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Aspirin in der Prävention von Darmkrebs [120]

Aspirin, regelmäßig eingenommen, kann langfristig auch das Risiko für Darmkrebs bei über 50-Jährigen senken. Wie sich diese Schutzwirkung von Aspirin entfaltet, beschreiben jetzt Wissenschaftler  aus dem Massachusetts General Hospital in Boston im Journal JAMA Oncology. Wer mehr als zweimal in der Woche niedrig dosiertes Aspirin einnimmt und dies mindestens sechs Jahre lang kontinuierlich fortsetzt, kann damit sein Darmkrebsrisiko um bis zu einem Fünftel reduzieren. Da Aspirin nicht nur bei Entzündungen und Schmerzen hilft, sondern auch Darmpolypen am Wachsen hindert, die krankhaft wuchern können, ergänzt das Medikament präventivmedizinisch Darmkrebsvorsorgeuntersuchungen und ist dabei auch noch preiswert. In Deutschland erkranken jährlich rund 28.700 Frauen und rund 34.300 Männer neu an Darmkrebs. Darmkrebs gehört damit zur zweit- bzw. dritthäufigsten Krebsart überhaupt.


Wissenschaftliche Details

Acetylsalicylsäure (Aspirin), regelmäßig und über mehrere Jahre hinweg eingenommen, kann langfristig auch das Risiko für Darmkrebs senken. Details zur Schutzwirkung, zur Dosis und zur Dauer der Anwendung von Aspirin stellt jetzt das Journal JAMA Oncology vor (1;2). Die Publikation von Wissenschaftlern aus dem Massachusetts General Hospital in Boston bestätigt in der Auswertung von Daten zu 20.414 Krebserkrankungen bei 88.084 Frauen und zu 7.571 Krebserkrankungen bei 47.881 Männern aus der Nurses’ Health Study und der Health Professionals Follow-up Study den präventiven Nutzen von Aspirin für die Darmkrebsprävention:

+ Über 50-jährige Studienteilnehmer, die regelmäßig mehr als zweimal in der Woche und mindestens sechs Jahr lang Aspirin einnahmen, erkrankten um drei Prozent weniger an Krebs als diejenigen, die das Medikament seltener oder gar nicht nutzten. Damit konnte erstmals eine (geringe) Minderung des Gesamtkrebsrisikos mit Hilfe von Aspirin belegt werden.

+ Aspirin reduziert das Risiko für gastrointestinale Krebserkrankungen um 15 Prozent (RR 0,85; 0,80-0,91) und insbesondere für kolorektale Karzinome um 19 Prozent (RR 0,81; 0,75-0,88). Ein Zusammenhang zwischen Aspirin und dem Risiko für andere Krebsarten, etwa für Tumoren der Lunge, der Brust oder der Prostata, konnten nicht ermittelt werden.

+ Die darmkrebspräventive Wirkung ließ sich erst nach einer längerer Einnahmedauer von 6 bis 10 Jahren nachweisen.

+ Die Schutzwirkung von Aspirin für Darmkrebs entfaltete sich dosisabhängig.

Nachstehende Tabelle illustriert den dosisabhängigen Wirkzusammenhang (1).

Aspirin and Risk for Cancer

Aspirin ergänzt aus der Sicht der Bostoner Wissenschaftler die Krebsvorsorge mittels Darmspiegelung signifikant und letztendlich auch preiswert. Würden über 50-Jährige, so die Hochrechnung, die die Vorsorgekoloskopie nutzen, auch regelmäßig Aspirin zu sich nehmen, könnten jährlich 8,5 Prozent aller Darmkrebserkrankungen in den USA zusätzlich verhindern werden [1] (3). Ein mehrjähriger regelmäßiger Gebrauch von Aspirin könnte helfen, die darmkrebsbedingten Sterbefälle in den USA um bis zu einem Viertel zu senken.

Die Publikation der Forschergruppe um Andrew Chan enthält keine Angaben zu den Risiken der Aspirin-Anwendungen. Evidenzbasierte Studien zur darmkrebspräventiven Wirkung belegen immer wieder, dass eine langfristige Einnahme sogar von niedrig dosiertem Aspirin zu gastrointestinalen Blutungen führt, die tödlich sein können (4). Die US Preventive Services Task Force (USPSTF) hatte daher im Herbst vergangenen Jahres noch davon abgesehen, Aspirin trotz der überzeugenden Wirkstoffdokumentation allgemein für die Primärprävention von Darmkrebs zu empfehlen (5).

Neue Erkenntnisse zum Umgang mit dem Aspirin bedingten Blutungsrisiko enthalten die Zwischenergebnisse aus der ATACAS-Studie, die jetzt – vielbeachtet – im New England Journal of Medicine publiziert sind (6). ATACAS (Aspirin und Tranexamsäure für koronare Herzchirurgie) ist als multizentrische, doppelblinde, randomisierte Studie in Melbourne gestartet worden, um zu prüfen, wie die Gabe von Aspirin thrombotische Komplikationen (nicht-tödlicher Myokardinfarkte, Schlaganfall, Lungenembolie, Nierenversagen oder Darminfarkt) und die Sterblichkeit bei Risikopatienten reduziert, die sich einer koronare Herzoperation unterziehen müssen.

Da Aspirin auch die Blutgerinnung verringert, ist es an vielen Herzchirurgie-Zentren üblich, die Gabe von Aspirin 5-7 Tage vor dem operativen Eingriff abzusetzen und dabei in Kauf zu nehmen, dass dadurch möglicherweise das Thromboserisiko für die Patienten ansteigt. Ergebnisse aus der ATACAS-Studie belegen, dass diese Medikamentenpause nicht immer zwingend erforderlich ist. So traten schwere Blutungen, die eine Re-Operation erforderten, in der präoperativen Aspirin-Gruppe bei 1,8 Prozent und in der Placebo-Gruppe bei 2,1 Prozent der Patienten auf. Die Studienautoren führen diese relativ geringe Rate an Blutungskomplikationen mit Aspirin unter anderem auf die Auswahlkriterien der Risikopatienten und auf die niedrige Dosierung des Medikaments (100 mg) zurück.


Zum Weiterlesen

(1) Y. Cao et al. (2016): Population-wide Impact of Long-term Use of Aspirin and the Risk for Cancer. In: Journal of the American Medical Association Oncology, Vol, 2, Nr. 6, S. 762-769. Online unter http://oncology.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=2497878

(2) E. Vilar et al. (2016): Aspirin for Cancer Prevention. One Step Closer. In: Journal of the American Medical Association Oncology, Vol. 2, Nr. 6, S. 770-771. Online unter http://oncology.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=2497876

(3) H. Brenner et al. (2016): Rückgang der Inzidenz und Mortalität von Darmkrebs in Deutschland. Analyse zeitlicher Trends in den ersten 10 Jahren nach Einführung der Vorsorgekoloskopie. In: Deutsches Ärzteblatt International, Vol. 113, Nr. 7, S. 101-6. Online unter https://www.aerzteblatt.de/archiv/174921/Rueckgang-der-Inzidenz-und-Mortalitaet-von-Darmkrebs-in-Deutschland

(4) J. Chubak et al. (2015): Aspirin Use for the Prevention of Colorectal Cancer: An Updated Systematic Evidence Review for the US Preventive Services Task Force. In: Evidence Syntheses, Nr. 133. Online unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK321661/

(5) U.S. Preventive Services Task Force (2015) Draft recommendation statement: aspirin to prevent cardiovascular disease and cancer: Preventive Medication. Online unter www.uspreventiveservicestaskforce.org/Page/Document/draft-recommendation-statement/aspirin-to-prevent-cardiovascular-disease-and-cancer

(6) P.S. Myles et al. (2016): Stopping vs. Continuing Aspirin before Coronary Artery Surgery. In: The New England Journal of Medicine, Vol. 374, S. 728-737. Online unter http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1507688

Fußnote

[1] In Deutschland ist von der Einführung der Vorsorgekoloskopie im Jahr 2002 bis zum Jahr 2012 nach zuvor jahrzehntelangem Anstieg die Darmkrebsinzidenz in den Altersgruppen ab 55 Jahren die Darmkrebshäufigkeit um 17–26 % gesunken. Da die Koloskopie jedoch nur mäßig in Anspruch genommen wird, beeinflussen noch andere Faktoren diese Trendumkehr mit, insbesondere der verstärkte Einsatz von Aspirin und der Rückgang im Tabakkonsum.


Bitte beachten Sie ebenso

Vorteile und Risiken von Aspirin in der Primärprävention bei über 70-Jährigen [255]

 

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