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Hilft ein üppiges Frühstück beim Abnehmen? Aktuelle Erkenntnisse zur Prävention von Übergewicht und Adipositas [350]

„Morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König, abends wie ein Bettelmann!“ – wer hat dieses Sprichwort nicht schon mal gehört? Dahinter steckt die Vermutung, dass die aufgenommene Nahrung je nach Tageszeit unterschiedlich vom Körper verstoffwechselt wird. Glaubt man dem Sprichwort, so soll ein reichhaltiges Frühstück, ein ausgewogenes Mittagessen und ein kleines Abendbrot einem Gewichtsverlust zuträglich sein. Lange galt diese These als unwissenschaftlicher Abnehmmythos. In einer kürzlich veröffentlichten Studie zeigten deutsche Forscher nun, dass die durch das Essen hervorgerufene Wärmeproduktion des Körpers ihrer 16 Probanden am Morgen deutlich höher war als am Abend – unabhängig von der aufgenommenen Energiemenge (1). Die Ergebnisse deuten den Studienautoren nach darauf hin, dass ein ausgiebiges Frühstück zur Vorbeugung von Übergewicht besser geeignet ist als ein großes Abendbrot.


Wissenschaftliche Details

Zu dem Thema „Abnehmen“ gibt es wahrscheinlich so viele Meinungen über die erfolgreichste Diät wie es Menschen gibt, die abnehmen möchten. Kein Jahr vergeht, in dem nicht mindestens ein neuer Diättrend den Markt erobert. Ob low carb, low fat, Trennkost, ketogen, Ananas- oder Kohlsuppendiät, sie alle haben eins gemeinsam: Die wissenschaftliche Datenlage ist dünn. Keine Diät konnte sich bisher langfristig durchsetzen und Experten überzeugen. Im Gegenteil: Die Fachwelt ist sich weitgehend einig, was die Wirksamkeit solcher einseitigen Diäten, in denen zumeist einzelne Makronährstoffe verteufelt werden angeht. So ist die Makronährstoffzusammensetzung einer Kost laut der aktuellen Leitlinie zur Prävention und Therapie von Adipositas für eine Gewichtsabnahme und die Besserung von begleitenden Risikofaktoren bedeutungslos (2).

Eine Theorie, die bislang eher als hartnäckiger Mythos galt, schickt sich nun an, eine echte, wissenschaftlich fundierte Chance für diejenigen zu werden, die an Gewicht verlieren möchten: Deutsche Forscher (J. Richter und Kollegen) belegten in ihrer kürzlich im Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism erschienenen Studie, dass die nahrungsinduzierte Thermogenese, also die Entstehung von Wärme beim Verdauen von Nahrung, bei ihren Studienteilnehmern am Morgen deutlich höher war als am Abend. Der Effekt wurde unabhängig von der aufgenommenen Energiemenge beobachtet.

16 gesunde, normalgewichtige Männer unterzogen sich der Untersuchung. Zweimal in einem Abstand von mindestens 2 Wochen ließen sich die Probanden jeweils über 3 Tage lang rund um die Uhr überwachen und untersuchen. Beim ersten Termin erhielten die Männer um 9 Uhr ein sehr reichhaltiges Frühstück mit 69 % der täglich verabreichten Energiemenge. Um 19 Uhr verspeisten sie ein kleines Abendessen mit 11 % der Tagesenergiemenge. Beim 2. Untersuchungszeitraum war die Kalorienverteilung genau umgekehrt. Das Mittagessen betrug jeweils 20 % der täglichen Energiemenge. Die zugeführte Energie verteilte sich auf 37 Energie-% Kohlenhydrate, 34 Energie-% Protein und 29 Energie-% Fett. Die Probanden wurden angewiesen, sich nicht sportlich zu ertüchtigen. Stattdessen mussten sie durchgehend liegen oder sitzen. Das Forscherteam erhob die nahrungsinduzierte Thermogenese über indirekte Kalorimetrie[1] sowie Blutzucker- und Insulinspiegel zu verschiedenen Zeitpunkten vor und nach den Mahlzeiten. Darüber hinaus sollten die Studienteilnehmer zu festgelegten Tageszeiten ihren Hunger und ihren Appetit auf Süßes auf einer visuellen Skala angeben.

Die nahrungsinduzierte Thermogenese war bei den Probanden am Morgen etwa 2,5-mal so hoch wie am Abend – unabhängig von der aufgenommenen Kalorienmenge. Der nahrungsinduzierte Anstieg der Glucose- und Insulinkonzentration im Blut war nach dem Frühstück geringer als nach dem Abendessen. Ein kleines Frühstück mit wenigen Kalorien erhöhte außerdem das Hungergefühl sowie die Lust auf Süßes im Tagesverlauf.

Die Forschergruppe sieht ihre Ergebnisse als Hinweis darauf, dass zur Prävention von Übergewicht ein ausgiebiges Frühstück einem energiereichen Abendessen vorzuziehen ist. Die Studienergebnisse gehen einher mit den Ergebnissen einer im Wissenschaftsjournal Obesity veröffentlichten Studie aus dem Jahr 2013 (3). In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass die weiblichen Probandinnen schneller an Gewicht verloren, wenn sie den Großteil ihrer täglich erlaubten Kalorien am Morgen statt am Abend zu sich nahmen.

Es ist einschränkend zu bedenken, dass die Probanden des Forscherteams um J. Richter zur Aufnahme in die Studie einen geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus vorweisen mussten und eine Schlafenszeit von 23:30 bis 7:00 Uhr während der Untersuchungsperioden vorgegeben war. Eine geringere Schlafdauer oder schlechtere Schlafqualität könnte die Stoffwechselrate und die nahrungsinduzierte Thermogenese reduzieren. Die geringe Probandenanzahl schränkt die Aussagekraft der Studie deutlich ein. Da die genaue Nahrungszusammensetzung deutliche Auswirkungen auf die nahrungsinduzierte Thermogenese haben kann, fehlt in der Publikation eine Aufschlüsselung der Lebensmittelauswahl der Studienteilnehmer. Inwieweit sich die Studienergebnisse in die Praxis übertragen lassen, ist daher fraglich (4). Es sind weitere und größer angelegte Studien auch mit Übergewichtigen notwendig, um die Auswirkungen von Timing und Umfang der Mahlzeiten auf die Prävention von Übergewicht genauer identifizieren zu können.


Zum Weiterlesen

(1) J. Richter et al. (2020): Twice as High Diet-Induced Thermogenesis After Breakfast vs Dinner On High-Calorie as Well as Low-Calorie Meals. In: The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, Vol. 105, Nr. 3, dgz311. Online unter https://academic.oup.com/jcem/article-abstract/105/3/dgz311/5740411

(2) Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (2014): Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur “Prävention und Therapie der Adipositas“. Version 2.0. Online unter http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/050-001l_S3_Adipositas_Pr%C3%A4vention_Therapie_2014-11.pdf

(3) D. Jakubowicz et al. /2013): High Caloric intake at breakfast vs. dinner differentially influences weight loss of overweight and obese women. In: Obesity, Vol. 21, Nr. 12, S. 2504-12. Online unter https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/oby.20460

(4) A. Brodmerkel bzw. Kommentar von C. Breidenassel (2020): Also doch Frühstücken wie ein König! Viele Kalorien morgens – nach deutscher Studie der beste Weg zu gesundem Gewicht. In: MedScape. Online unter https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4908651#vp_3

Fußnote

[1] Die indirekte Kalorimetrie ist ein Verfahren zur Bestimmung des Energieumsatzes, im Rahmen dessen der Sauerstoffverbrauch und die Erzeugung von Kohlenstoffdioxid eines Organismus gemessen werden.

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