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Daten und Fakten zu Übergewicht und Adipositas in Deutschland [341]

Deutschland gibt pro Einwohner mehr Geld für Gesundheit aus als andere EU-Länder. Das deutsche Gesundheitssystem bietet Medizin auf einem hohen Niveau und einen guten Zugang zur Gesundheitsversorgung. So weit, so gut. Trotzdem gibt es ein gesundheitliches Problem, das hierzulande scheinbar unaufhaltsam wächst und gedeiht: Fettleibigkeit (1). Zwei Drittel aller deutschen Männer und über die Hälfte aller deutschen Frauen sind übergewichtig, knapp ein Viertel sogar adipös[1] (2).

Auch weil die Therapie der Adipositas keine Kassenleistung ist, ist die medizinische Betreuung oft lückenhaft und ineffektiv (3). Betroffene werden mit ihrer Erkrankung allein gelassen, stigmatisiert und ausgeschlossen. Dabei scheinen die drei Kernelemente der Adipositastherapie ebenso simpel wie effektiv: Ernährung, Bewegung, Verhalten. Jedoch gilt es, diese als Lebensstilmaßnahmen verstärkt und auf einfache Weise in den Alltag der Menschen einzubringen. Das können zum Beispiel ein festgelegtes Bewegungspensum in der Schule, Verpflegungsstandards in Kindergärten, die Besteuerung ungesunder Lebensmittel oder eine bessere Regulation der Werbung für ungesunde Lebensmittel sein (1;3).


Wissenschaftliche Details

Gesundheitlich steht Deutschland im europaweiten Vergleich sehr gut da. Das bestätigt auch der aktuelle Gesundheitsbericht für Deutschland der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und des European Observatory on Health Systems and Policies in Kooperation mit der Europäischen Kommission (1). Besonders hervorzuheben sind unter anderem die überdurchschnittliche Lebenserwartung, die hohen Gesundheitsausgaben pro Kopf und die EU-weit höchsten Quoten an Krankenhausbetten, Ärzten und Krankenpflegekräften pro Einwohner.

Allerdings haben wir auch einen unerfreulichen Vorsprung: Die Rate an fettleibigen Erwachsenen ist in Deutschland so hoch wie in kaum einem anderen EU-Land. Mittlerweile sind deutlich über die Hälfte aller erwachsenen Männer und Frauen übergewichtig, circa 19 Millionen (das ist jeder vierte Deutsche) leidet unter krankhaftem Übergewicht (Adipositas[1]) (2;4). Davon sind immerhin 1,4 Millionen von extremer Adipositas betroffen – diese Zahl hat sich zwischen 1999 und 2013 mehr als verdoppelt.

Auch vor unserem Nachwuchs macht die Fettsucht nicht halt: Laut einem aktuellen Medienleitfaden der Deutschen Adipositas Gesellschaft sind 15 % der Kinder in Deutschland übergewichtig, 6,3 % leiden unter schwerem Übergewicht (4). Die weite Verbreitung der Fettsucht fällt – im wahrsten Sinne des Wortes – auch bei den Gesundheitsausgaben schwer ins Gewicht, mit steigender Tendenz. Lagen die Gesamtkosten für Adipositas in Deutschland im Jahr 2003 noch bei 13 Milliarden Euro, so werden es im Jahre 2020 schätzungsweise schon über 25 Milliarden Euro sein (5).

Die Ursachen und Hintergründe für die weite Verbreitung von Übergewicht sind vielschichtig. Es kann genetisch bedingt, durch psychosoziale Faktoren wie Depressionen begünstigt oder durch ein ungesundes Umfeld erlernt worden sein. Auch unser zunehmend inaktiver, sitzender Lebensstil trägt seinen Teil dazu bei, dass die Menschen immer mehr und mehr an Gewicht zulegen. Gesundheitspolitische Maßnahmen wie Aufklärungskampagnen, Besteuerung und Werbeverbote für ungesunde Lebensmittel fehlen. Die urban geprägten Lebenswelten der Menschen in deutschen Großstädten mit zu wenig Grünflächen, Radwegen und wenig Freizeitmöglichkeit tut sein Übriges. Ein weiteres Problem: Die Therapie der Adipositas ist keine Regelleistung der Krankenkassen. Das macht es für Betroffene schwierig, flächendeckend verfügbare, fachlich kompetente Hilfe zu erhalten (4).

Dabei ist die konservative Therapie zumindest in der Theorie einfach: Ernährung, Bewegung, Verhalten optimieren. Ergänzend können Medikamente eingesetzt und chirurgische Eingriffe in Betracht gezogen werden. Aber grundsätzlich ist es ein gesunder Lebensstil, also eine ausgewogene Ernährung, ausreichend (am besten tägliche) Bewegung und ein gesundheitsbewusstes Verhalten, was den Menschen zu einem normalen Körpergewicht verhelfen kann (6). Weil Übergewicht und Adipositas die Hauptrisikofaktoren für zahlreiche chronische Erkrankungen wie Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebs sind, kann ein ungesunder Lebensstil verheerende Auswirkungen auf die eigene Gesundheit haben (5): So sind vier von zehn Todesfällen in Deutschland auf verhaltensbedingte Risikofaktoren, also schlechte Ernährung, Rauchen, Alkohol und körperliche Inaktivität, zurückzuführen. Fast jeder fünfte Todesfall steht sogar in Verbindung mit einer ungesunden Ernährung (1).

Fachgesellschaften und Experten fordern schon lange von der Gesundheitspolitik, dass verhältnispräventive Maßnahmen zur Bekämpfung des übermäßigen Körpergewichts eingeführt werden. Diese schaffen ein gesundheitsförderliches Umfeld und erleichtern dadurch gesundheitsbewusste Entscheidungen. Dazu zählen etwa Maßnahmen wie

  • täglich mindestens einstündige körperliche Aktivität in Schulen,
  • die Besteuerung ungesunder, fett- und zuckerreicher Lebensmittel,
  • Verpflegungsstandards für Kindergärten und Schulen,
  • und ein Werbeverbot für ungesunde (Kinder-)Lebensmittel (3).

Laut Bericht des OECD würden auch

  • eine Verringerung des Zucker-, Salz-, Kalorien- und Fettgehaltes in Lebensmitteln,
  • die Regulation der Werbung,
  • und verpflichtende Angaben von Inhaltsstoffen auf der Vorderseite von Produkten

die Gesundheitsausgaben um 750 Millionen Euro senken (1).

Es kann also jeder dazu beitragen, dass die Deutschen ihre Spitzenplatzierung in Sachen Übergewicht in Europa möglichst bald verlieren. Jede und jeder Einzelne hat täglich die Möglichkeit, sich für einen gesunden Lebensstil zu entscheiden, um sein Körpergewicht zu normalisieren. Es ist außerdem Aufgabe der Gesundheitspolitik, mehr verhaltens- und verhältnisbezogene Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um die Menschen dabei zu unterstützen, ein gesundes Körpergewicht zu erreichen und zu halten. Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) ist ein Anfang gemacht, um die Förderung eines gesunden Lebensstils digital zu unterstützen – auf das hoffentlich viele weitere folgen (7).


Zum Weiterlesen

(1) OECD/European Observatory on Health Systems and Policies (2019): Deutschland. Länderprofil Gesundheit 2019. State of Health in the EU. Online unter https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/4ecf193f-de.pdf?expires=1576682113&id=id&accname=guest&checksum=6AE4E1290A2B0FDDD6BF4DB4391AC6AE

(2) Robert-Koch-Institut (2019): Übergewicht und Adipositas. Online unter https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Themen/Uebergewicht_Adipositas/Uebergewicht_Adipositas_node.html

(3) S. Wiegand (2019): Kurzbericht des BMG-geförderten Forschungsvorhabens. Adipositasprävention 2017 – aktueller Stand – Bewertung – Weiterentwicklung. Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) der Deutschen Adipositas-Gesellschaft e. V. Online unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Praevention/Berichte/Kurzbericht_Adipositaspraevention_2017.pdf

(4) Deutsche Adipositas Gesellschaft (2019): Medienleitfaden Adipositas. Empfehlungen zum Umgang mit Adipositas und Menschen mit Übergewicht in den Medien. Online unter https://adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/Presse/A5_DAG-MLF2018_NS_RZ_08102018.pdf

(5) Deutsche Adipositas Gesellschaft (2017): Kosten der Adipositas in Deutschland. Online unter http://www.adipositas-gesellschaft.de/index.php?id=42

(6) Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (2014): Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur “Prävention und Therapie der Adipositas“. Version 2.0. Online unter http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/050-001l_S3_Adipositas_Pr%C3%A4vention_Therapie_2014-11.pdf

Fußnote

[1] Adipositas beschreibt den Zustand einer über das Normalmaß hinausgehenden Vermehrung des Körperfetts. Mehr über Adipositas lesen Sie hier.

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