Eine neue App kann Blutarmut anhand der Färbung von Fingernagelbetten und im Abgleich mit Metadaten auf Smartphone-Fotos erkennen. Mit dieser Technik gelang es Wissenschaftlern von der Emory University School of Medicine in Atlanta, den Hämoglobin-(Hb-)Wert mit einer Genauigkeit von bis zu 0,92 g / dl zu bestimmen. Die Experten empfehlen, die App in einem flächendeckenden Screening einzusetzen, um den Verdacht auf Blutarmut bei Risikogruppen wie beispielsweise Schwangeren, Kleinkindern oder Älteren vor allem in ländlichen Bereichen auszuschließen. Zudem lasse es die hohe Messgenauigkeit der App zu, dass an Anämie erkrankte Patienten ihre Hämoglobin-Werte im häuslichen Umfeld eigenverantwortlich mitüberwachen, so die Forscher. Die App und ihre Anwendungstests sind jetzt im Journal Nature Communications beschrieben (1).
Wissenschaftliche Details
Eine Anämie ist durch niedrige Hämoglobinwerte im Blut charakterisiert. Die Ursachen von Blutarmut reichen von Ernährungsdefiziten wie Eisen- oder Folsäuremangel bei Schwangeren, Kleinkindern und Älteren bis hin zu seltenen genetischen Defekten, die zur Sichelzellanämie oder zur Thalassämie führen können. Weltweit sind mehr als zwei Milliarden Menschen von dieser Erkrankung betroffen. Doch bleiben Anämien oft unentdeckt, unter anderem wenn die aufwendige Bestimmung des Hämoglobinwertes in einem Labor aufgrund mangelnder Kapazität nicht möglich ist.
Eine App könnte jetzt helfen, Blutarmut mit Hilfe eines unkomplizierten und kostengünstigen Testfotos einer Smartphone-Kamera überall und sofort bei Jedermann zu erkennen. Davon gehen Medizin-Ingenieure von der Emory University School of Medicine in Atlanta aus, die diese mHealth-Technik erarbeitet und kürzlich veröffentlicht haben (1).
Die Wissenschaftler nutzten die Erfahrung aus dem Alltag, dass insbesondere Blässe auf Blutarmut hinweisen kann. Als aussagekräftig erwies sich hierfür die für die Betroffenen typische, zu geringe Färbung des Fingernagelbettes, da die Haut darunter dünn ist und kein Melanin enthält. Fotos von den Fingerkuppen von 237 gesunden und auch an verschiedenen Anämien erkrankten Personen dienten zunächst als Vorlage, um einen speziell entwickelten Algorithmus zu trainieren, den Zusammenhang zwischen der Hautfärbungen und den Hämoglobinwerten zu erkennen. Um Störfaktoren auf die Hämoglobinmessung auszuschalten, etwa den Einfluss von Kamerablitzreflektionen oder auch von nicht Anämie-bedingten Weißverfärbungen (Leukonychia), wurde der Algorithmus in der App mit einer zusätzlichen Qualitätskontrollsoftware verknüpft.
Die App schätzte den Hämoglobinwert vom 100 Testpersonen durch Analyse der Farbe und Metadaten von Smartphone-Fotos von Fingernagelbetten zuverlässig und erkannte Anämien (Hämoglobinwerte <12,5 g dL-1) mit einer Genauigkeit von ± 2,4 g / dl und einer Empfindlichkeit von 97 %. Darüber hinaus erreicht diese Messtechnik mit einer personalisierten Kalibrierung bei 16 Anämie-Patienten eine Präzision von ± 0,92 g / dl im Abgleich mit der klassischen Labordiagnostik von Blutproben.
Die entwickelte Smartphone-Diagnostik dürfte zu erheblicher Kostenersparnis beitragen, da sie weder Reagenzien noch zusätzliche Geräte erfordert, so die Wissenschaftler. Sie ist universell einsetzbar, da mit ihr die Hämoglobinwerte nahezu überall und von jedem bestimmt werden können. Die derart ermittelten Messdaten liefern auch eine Grundlage für die Entscheidung, ob eine umfangsreiche Labordiagnostik oder eine weiterführende Behandlung aufgrund von Blutarmut nötig ist.
Zum Weiterlesen
(1) R.G. Mannino et al. (2018): Smartphone app for non-invasive detection of anemia using only patient-sourced photos. In: Nature Communications, Vol. 9, Nr. 4924. Online unter https://www.nature.com/articles/s41467-018-07262-2