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Ernährungsfehler im Kleinkindalter vermeiden [96]

Wenn Kinder von der Säuglingsmilchnahrung zur Familienkost wechseln, wird der Grundstein für künftige Ernährungsgewohnheiten gelegt. Kinder übernehmen familiäre und kulturelle Vorlieben auch bei der Auswahl von Lebensmitteln. Das so eingeübte gesundheitsförderliche oder eben  auch gesundheitsbelastende Essverhalten wird ins Erwachsenenleben mitgenommen. Eltern und weitere Begleiter möchten ihren Kindern das Beste mit auf den Weg geben, oft genug auch, um Fehler aus der eigenen Kindheit nicht zu wiederholen, und sind sich dabei manchmal unsicher. Empfehlungen des  Netzwerkes „Gesund ins Leben –Netzwerk Junge Familie“ bieten wissenschaftlich fundierte Orientierungshilfen bei Fragen zur Ernährung und Bewegung bei gesunden Kindern im Alter von 1 – 3 Jahren im häuslichen Bereich (1). Das Konsensus Papier enthält im Detail Handlungsempfehlungen zu den vier Schwerpunktthemen Essen lernen, Ernährungsvielfalt, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und körperliche Aktivität (2). Die Kernaussagen werden hier stichwortartig vorgestellt.
Essen lernen

Gesundheitsförderliches Essverhalten kann durch drei einfache Grundsätze eingeübt werden: – Mahlzeiten regelmäßig und gemeinsam einnehmen, – Hunger- und Sättigungszeichen respektieren – die Lebensmittelvielfalt ständig erweitern.

Drei Hauptmahlzeiten und zwei Zwischenmahlzeiten werden empfohlen. Mahlzeiten und essensfreie Zeiten wechseln in gleichbleibender Abfolge. In den 2- bis 3-stündigen Essenspausen sollten keine Snacks und süße Getränke angeboten werden, Wasser jedoch immer. Wie viele Mahlzeiten das Kind tatsächlich braucht, hängt ganz individuell insbesondere von der benötigten Energiemenge ab. Die unterschiedlichen, familiären Gewohnheiten beeinflussen zusätzlich die Folgen von Ernährung.  Kinder und Jugendliche mit mehr Familienmahlzeiten in der Woche weisen häufiger ein Gewicht im Normalbereich auf als jene, die nur selten in der Gemeinschaft mit der Familie essen. Die Fähigkeit, die Energieaufnahme über Hunger und Sättigung selbst zu regulieren und auf die eigenen, physiologischen Bedürfnisse abzustimmen, ist angeboren und bei Säuglingen und Kleinkindern am stärksten ausgeprägt. Werden entsprechende Signale beachtet und angemessen respektiert, kann die Fähigkeit zur Selbstregulation rechtzeitig gestärkt und damit auch der Entwicklung von Übergewicht vorgebeugt  werden. Da im frühen Kindesalter Geschmackspräferenzen nachhaltig geprägt werden, sollte die Vorliebe für nährstoffdichte Lebensmittel, wie z.B. Obst und Gemüse, im sinnlichen Erleben gestärkt werden (3). Studien belegen den Zusammenhang zwischen dem Grad der Geschmackswahrnehmung und dem Körpergewicht  bei Schulkindern.

Ernährungsvielfalt

Mit einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Familienernährung kann der Bedarf des Kleinkindes in altersgerechten Mengen gedeckt werden. Nur einige wenige Lebensmittel sollten Kleinkinder noch nicht essen, da sie sich leichter verschlucken und ihr Immunsystem noch nicht ausgereift ist. Kleine runde Lebensmittel, wie Nüsse, Samen, Beeren, Hülsenfrüchte, sind die am häufigsten in die Luftröhre verschluckten Fremdkörper.  Auf rohes Wurzelgemüse, Fisch mit Gräten, harte Lutschbonbons, ganze Weintrauben mit Kernen und  große Fleischstücke sowie Kügelchen von Bubble Tea oder Kaugummi sollten Kleinkinder möglichst auch verzichten.

Kleinkinder brauchen pro Kilogramm Körpergewicht mehr Energie als ältere Kinder und Jugendliche, aber der empfohlene Nährstoffgehalt pro 100 Kilokalorien benötigter Energie ist ähnlich. Entsprechend international gängigen Standards zu den unterschiedlichen Lebensmittelgruppen wird der reichliche Verzehr von ungesüßten/zuckerfreien Getränken und pflanzlichen Lebensmitteln, der mäßig  Verzehr von tierischen Lebensmitteln und die sparsame  Verwendung von Lebensmitteln, die reich an Zucker, Salz und/oder gesättigten Fettsäuren auch bei Kleinkindern empfohlen (4).

Verzehrstudien zeigen gängige Ernährungsfehler und Ansätze zur Verbesserung im Detail auf:

Kleinkinder in Deutschland essen im Durchschnitt weniger Gemüse, Brot, Beilagen (Kartoffeln, Reis und Nudeln) und Fisch, aber mehr Fleisch, Wurst und Eier, als angeraten ist. Ebenso werden wesentlich mehr Süßigkeiten gegessen als nötig. Milch und Milchprodukte werden im Durchschnitt in der empfohlenen Menge verzehrt. Die Zufuhr von gesättigten Fettsäuren liegt über und die Zufuhr von mehrfach ungesättigten Fettsäuren liegt unter den Empfehlungen. Bei Kindern, die sehr häufig Convenience-Food (z. B. Fertigpizza) erhalten,  ist eine  geringere Vitamin- und Mineralstoffzufuhr nachweisbar.

Der Wasserbedarf liegt bei Kleinkindern bezogen auf das Körpergewicht höher als bei Erwachsenen. Durchschnittlich trinken Kleinkinder jedoch nur etwa 60% der vorgesehenen Menge  (820 ml Wasser täglich). Der Anteil an gezuckerten Getränken (z. B. gesüßte Teegetränke, Limonaden, Fruchtsäfte) wächst derzeit in Deutschland im Laufe des Kleinkindalters anteilig von 5% auf 10% der Gesamttrinkmenge an. In der Regel ist ein höherer Konsum von zuckerhaltigen Getränken mit einer schlechteren Versorgung von vielen Mikronährstoffen verbunden.

Je einseitiger die Ernährungsweise und je jünger das Kind, desto größer ist das Risiko für einen Nährstoffmangel.  Kleinkinder mit restriktiven Ernährungsformen bedürfen daher einer fachärztlichen Begleitung. Bei vegetarischer Ernährung sollte vor allem auf die Versorgung mit Eiweiß, Eisen, Zink, Calcium, Vitamin B12, Vitamin D sowie langkettigen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) geachtet werden. Eine ausgewogene pflanzliche Ernährung, die Milch/-produkte und Eier beinhaltet (ovolaktovegetarische Ernährung), ist bei Kleinkindern bedenkenlos möglich, wenn die Nahrung ausreichend  Eisen und Zink enthält. Von einer rein veganen Ernährung wird abgeraten. Entscheiden sich die Eltern dennoch für eine vegane Ernährung ihres Kindes, sind immer eine spezielle medizinische Beratung und die Supplementierung von Nährstoffen erforderlich, weil das Risiko für einen Nährstoffmangel groß ist.

Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Um sich vor Infektionen und Intoxikationen durch Lebensmittel zu schützen, sollten im Kleinkindalter keine rohen tierischen Lebensmittel verzehrt werden. Abgesehen davon ist für Kleinkinder mit erhöhtem Allergierisiko die ausgewogene Familienkost geeignet.

Nahrungsmittelunverträglichkeiten betreffen nur einen kleinen Anteil der Kleinkinder. Eltern vermuten allergische und nicht allergische Nahrungsmittelunverträglichkeiten wesentlich häufiger, als sie tatsächlich vorliegen. Nur rund 0,7% der Kinder sind von einer Zöliakie betroffen, die durch das Getreideprotein Gluten (z. B. in Roggen, Weizen, Dinkel, Gerste, Hafer) und verwandte Proteine bei Menschen mit einer genetischen Prädisposition ausgelöst wird.  Auch bei Neurodermitis wird die Bedeutung von Nahrungsmitteln als Auslöser überschätzt. Vorsorglich Lebensmittel auszuschließen, um einer Allergie vorzubeugen, kann nicht empfohlen werden. Der Verdacht auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit allein rechtfertigt keinen längerfristigen Ausschluss von Nahrungsmitteln aus der Ernährung. Eine Einschränkung der Lebensmittelauswahl kann zu erheblichen sozialen Belastungen für das Kind führen und  – bei einer ungenügenden Versorgung mit lebenswichtigen Nährstoffen  – gesundheitsgefährdend sein. Eine diätetische Intervention ist nur gerechtfertigt, wenn eine Nahrungsmittelunverträglichkeit zweifelsfrei durch eine ärztliche Diagnose nachgewiesen ist. Und auch eine Ernährungstherapie sollte unter fachlicher Beratung erfolgen, um den Nährstoffgehalt ausgeschlossene Lebensmittel adäquat zu ersetzen.

Das Konsensus Papier zur gesunden Ernährung bei Kleinkindern wird mit Empfehlungen zu Bewegung, Schlaf und Entspannung abgeschlossen.

 

Zum Weiterlesen

  1. Das Netzwerk „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“ (http://www.gesund-ins-leben.de) ist ein Projekt von „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ (http://www.in-form.de) der Bundesregierung und wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV). Die Handlungsempfehlungen des Netzwerkes sind im Konsens mit über 300 relevanten nationalen und internationalen Fachgesellschaften, Institutionen und Verbänden entwickelt worden. Die Recherche und zum Teil auch die Erarbeitung erfolgte in Abstimmung mit dem österreichischen Programm „Richtig essen von Anfang an!“, das zeitgleich Ernährungsempfehlungen für Kleinkinder erstellte. Die im Konsens formulierten Aussagen entsprechen dem Evidenzniveau einer Expertenempfehlung.
  2. B. Koletzko et al. Ernährung und Bewegung im Kleinkindalter Handlungsempfehlungen des Netzwerks „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“, ein Projekt von IN FORM Monatsschr Kinderheilkd 2013, DOI 10.1007/s00112-013-3031-3. Abrufbar über den Link: http://www.gesund-ins-leben.de/fileadmin/SITE_MASTER/content/Dokumente/Downloads/Medien/3418_2013_he_kleinkinder.pdf
  3.  Nährstoffdichte = Menge eines Nährstoffs in einem Lebensmittel im Verhältnis zu seinem Energiegehalt. Zu dieser Problematik vgl. Assmann-Stiftung für Prävention. Gesunde Ernährung von Kindern und Jugendlichen. Link: https://www.assmann-stiftung.de/gesunde-ernaehrung-von-kindern-und-jugendlichen/
  4. Das Konsensus-Papier (2) und die Empfehlungen der Assmann-Stiftung für Prävention (3)  enthalten im Tabellenformat  Auflistungen zur  benötigten Menge von Nährstoffen.

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