fbpx

Abgestorbene Hirnzellen weisen auf Verlauf von Alzheimer hin [265]

Eine einfache Blutuntersuchung kann den Verlauf von Hirnabbauprozessen bis zu 16 Jahre im Voraus vorhersagen, bevor die Symptome einer Alzheimer-Demenz auftreten. Wissenschaftler aus dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen und der Universität Washington haben diesen neuen Test entwickelt und jetzt im Journal Nature Medicine beschrieben (1). Sie konnten nachweisen, dass Veränderungen in der Ansammlung von Überresten der schon abgestorbenen Hirnzellen im Blut dem irreversiblen Gedächtnisverlust nicht nur vorausgehen, sondern auch ein Muster für dessen Ablauf enthalten. Als zuverlässiger Biomarker hierfür diente das Neurofilament light chain (NFL).


Wissenschaftliche Details

Die meisten Tests zur Früherkennung einer Alzheimer-Erkrankung beruhen auf dem Nachweis von fehlgefalteten Eiweißverbindungen im Blut, den Amyloiden. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), des Hertie-Instituts für klinische Hirnforschung (HIH) und des Universitätsklinikums Tübingen haben einen anderen Ansatz gewählt und nun gezeigt, dass auch bestimmte Überreste von schon abgestorbenen Hirnzellen geeignet sind, um frühzeitige und zuverlässige Prognosen zum Verlauf einer Alzheimer-Erkrankung treffen zu können (1).

Die Neurologen entwickelten zunächst einen Test, mit Hilfe dessen die Konzentration des Neurofilament „Light Chain“ (NFL) im Blut zu ermitteln ist. NFL ist ein Abbauprodukt, das beim Zerfall von Nervenzellen über den Liquor auch ins Blut gelangt und dort nicht sofort abgebaut wird. Die Vorhersagekraft dieses neuen Tests erprobten die Tübinger Hirnforscher gemeinsam mit ihren Washingtoner Kollegen im „Dominantly Inherited Alzheimer’s Network“ (DIAN). Das Netzwerk begleitet Kinder von Alzheimer-Patienten, die als Träger von Risikogenen mit hoher Wahrscheinlichkeit und ebenso wie ihre Eltern schon in der Lebensmitte an Demenz erkranken.

Daten von 247 erblich vorbelasteten und von 182 Studienteilnehmern ohne Genmutationen ermöglichten einen Vergleich. Dieser ergab eine erhöhte Konzentration des NFL bei allen Betroffenen im Vorstadium der familiären Alzheimer-Erkrankung im Liquor und im Blut. Die erhöhte Ansammlung von NFL setzte bei den Betroffenen bis zu 16,2 Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome ein und erreichte am Ende des Alzheimer-Vorstadiums ihren Höhepunkt. So ist nach Ansicht der Experten weniger ein bestimmter NFL-Spiegel, sondern vielmehr seine zeitliche Veränderung aussagekräftig für die weitere Entwicklung der Alzheimer-Demenz.

Deren Dynamik ließ teilweise sogar Rückschlüsse über den Verlauf der Hirnabbauprozesse zu. So entsprach in einer Gruppe von 39 Patienten der Anstieg des NFL-Spiegels im Blut dem Grad des Verlustes von Gedächtnisleistungen, gemessen mit dem „Mini-Mental State Exam“ (MMSE) und dem Logical-Memory-Test. MRT-Untersuchungen belegten begleitend dazu den Rückgang der Hirnsubstanz im Detail.

Lediglich 1 % der Patienten weist die seltene genetische Mutation auf, die für die familiäre Alzheimer-Erkrankung bestimmend ist. Die Experten sind dennoch zuversichtlich, den vielversprechenden Test nach Folgeforschungen künftig auch zur Prognose für weitere Arten der Alzheimer-Demenz einsetzen zu können. Denkbar sei auch seine Anwendung zur Früherkennung anderer Hirnerkrankungen wie Multipler Sklerose oder eines Schlaganfalls.


Zum Weiterlesen

O. Preische et al. (2019): Serum neurofilament dynamics predicts neurodegeneration and clinical progression in presymptomatic Alzheimer’s disease. In: Nature Medicine, Vol. 25, S. 277–283. Online unter https://www.nature.com/articles/s41591-018-0304-3

 

Comments are closed.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Unsere Webseite nutzt Cookies. Wenn Sie auf dieser Webseite bleiben, nehmen wir an, dass Sie damit einverstanden sind. Sie können unsere Cookies löschen. Wie das geht, erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Schließen