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Die innere Stoffwechseluhr mit Ernährung umstellen [107]

Ernährung kann die sogenannte innere Uhr, die die periodische Abfolge von Stoffwechselvorgängen taktet, beeinflussen. Der Stoffwechsel wird sowohl von endogenen Schrittmachern als auch von exogenen Impulsen gesteuert, infolge deren sich Abläufe innerhalb von 24 Stunden, also zirkadian, wiederholen. Maßgeblicher innerer Taktgeber ist die bildhaft als zentrale Uhr (Master Clock) umschriebene Schaltung im Hypothalamus, die die zirkadian regulierbaren Clock-Gene im Tagesablauf regelmäßig wiederkehrend  aktiviert bzw. deaktiviert. Über noch wenig bekannte neuronale und humorale Faktoren synchronisiert die zentrale Uhr die peripheren Uhren in anderen Regionen des Nervensystems, wie zum Beispiel in der Netzhaut, und außerdem die zeitlichen Abfolgen in den peripheren Organen, wie z.B. in der Leber oder in der Niere. Wichtigster äußerer Taktgeber für Stoffwechselabläufe ist das Licht.

Die Zusammensetzung der Ernährung kann die Taktgebung der inneren Uhren beeinflussen. Werden beispielsweise fettstoffarme durch fettreiche, kohlenhydratärmere Mahlzeiten über einen längeren Zeitraum hinweg ersetzt,verändern sich die zirkadianen Abläufe in den Zellen, wodurch der Energiestoffwechsel als auch das Immunsystem gestört werden. Details ermittelte eine  Arbeitsgruppe um Andreas Pfeiffer am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke im Verlaufe einer Studie, die jetzt im Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism veröffentlicht wurde (1).
An der Untersuchung nahmen insgesamt 29 normalgewichtige Personen teil. Sie erhielten zu Studienbeginn isokalorisch berechnete, fettmoderate Mahlzeiten, zusammengesetzt aus 55% Kohlenhydraten, 15% Proteinen und 30% Fett. Nach sechs Wochen wurde der Fettanteil in der Ernährung erhöht und der Anteil von Kohlenhydraten vermindert; die Probanden konsumierten dann 45 % Fett, 40% Kohlenhydrate und 15% Proteine.

Die Cortisol-Konzentration im Speichel galt als Marker für die zentrale Uhr im Gehirn, die Expression von Genen in den Monozyten war das Maß für die Zeittaktung beim Fettstoffwechsel und bei Entzündungsprozessen in den peripheren Organen.

Im Ergebnis führte der Wechsel von einer kohlenhydratreichen, fettarmen  hin zu einer kohlehydratärmeren, aber fettreicheren isokalorischen Ernährung zu Veränderungen bei den zentral und bei den peripherisch gesteuerten zirkadianen Stoffwechselabläufen. Es veränderte sich der Tagesrhythmus, in dem Cortisol ausgeschüttet wurde. Zudem schalteten sich die  sogenannten Clock-Gene, die den Energiehaushalt und den Fettstoffwechsel sowie Entzündungsprozesse beeinflussen, innerhalb eines Tages in einer veränderten Frequenz ein und aus.

Die Cortisol-Analyse zeigte eine leichte Verzögerung der zentralen Uhr infolge der Ernährungsumstellung an. Diese wurde allerdings nicht analog an die peripheren Zeittakter weiter gegeben. Die Abfolge der Schaltung der für den Fettstoffwechsel und für entzündliche Prozesse zuständigen Gene veränderte sich zwar, doch nicht im Gleichklang mit der zentralen Uhr.
Erstmals konnte gezeigt werden, dass die Aktivität zweier zentraler Gene im Fettstoffwechsel – zuständig für die Fettsäuresynthase (FASN) und für die Carnitoin-Palmityl-Transferase1 (CPT1A) – einem Tagesrhythmus unterliegt. Zudem wurden Veränderungen in der Aktivität von Stoffwechselgenen nachgewiesen, die nicht einem 24-Stundenrhythmus folgen.
Die Werte für den Body-Mass-Index, für Nüchternglukose und -insulin, für Triglyceride oder C-reaktives Protein blieben im Verlaufe der Studie  unverändert, während die HDL und LDL-Werte nach der fettreicheren Kost der Probanden sich erhöhten.

Für die Wissenschaftler bleibt letztendlich ungeklärt, ob durch die Ernährungsumstellung die zentrale Uhr neu gestellt wird und dies die Stoffwechselabläufe in den Monozyten beeinflusst oder umgekehrt.

In einer Folgeuntersuchung, Clock-Studie genannt, wurde hinterfragt, ob und wie die peripheren zirkadianen Zeitgebern mit der Energiebilanz bzw. mit der Regulierung des Körpergewichts verbunden sind (2). Ziel dabei ist es, in Zukunft auf die Einzelperson zugeschnittene, konkretere Ernährungsempfehlungen zu geben, die auch auf die innere Uhr eines Menschen abgestimmt sind.

Die auch in der Potsdamer Studie beobachtete Desynchronisation zwischen den zentralen und den peripheren Zeittaktgebern, ausgelöst beispielsweise durch die Nahrungsaufnahme, gilt international als ein Faktor für die Zunahme von Stoffwechselstörungen, insbesondere von Diabetes und krankhafter Fettsucht (3).

Umgekehrt kann eine Ernährung wiederkehrend im optimalen Tagesrhythmus dazu beitragen, Gesundheit zu erhalten. So lässt sich möglicherweise und ähnlich wie bei Medikamenten der gesundheitsförderliche Effekt von Mikrobestandteilen in Lebensmitteln, wie etwa Polyphenole, ungesättigte Fettsäuren und Ballaststoffe steigern, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt am Tag konsumiert werden (4).

Zwar lassen sich noch keine systematischen Empfehlungen für die klinische Praxis ableiten, doch scheint es jetzt schon plausibel, dass eine fettstoffreiche Ernährung Stoffwechselirritationen, denen  beispielsweise Vielflieger auf Interkontinenalstrecken ausgesetzt sind, verstärken können.

Zum Weiterlesen:

  1. O. Pivovarova et al. Changes of Dietary Fat and Carbohydrate Content Alter Central and Peripheral Clock in Humans. J. Clin Endocrinol Metabol. published online Mach 30, 2015. DOI: http://dx.doi.org/10.1210/jc.2014-3868
  2. Zum Konzept der Clock-Studie vgl. http://www.dife.de/forschung/studienteilnehmer/clock-studie.php
  3. Zum Einfluss der Ernährung auf zirkadiane Rhythmen vgl das etwa das Review J.E. Oosterman et al. Impact of nutrients on circadian rhythmicity. Am J Physiol Regul Integr Comp Physiol. 2015 Mar 1;308 (5):R337-50. Doi: 10.1152/ajpregu.00322.2014. Epub 2014 Dec 17 oder auch die viel beachtete Metaanalyse von Y. Gan et al: Shift work and diabetes mellitus: a meta-analysis of observational studies. Occup Environ Med (online) 16. Juli 2014 http://dx.doi.org/10.1136/oemed-2014-102150. Aktuellste Forschungsergebnisse zur Biochemie des Stoffwechsels weisen auf den immensen Stellenwert zirkadianer Taktgeber hin. Vgl. dazu: ML Gumz, L. Rabinowitz and CS Wingo. An Integrated View of Potassium Homeostasis.http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMra1313341. N Engl J Med. 2015 Jul 2;373(1):60-72. DOI: 10.1056/NEJMra1313341 http://dx.doi.org/10.1136/oemed-2014-102150.
  4. H. Oike et al. Nutrients, Clock Genes, and Chrononutrition. Curr Nutr Rep. 2014; 3(3): 204–212. Published online 2014 Apr 27. Doi: 10.1007/s13668-014-0082-6

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