fbpx

Blutdruck-Medikamente erhöhen nicht das Risiko für die Coronavirus-Infektion oder einen schweren COVID-19-Verlauf [353]

Man weiß erschreckend wenig über ein Thema, worüber doch die ganze Welt spricht: Das Coronavirus hat längst alle Völker dieser Welt erreicht und beeinträchtigt unseren Alltag. Dennoch: Viel ist noch nicht bekannt über das Virus und die Erkrankung COVID-19, die es auslöst. Woher kommt es, bei wem bricht es aus, wer stirbt daran?

Kürzlich wurden im New England Journal of Medicine drei Arbeiten veröffentlicht, in denen der Zusammenhang von blutdrucksenkenden Medikamenten (ACE-Inhibitoren, Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB)) und dem Coronavirus sowie COVID-19 untersucht wurde (1-3). Eine erste wissenschaftliche Einschätzung, ob diese weit verbreiteten Medikamente das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf erhöhen, hatten wir vor ein paar Wochen schon in einem Neues aus der Wissenschaft-Artikel gegeben.

Das übereinstimmende Fazit der neuen Publikationen: Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Einnahme dieser Medikamente das Infektionsrisiko mit dem Coronavirus, einen schweren Verlauf der Erkrankung COVID-19 oder das Mortalitätsrisiko als Krankheitsfolge begünstigt.


Wissenschaftliche Details

Das Coronavirus ist in aller Munde. Kein anderes Thema ist im Alltag ebenso wie in der Wissenschaft so präsent. Es gibt viele Spekulationen, Forschungsansätze, Vermutungen, aber noch wenige Fakten. Denn das Coronavirus SARS-CoV-2 ist neu für uns. Erstmals entdeckt wurde es Ende des Jahres 2019 in Wuhan, China. Seitdem hat es sich rasant auf der ganzen Welt verbreitet und das öffentliche Leben weitgehend lahmgelegt. Woher es kommt, wie die Erkrankung COVID-19 behandelt werden kann, und wie man sich erfolgreich vor einer Infektion schützt, dem kommen Forscher erst nach und nach auf die Spur. Ebenso werden auch mögliche Risikofaktoren erst sukzessive identifiziert.

Neben verschiedenen Vorerkrankungen wird die Einnahme einiger Medikamente als Risikofaktor für eine Coronavirus-Infektion sowie einen schweren COVID-19-Verlauf diskutiert. So wurden zwischenzeitlich Stimmen laut, dass blutdrucksenkende Medikamente wie ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker das Risiko insbesondere für schwere Verlaufsformen von COVID-19 erhöhen könnten (hier hatten wir eine erste Einschätzung zum damaligen wissenschaftlichen Stand gegeben). Das wurde darauf zurückgeführt, dass unter einer Therapie mit den genannten Medikamenten vermehrt ACE2-Rezeptoren gebildet werden – die theoretisch als weitere Andockstellen für das neue Coronavirus dienen könnten (4-7).

Drei kürzlich erschienene Veröffentlichungen im Journal New England Journal of Medicine widerlegen diese Vermutungen weitestgehend:

  • In einer Beobachtungsstudie wurde der Zusammenhang zwischen kardiovaskulären Erkrankungen und der Einnahme von ACE-Hemmern und ARB mit Todesfällen bei COVID-19-Patienten im Krankenhaus untersucht. Von den mehr als 8.900 einbezogenen COVID-19-Patienten verstarben 5,8 %. Die Wissenschaftler identifizierten folgende unabhängige Risikofaktoren für einen Tod infolge von COVID-19:
    • Alter > 65 Jahre (OR=1,93)
    • Koronare Herzkrankheit (OR=2,7)
    • Herzversagen (OR=2,48)
    • Herzrhythmusstörungen (OR=1,95)
    • COPD[1] (OR=2,96)
    • Rauchen (OR=1,79).

Sie kamen zu dem Schluss, dass Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems mit einem höheren Mortalitätsrisiko bei hospitalisierten COVID-19-Patienten assoziiert sind. Weiterhin schlussfolgerten sie anhand ihrer Studienergebnisse, dass die Einnahme von ACE-Inhibitoren und ARB nicht mit einem erhöhten Risiko für einen Tod durch COVID-19 bei Patienten im Krankenhaus assoziiert ist.

 

  • Die italienische Forschergruppe um G. Mancia untersuchte in ihrer bevölkerungsbasierten Fall-Kontroll-Studie die Assoziation zwischen der Einnahme von ACE-Hemmern und ARB und dem Risiko für eine COVID-19-Erkrankung. Dabei verglichen sie über 6.000 bestätigte SARS-CoV-2-Infektionsfälle mit über 30.000 Kontrollen. Sie schlussfolgerten aus ihren Datenanalysen, dass die genannten Medikamente häufiger bei COVID-19-Patienten angewandt wurden als bei der Kontrollgruppe. Dies führten sie auf eine höhere Prävalenz für Herz-Kreislauf-Erkrankungen der COVID-19-Erkrankten zurück. Sie konnten darüber hinaus keine Evidenz dafür finden, dass ACE-Hemmer oder ARB das COVID-19-Erkrankungsrisiko beeinflussen.

 

  • US-amerikanische Wissenschaftler zogen für ihre Untersuchungen die Daten von über 12.500 auf COVID-19 getesteten Personen heran. Sie analysierten diese hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen der Behandlung mit ACE-Inhibitoren, ARB, Beta-Blockern, Calciumkanalblockern und Thiaziddiuretika und der Wahrscheinlichkeit für einen positiven Coronavirus-Test sowie der Wahrscheinlichkeit für einen schweren COVID-19-Verlauf. Sie konnten keine Assoziation der Einnahme der fünf Blutdruckmedikamente mit einem Anstieg der COVID-19-positiven Tests oder des Risikos für einen schweren COVID-19-Verlauf

Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen wirkt sich die Einnahme von Blutdruckmedikamenten wie ACE-Inhibitoren oder ARB nicht negativ auf das Infektionsrisiko mit dem Coronavirus oder auf den Krankheitsverlauf aus. Damit übereinstimmend empfehlen Fachgesellschaften die Fortsetzung von individuellen, auf Leitlinien basierenden blutdrucksenkenden Therapie (9-11). Es sind weitere, groß angelegte Studien notwendig, um die Auswirkungen der Therapie mit blutdrucksenkenden Medikamenten auf die Infektionsrate und den Krankheitsverlauf von COVID-19 genauer bestimmen und die neuen Erkenntnisse verifizieren zu können.

Weitere Informationen zum Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und dem Coronavirus finden Sie hier.


Zum Weiterlesen

(1) M.R. Mehra et al. (2020): Cardiovascular Disease, Drug Therapy, and Mortality in Covid-19. In: The New England Journal of Medicine. Online-Vorveröffentlichung. Online unter https://www.nejm.org/doi/pdf/10.1056/NEJMoa2007621?articleTools=true

(2) G. Mancia et al. (2020): Renin-Angiotensin-Aldosterone-System Blockers and the Risk of Covid-19. In: The New England Journal of Medicine. Online-Vorveröffentlichung. Online unter https://www.nejm.org/doi/pdf/10.1056/NEJMoa2006923?articleTools=true

(3) H.R. Reynolds et al. (2020): Renin-Angiotensin-Aldosterone-System Inhibitors and Risk of Covid-19. In: The New England Journal of Medicine. Online-Vorveröffentlichung. Online unter https://www.nejm.org/doi/pdf/10.1056/NEJMoa2008975?articleTools=true

(4) American College of Cardiology (2020): HFSA/ACC/AHA Statement Addresses Concerns Re: Uding RAAS Antagonists in COVID-19. Online unter https://www.acc.org/latest-in-cardiology/articles/2020/03/17/08/59/hfsa-acc-aha-statement-addresses-concerns-re-using-raas-antagonists-in-covid-19.

(5) M. Vaduganathan et al. (2020): Renin-Angiotensin-Aldosterone System Inhibitors in Patients with Covid-19. In: The New England Journal of Medicine. Online unter https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMsr2005760

(6) Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung (2020): COVID-19: Zweifel am erhöhten Risiko für einen komplizierten Verlauf durch Antihypertensiva. Online unter https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/111070/COVID-19-Zweifel-am-erhoehten-Risiko-fuer-einen-komplizierten-Verlauf-durch-Antihypertensiva

(7) Y.-Y. Zheng et al. (2020): COVID-19 and the cardiovascular system. In: Nature Reviews Cardiology. Online unter https://www.nature.com/articles/s41569-020-0360-5

(8) COPD Deutschland e.V. (2020): Definition COPD. Online unter https://www.copd-deutschland.de/definition-copd

(9) V. Schlimpert (2020): Coronavirus: Das empfehlen Herzexperten. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V., Bundesverband Niedergelassener Kardiologen e.V.. Online unter https://www.kardiologie.org/covid-19/leitlinien/coronavirus–das-empfehlen-herzexperten/17714186

(10) HFSA/ACC/AHA Statement Addresses Concerns Re: Using RAAS Antagonists in COVID-19. Online unter https://www.acc.org/latest-in-cardiology/articles/2020/03/17/08/59/hfsa-acc-aha-statement-addresses-concerns-re-using-raas-antagonists-in-covid-19.

(11) American College of Cardiology (2020): HFSA/ACC/AHA Statement Addresses Concerns Re: Uding RAAS Antagonists in COVID-19. Online unter https://www.acc.org/latest-in-cardiology/articles/2020/03/17/08/59/hfsa-acc-aha-statement-addresses-concerns-re-using-raas-antagonists-in-covid-19

Fußnote

[1] chronic obstructive pulmonary disease = dt. chronisch obstructive Lungenerkrankungen (8)

Comments are closed.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Unsere Webseite nutzt Cookies. Wenn Sie auf dieser Webseite bleiben, nehmen wir an, dass Sie damit einverstanden sind. Sie können unsere Cookies löschen. Wie das geht, erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Schließen