Internationale Konsortium gegen nicht übertragbare Erkrankungen (NCD Risk Factor Collaboration) stellt jetzt im Journal The Lancet länderspezifische Trends in der Veränderung des Blutdrucks zwischen 1975 und 2015 vor (2). Die Erhebung ist die bislang umfangreichste ihrer Art; sie führt Messdaten von 19,1 Millionen erwachsenen Teilnehmern aus 1.479 Studien zusammen. Hoher Blutdruck wird definiert als 140/90 mmHg oder höher. Im Nachfolgenden sind die wichtigsten Ergebnisse mit Bezug auf das Jahr 2015 zusammengefasst:
- In den wirtschaftlich schwächeren Ländern südlich der Sahara, Südasiens und Osteuropa wächst der Anteil der Menschen mit Bluthochdruck stetig, während er in Westeuropa, Nordamerika und den einkommensstarken Ländern der Asien-Pazifik Region spürbar zurückgeht.
- Knapp ein Viertel der 1,13 Milliarden Erwachsenen mit hohem Blutdruck sind in Südasien registriert, davon allein 200 Millionen in Indien. Weitere 235 Millionen entfallen auf Ostasien, darunter 226 Millionen allein auf China.
- Bei 597 Millionen Männern und bei 529 Millionen Frauen wurde weltweit zu hoher Blutdruck gemessen. Die Werte fielen in den meisten Ländern bei den Männern durchschnittlich höher aus als bei den Frauen.
- Die fünf Länder mit dem höchsten Anteil der Männer mit hohem Blutdruck lagen alle in Mittel- und Osteuropa: Kroatien, Lettland, Litauen, Ungarn und Slowenien. Knapp zwei von fünf Männern waren dort vom Bluthochdruck betroffen.
- Die fünf Länder mit dem höchsten Anteil von Frauen mit hohem Blutdruck befanden sich südlich der Sahara: Niger, Tschad, Mali, Burkina Faso und Somalia. Im Schnitt gehörte eine von drei Frauen dazu.
- Die fünf Länder mit dem geringsten Anteil der Menschen mit hohem Blutdruck waren, weltweit betrachtet, Südkorea, USA, Kanada, Peru und Singapur. Rund einer von sechs Männern und knapp eine von neun Frauen hatten dort zu hohe Blutdruckwerte.
- Großbritannien verzeichnete in Europa den niedrigsten Anteil an Menschen mit zu hohem Blutdruck. Im Vergleich zum Jahr 1975, in dem Zypern dieser Ranking-Platz zukam, konnte in Großbritannien der durchschnittliche Blutdruck bei Männern (von 130/78 mmHg zu 126/72 mmHg) und bei Frauen (von 124/77 mmHg zu 117/71 mmHg) spürbar reduziert werden [1].
Das Internationalen Konsortiums gegen nichtübertragbare Erkrankungen zieht mit der Publikation eine Zwischenbilanz für die Weltgesundheitsorganisation (WHO), deren Ziel es, bis zum Jahr 2035 die Zahl der Hypertoniker weltweit um 25 % zu senken. So stehen insbesondere beeinflussbare Risikofaktoren im Fokus, die zu der rasanten Verbreitung des Bluthochdrucks in ärmeren Ländern geführt haben können, wie etwa die zu salzreiche und zu gemüsearme Kost, wachsende Fettleibigkeit und Bewegungsarmut sowie extreme Belastungen aus der Umwelt, ausgelöst etwa durch Luftverschmutzungen und übermäßigen Bleigehalt in Lebensmitteln. Ergänzend dazu verweisen die Experten auf bislang unterschätzte Langzeitschädigungen, die den Blutdruck ungünstig beeinflussen. Dazu zählt in erster Linie Mangelernährung in der frühesten Kindheit.
Die mehr als 100 Studienautoren, angeführt von Wissenschaftlern aus dem Imperial College London, fordern in der Konsequenz eines ersten Schrittes weltweit ein stärkere Gesundheitsvorsorge ein, um Menschen mit hohem Blutdruck frühzeitig zu identifizieren. Auch solle der Zugang zu Behandlung und zu Medikamenten verbessert werden. Sie sprechen sich zudem nachdrücklich für mehr Mittel und auch für mehr Vorschriften aus, um die Ernährung vor allem in den ersten Lebensjahren entscheidend zu verbessern, um der Entwicklung von Bluthochdruck frühzeitig zuvorzukommen.
Zum Weiterlesen
(1) K.T. Mills et al. (2016): Global Disparities of Hypertension Prevalence and Control A Systematic Analysis of Population-Based Studies From 90 Countries. In: Circulation, Vol. 134, S. 441-450. Online unter http://circ.ahajournals.org/content/134/6/441
(2) NCD Risk Factor Collaboration (2016): Worldwide trends in blood pressure from 1975 to 2015: a pooled analysis of 1479 population-based measurement studies with 19.1 million participants. In: The Lancet, Vol. 389, Nr. 10064, S- 35-55. Online unter http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(16)31919-5/abstract
Fußnote
[1] Die Situation in Deutschland ist in der Studie nicht kommentiert. Daten zum Ländervergleich und interaktive Karten enthält das Portal http://www.ncdrisc.org/d-blood-pressure.html.
Das Internationale Konsortium gegen nichtübertragbare Erkrankungen als portal-verantwortliches Gremien weist darauf hin, dass gerade aus afrikanischen und asiatischen Ländern noch zu wenige aussagekräftige und aktuellere Daten vorhanden sind.