Schon länger ist bekannt, dass die Zusammensetzung des Darmmikrobioms die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen beeinflusst. Im wissenschaftlichen Journal Science wurde kürzlich eine Studie veröffentlicht, die diese Erkenntnisse unterstreicht: Es konnte nachgewiesen werden, dass die Abwanderung einer Darmmikrobe, Enterococcus gallinarum, in die Leber die Entwicklung von Autoimmunhepatitis oder Lupus begünstigen kann (1).
Wissenschaftliche Details
Die menschliche Darmflora unterstützt unseren Organismus wie ein selbstständiges Organ dabei, Körperfunktionen auszubilden und aufrecht zu erhalten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Mikroorganismen, die den menschlichen Darm besiedeln, auch die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen mit beeinflussen können. Bislang ist allerdings nur wenig über den Mechanismus dieser Verbindung bekannt. Wissenschaftler der Yale School of Medicine in New Haven fanden jetzt neue Erkenntnisse zur Durchlässigkeit der Darmwand für pathogene Mikroorganismen als neuen Ansatzpunkt (1).
Im Normalfall bildet die Darmwand eine mechanische Barriere, die Nährstoffe und Flüssigkeiten passieren können, während sie undurchlässig für schädliche Stoffe ist. Wird hingegen beispielsweise durch Medikamente, eine ungesunde Ernährung oder Stressoren das Gleichgewicht der Darmflora gestört, so entzündet sich die Darmschleimhaut und der Darm wird durchlässig für pathogene Mikroorganismen, unverdaute Nahrungsbestandteile und schädliche Stoffwechselprodukte. Entsprechend kann die Darmwand bei Kranken durchlässiger sein als bei Gesunden. So wiesen die Forscher in Leberzellen von Patienten, die an Lupus oder an Autoimmunhepatitis erkrankt waren, das Darmbakteriums Enterococcus gallinarum nach. Bei Gesunden konnte selbiges Bakterium in der Leber jedoch nicht gefunden werden. Davon ausgehend vermuteten die Studienautoren einen möglichen Auslöser für pathologische Autoimmunreaktionen in der Wanderbewegung von E. gallinarum.
Die Ausbreitung von E. gallinarum aus dem Darm über die Lymphgefäße in die Leber und in die Milz war zuvor schon bei Mäusen beobachtet worden. Entzündungen und Autoimmunreaktionen waren die Folge. Diese konnten bei den so erkrankten Mäusen durch eine Antibiotikabehandlung mit Vancomycin sowie durch Impfungen verhindert werden.
Die Experten verweisen in der Auswertung der Studiendaten auf den hohen Stellenwert, dem eine gesunde und gut funktionierende Darmwand beim Erhalt der Gesundheit zukommt. Perspektivisch gehen sie davon aus, dass durch die Gabe von noch zu entwickelnden Antibiotika und Impfstoffen die Lebensqualität von Patienten mit Autoimmunerkrankungen verbessert werden könnte.
Zum Weiterlesen
(1) S.M. Viera et al. (2018): Translocation of a gut pathobiont drives autoimmunity in mice and humans. In: Science, Vol. 359, Nr. 6380, S. 1156-1161. Online verfügbar unter http://science.sciencemag.org/content/359/6380/1156