Wer überschüssige Kilos mit sich umherträgt, hat ein höheres Krankheitsrisiko. Das ist mittlerweile wissenschaftlich vielfach bestätigt. Übergewicht und Adipositas sind die Hauptrisikofaktoren für zahlreiche chronische Erkrankungen wie Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebs (1).
Nun könnte auf alle übergewichtigen Menschen eine weitere Herausforderung zukommen. In Anbetracht der aktuellen gesundheitlichen Lage weltweit häufen sich Hinweise aus der internationalen Forschung, dass insbesondere Adipositas, die krankhafte Fettsucht, ein Risikofaktor für den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung sein könnte (2-5). Große und belastbare Studien stehen noch aus. Bis auf Weiteres sollten übergewichtige Menschen verstärkt darauf achten, alle nötigen Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten, um sich vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen.
Wissenschaftliche Details
Eigentlich gibt es seit Anfang des Jahres 2020 kein anderes Thema mehr außer: das Coronavirus. Ob wirtschaftlich, mental, aber vor allem körperlich ist das Virus für uns als Weltbevölkerung eine große Gefahr und Herausforderung. Nun bekommt insbesondere die Gruppe der Übergewichtigen und Adipösen in Sachen Corona sprichwörtlich „ihr Fett weg“. Es häufen sich Hinweise aus der Wissenschaft, dass die COVID-19-Erkrankung, ausgelöst durch das Coronavirus, bei Menschen mit übermäßigem Körpergewicht möglicherweise schwerer verlaufen könnte.
Darauf deuten unter anderem die Ergebnisse einer Arbeit aus dem Journal The Lancet Infectious Diseases hin. Die chinesische Forschergruppe untersuchte die Schwere der COVID-19-Erkrankungen bei 387 Patienten, die im Krankenhaus behandelt wurden. Personen mit einem Body Mass Index (BMI) [1] ab 28 (was im Gegensatz zur hierzulande gültigen Grenze von 30 kg/m² in China als Grenze zu Adipositas gilt) hatten ein 2,4-fach erhöhtes Risiko für eine schwere Lungenentzündung im Vergleich zu normalgewichtigen Patienten. Das Risiko aller Männer mit Adipositas dieser Gruppe für eine schwere Lungenentzündung war sogar um mehr als das Fünffache erhöht (3).
Auch eine deutsche Arbeit der Universität Aachen, erschienen im Deutschen Ärzteblatt, zeigt einen Zusammenhang zwischen der Volkskrankheit Fettleibigkeit und dem neuartigen Virus auf. Die Wissenschaftler untersuchten die klinischen Charakteristika von 50 COVID-19-Patienten. Sie kamen zu dem Schluss, dass mit 83 % der Großteil der Patienten mit einem Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS)[2] übergewichtig oder adipös war. Die Autoren schlussfolgerten aus ihren Ergebnissen, dass übergewichtige Patienten ein höheres Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben (4). In einer US-amerikanischen Studie wurde Fettleibigkeit als Risikofaktor für Personen unter 60 Jahren identifiziert, der nach Aussage der Autoren ein Grund für die erhöhten Sterberaten durch COVID-19 in den USA sein könnte (6).
Die Hintergründe des Zusammenhangs zwischen Übergewicht und der Schwere einer COVID-19-Erkrankung sind noch unklar. Es ist jedoch festzuhalten, dass ein über das Normalmaß herausgehendes Körpergewicht in jedem Fall eine Belastung für den menschlichen Organismus ist. Es geht häufig mit Entzündungen im reichlich vorhandenen Fettgewebe einher, ebenso wie mit einer eingeschränkten Lungenfunktion. Sowohl bestehende Entzündungsprozesse im Körper als auch eine schlechte respiratorische Fitness können Gründe für die erhöhte Gefahr für schwere COVID-19-Verläufe bei Menschen mit übergewichtigem Körpergewicht sein. Des Weiteren befindet sich der ACE2-Rezeptor, an den das Virus zum Eintritt in den menschlichen Organismus bindet, unter anderem im Fettgewebe. Eine Expression des Rezeptors an dieser Stelle wird insbesondere durch die Aufnahme von Fructose hochreguliert (2).
Die Belege dafür, dass Übergewichtige und Adipöse im Falle einer Infektion mit dem Coronavirus einem schwereren Verlauf der Erkrankung ausgesetzt sind, scheinen sich nach Analyse der aktuellen wissenschaftlichen Literatur zu verdichten. Wie in der Forschung zum Coronavirus allgemein stehen auch in diesem Themenfeld große und belastbare Studien noch aus. Übergewichtige und adipöse Menschen sollten bis auf Weiteres wie alle anderen chronisch Erkrankten besonders darauf achten, sich vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen.
Zum Weiterlesen
(1) Assmann-Stiftung für Prävention (2019): Übergewicht & Adipositas. Daten & Fakten. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/uebergewicht-und-adipositas/daten-fakten/
(2) S. Martin (2020): Erste Studien: „Adipositas ist wahrscheinlich ein ganz besonderer Risikofaktor“ für den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung. In: MedScape. Online unter https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4908769?nlid=135142_3081&src=WNL_mdplsnews_200420_MSCPEDIT_DE&uac=350066SX&faf=1
(3) C. Qingxian et al. (2020): Obesity and COVID-19 Severity in a Designated Hospital in Shenzhen, China. In: The Lancet Infectious Diseases. Online unter https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3556658
(4) M. Dreher et al. (2020): Charakteristik von 50 hospitalisierten COVID-19-Patienten mit und ohne ARDS. In: Deutsches Ärzteblatt, Vol. 117, S. 271-8. Online unter https://www.aerzteblatt.de/archiv/213454/Charakteristik-von-50-hospitalisierten-COVID-19-Patienten-mit-und-ohne-ARDS
(5) S. Garg et al. (2020): Hospitalization Rates and Characteristics of Patients Hospitalized with Laboratory-Confirmed Coronavirus Disease 2019 – COVID-NET, 14 States, March 1-30, 2020. US Department of Health and Human Services/Centers for Disease Control and Prevention. In: Morbidity and Mortality Weekly Report, Vol. 69, Nr. 15. Online unter https://www.cdc.gov/mmwr/volumes/69/wr/pdfs/mm6915e3-H.pdf
(6) J. Lighter et al. (2020): Obesity in patients younger than 60 years is a risk factor for COVID-19 hospital admission. In: Clinical Infectious Diseases. Online unter https://academic.oup.com/cid/article/doi/10.1093/cid/ciaa415/5818333
Fußnoten
[1] Der BMI ist eine Maßzahl zur Bewertung des Körpergewichts im Verhältnis zur Körpergröße. Er wird berechnet als Verhältnis des Körpergewichts in Kilogramm zur quadrierten Körpergröße in Metern (kg/m2).
[2] Das ARDS beschreibt umgangssprachlich ein akutes Lungenversagen. Es gilt als schwere Komplikation der COVID-19-Erkrankung.