Das Coronavirus SARS-CoV-2 ist derzeit in aller Munde. Denn es löst die Lungenerkrankung COVID-19 aus, an der weltweit bis dato weltweit über 117.000 Menschen starben (1) (Stand: 15.04.2020). Besonders gefährdet für einen schweren Krankheitsverlauf sind unter anderem Personen mit Grunderkrankungen wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen (2). Ob Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems unabhängig mit einem erhöhten Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf assoziiert sind oder der Effekt über andere Risikofaktoren wie beispielsweise ein höheres Alter vermittelt wird, ist laut einer aktuellen Veröffentlichung der American Heart Association noch unklar (3). Untersuchungen zu den Auswirkungen von Medikamenten zur Blutdrucksenkung dauern an. Von einschlägigen Fachgesellschaften wird empfohlen, eine leitliniengerechte, individuelle Therapie mit plaquestabilisierenden Substanzen wie Statinen, Betablockern, ACE-Hemmern und ASS in jedem Fall fortzusetzen (4-10).
Wissenschaftliche Details
Seit Anfang diesen Jahres hält das Coronavirus SARS-CoV-2 die Welt in Atem. An der Lungenerkrankung COVID-19, die durch das Virus ausgelöst wird, sind allein in Deutschland rund 127.500 Menschen erkrankt, wovon 3.254 starben (11). Weltweit sind mehr als 1.848.000 Fälle von COVID-19 bekannt (1) (Stand 15.04.2020).
Das SARS-CoV-2-Virus wird über Tröpfcheninfektion übertragen und hat eine Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen. Der Krankheitsverlauf von COVID-19 ist unspezifisch, vielfältig und variiert stark von symptomlosen Verläufen bis hin zu schweren Lungenentzündungen mit Lungenversagen und Tod (12).
Es gibt Personengruppen, die nach aktuellem Wissensstand ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf von COVID-19 haben. Dazu zählen neben Menschen in einem erhöhten Alter (ab 50 Jahren) auch verschiedene Grunderkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Diabetes, Erkrankungen des Atmungssystems, der Leber, der Niere sowie Krebserkrankungen. Auch Menschen mit einem geschwächten Immunsystem haben ein erhöhtes Risiko, dass die COVID-19-Erkrankung bei ihnen schwerer verläuft (2,13).
ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker als Risikofaktoren vorerst nicht bestätigt
Mittlerweile ist bekannt, dass sich das Coronavirus über ACE2-Rezeptoren Zugang zum menschlichen Organismus verschafft (14,15). Diese sind vor allem im Herz und in der Lunge exprimiert. Das Enzym ACE2, welches normalerweise an den ACE2-Rezeptor bindet, spielt eine wichtige Rolle im Herz-Kreislauf- und Immunsystem. Es ist unter anderem an der Blutdruckregulation beteiligt (14). Zur medikamentösen Senkung eines erhöhten Blutdrucks werden daher häufig ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB) eingesetzt (16).
Aktuell kursieren Spekulationen darüber, ob das Risiko für schwere Verlaufsformen einer COVID-19-Erkrankung unter Einnahme von Blutdrucksenkern wie ACE-Hemmer oder ARB erhöht ist. Das ist darauf zurückzuführen, dass unter einer Therapie mit den genannten Medikamenten vermehrt ACE2-Rezeptoren gebildet werden – die theoretisch als weitere Andockstellen für das neue Coronavirus dienen können (8,9,16,17). Andererseits wurde in experimentellen Studien gezeigt, dass sowohl ACE-Hemmer als auch ARB‘s schwere Lungenschädigungen bei bestimmten viralen Lungenentzündungen reduzieren können. Aktuell gibt es aus Sicht von Experten keine verlässlichen Daten, die vorteilhafte oder nachteilige Wirkungen der Therapie von ACE-Hemmern, ARB‘s oder anderen RAAS-Antagonisten bei COVID-Erkrankungen zeigen (8,9). Daher wird von Fachgesellschaften die Fortsetzung von individuellen, auf Leitlinien basierenden blutdrucksenkenden Therapie empfohlen (4-8). Es sind weitere Studien notwendig, um die Auswirkungen der Therapie mit blutdrucksenkenden Medikamenten auf die Infektionsrate und den Krankheitsverlauf von COVID-19 genauer bestimmen zu können (9).
Zum Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Zuge einer COVID-19-Erkrankung
Bei einigen ernsthaft an COVID-19 Erkrankten wurden neben einer Lungenentzündung auch schwere kardiovaskuläre Schäden beobachtet (7,17,18). Laut einer kürzlich im Journal Circulation veröffentlichten Übersichtsarbeit gibt es eine erhöhte Prävalenz von kardiovaskulären Erkrankungen bei COVID-19-Patienten. So leiden mehr als 7 % aller Patienten an Schädigungen des Herzmuskels, von den kritisch Erkrankten Patienten sogar mehr als jeder Fünfte (22 %) (3).
Das Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen bei einer COVID-19-Erkrankung führen US-amerikanische Forscher unter anderem auf die erhöhte Entzündungslast zurück, die während einer Erkrankung mit COVID-19 auf den Körper wirkt. Sie kann zu Entzündungen der Gefäße, des Herzmuskels und Herzrhythmusstörungen führen bzw. diese verstärken (13,18).
Zum Weiterlesen
(1) World Health Organization (2020): Coronavirus disease (COVID-19) Situation Dashboard. Online unter https://experience.arcgis.com/experience/685d0ace521648f8a5beeeee1b9125cd
(2) Robert Koch Institut (2020): Informationen und Hilfestellungen für Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf. Online unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.html
(3) K.J. Clerkin et al. (2020): COVID-19 and Cardiovascular Disease. In: Circulation. Online unter https://www.acc.org/latest-in-cardiology/journal-scans/2020/03/26/10/59/coronavirus-disease-2019-covid-19-and-cvd
(4) V. Schlimpert (2020): Coronavirus: Das empfehlen Herzexperten. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V., Bundesverband Niedergelassener Kardiologen e.V.. Online unter https://www.kardiologie.org/covid-19/leitlinien/coronavirus–das-empfehlen-herzexperten/17714186
(5) Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie & Schweizerische Hypertonie Gesellschaft (2020): Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie sowie der Schweizerischen Hypertonie Gesellschaft zum Thema ACE-Hemmer/Angiotensin Rezeptor Blocker und SARS-CoV2. Online unter https://kgp-bern.ch/content/uploads/2020/03/SARS_CoV2BAG_Stellungnahme_09.03.2020.pdf
(6) European Society of Hypertension (2020): ESH Update on COVID-19. Online unter https://www.eshonline.org/spotlights/esh-stabtement-on-covid-19/
(7) HFSA/ACC/AHA Statement Addresses Concerns Re: Using RAAS Antagonists in COVID-19. Online unter https://www.acc.org/latest-in-cardiology/articles/2020/03/17/08/59/hfsa-acc-aha-statement-addresses-concerns-re-using-raas-antagonists-in-covid-19.
(8) American College of Cardiology (2020): HFSA/ACC/AHA Statement Addresses Concerns Re: Uding RAAS Antagonists in COVID-19. Online unter https://www.acc.org/latest-in-cardiology/articles/2020/03/17/08/59/hfsa-acc-aha-statement-addresses-concerns-re-using-raas-antagonists-in-covid-19.
(9) M. Vaduganathan et al. (2020): Renin-Angiotensin-Aldosterone System Inhibitors in Patients with Covid-19. In: The New England Journal of Medicine. Online unter https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMsr2005760
(10) Messerli et al. (2020): COVID-19 and Renin Angiotensin Blockers: Current Evidence and Recommendations. In: Circulation. Online unter https://www.ahajournals.org/doi/pdf/10.1161/CIRCULATIONAHA.120.047022
(11) Robert Koch Institut (2020): COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit. Online unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html
(12) Robert Koch Institut (2020): SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19). Online unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText2
(13) M. Madjid et al. (2020): Potential Effects of Coronaviruses on the Cardiovascular System. A Review. In: Journal of the American Medical Association Cardiology. Online unter https://jamanetwork.com/journals/jamacardiology/fullarticle/2763846
(14) T. Dingermann (2020): ACE-Hemmer unter Beobachtung. In: Pharmazeutische Zeitung. Online unter https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ace-hemmer-unter-beobachtung/
(15) A.M. South et al. (2020): Controversies of renin-angiotensin system inhibition during the COVID-19 pandemic. In: Nature Reviews Nephrology. Online unter https://www.nature.com/articles/s41581-020-0279-4
(16) Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung (2020): COVID-19: Zweifel am erhöhten Risiko für einen komplizierten Verlauf durch Antihypertensiva. Online unter https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/111070/COVID-19-Zweifel-am-erhoehten-Risiko-fuer-einen-komplizierten-Verlauf-durch-Antihypertensiva
(17) Y.-Y. Zheng et al. (2020): COVID-19 and the cardiovascular system. In: Nature Reviews Cardiology. Online unter https://www.nature.com/articles/s41569-020-0360-5
(18) S. Shi et al. (2020): Association of Cardiac Injury With Mortality in Hospitalized Patients With COVID-19 in Wuhan, China. In: Journal of the American Medical Association Cardiology. Online unter https://jamanetwork.com/journals/jamacardiology/fullarticle/2763524