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Ballaststoffarme Ernährung kann die Vielfalt der Darmbakterien über Generationen hinweg irreversibel reduzieren [112]

Zivilisationskrankheiten sind in letzter Konsequenz noch immer nicht heilbar. Inwieweit sie sich in dem Maße häufen, wie sich die Vielfalt der nützlichen Darmbakterien auf Dauer reduziert, wird kontrovers diskutiert. Einen möglichen Lösungsansatz bietet jetzt die im Fachjournal Nature publizierte Studie zur Veränderung der Darmflora aufgrund ballaststoffarmer Ernährung (1). Mikrobiologen um Justin Sonnenburg von der Stanford University School of Medicine beschreiben darin, wie die Bakterienvielfalt bei ballaststoffarm ernährten Mäusen im Verlaufe des Lebens massiv verändert und letztendlich bis in die vierte Generation irreversible dezimiert wird. Schädigungen, die eine falsche Ernährung in der Darmflora auslösen, können innerhalb einer Mäusegeneration durch eine gesunde Kost partiell ausgeglichen werden. Defizite in der Bakterienvielfalt im Darm der Mäuse der vierten Generation bleiben dagegen trotz der Gabe  von hochwertigem Futter irreparabel bestehen bzw. vergrößern sich. Die Wissenschaftler analysierten das Verhalten von aseptisch gezüchteten Mäusen, denen eine menschliche Darmflora eingepflanzt worden ist.  Sie fütterten eine Mäusegruppe über sieben Wochen hinweg ballaststoffreich, die andere hingegen mit viel Fett, Eiweiß und einfachen Kohlenhydraten, jedoch weitestgehend ohne Ballaststoffe. Wie erwartet, dezimierte sich die Bakterienvielfalt bei den ungesund ernährten Mäusen; der Bestand war in 60 % der Bakterienarten bis auf ein Viertel reduziert.  Trotz ballaststoffreicher Ernährung im Anschluss an die Ernährungsumstellung kehrte ein Drittel der ursprünglich vorhandenen Arten im Verlaufe des Mäuselebens nicht vollständig zurück.

Unerwartet jedoch reduzierte sich die Bakterienvielfalt bei den Nachkommen ungesund ernährter Mäuse nicht linear, sondern sprunghaft. In der vierten Mäusegeneration waren 141 von 208, also mehr als die Hälfte der ursprünglichen eingesetzten Bakterienarten schon nicht mehr nachweisbar. Selbst als diese Mäuse gezielt ballaststoffreich gefüttert wurden, kehrten mehr als zwei Drittel der verlorenen Bakterienstämme nicht zurück und zwar vor allem jene Arten, die Ballaststoffe spezialisiert abbauen.

Die Wissenschaftler schließen daraus, dass die hauptsächlich in den Industrienationen verbreitete, ballaststoffarme Kost auch beim Menschen über Generationen hinweg Bakterienarten unwiederbringlich ausgelöscht haben könnte.

Tatsächlich sei die Aufnahme von Ballaststoffen seit der Mitte des 20. Jahrhunderts insbesondere aufgrund der Verbreitung stark verarbeiteter Lebensmittel auf rund 15 Gramm pro Tag gesunken. Auch der zunehmende Einsatz von Antibiotika und die verminderte Bereitschaft zum Stillen haben die herkömmlichen Ernährungsgewohnheiten einschneidend verändert. Mittlerweile wird in den Industrienationen weniger als ein Zehntel der Menge an Ballaststoffen konsumiert, als in ländlichen Bevölkerungsgruppen üblich, deren Lebensbedingungen vermutlich am meisten den Gewohnheiten der Jäger- und Sammlervorfahren ähneln.

Ballaststoffe, die menschliche Enzyme nicht verwerten, bilden die Ernährungsgrundlage für nützliche Darmbakterien. Letztere helfen nicht nur bei der Verdauung, sondern beeinflussen die Immunabwehr und das Nervensystem mit.

Wenn jedoch, so die Argumentation der Forscher, Bakterienstämme unwiederbringlich verloren gehen, die über Jahrhunderte hinweg zum menschlichen Ökosystem gehörten, sind gesundheitliche Schäden zu erwarten. Inzwischen belegen Studien schon eine Verbindung zwischen einer reduzierten Bakterienvielfalt und der Entstehung von Allergien, Magen, -Darm- und Autoimmunerkrankungen.

Als maßgeblich für die Ausbildung von hilfreichen Darmbakterienpopulationen gelten bislang insbesondere der Bestand der Herkunftsfamilie sowie die (beeinflussbaren) Lebensumstände während der Geburt und im Kleinkindalter (2).

Zum Weiterlesen:

  1. E.D. Sonnenburg et al. Diet-induced extinctions in the gut microbiota compound over generations. Nature 529, 212–215 (14 January 2016) doi:10.1038/nature16504
  2. Als Einstieg dazu vgl. Assmann-Stiftung für Prävention. Zum Einfluss von Mangel-und Fehlernährung auf das Mikrobiom. Zugang über den Link: http://students4kids.org/blog/zum-einfluss-von-mangel-und-fehlernaehrung-auf-das-mikrobiom/

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