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Veränderungen im Erbgut verraten die Zahl der gerauchten Zigaretten [138]

An der Mikrostruktur von Tumoren lässt sich ablesen, ob und wie viele Zigaretten zur krankhaften Veränderung des Gewebes beigetragen haben. Rauchen beeinflusst das Erbgut. Je häufiger und je länger ein Mensch raucht, umso deutlicher bilden sich entsprechende Muster im Erbgut aus und umso höher steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich Tumore entwickeln. Experten können jetzt anhand dieser Muster und vor allem an Organen, die mit Tabak unmittelbar in Berührung kommen, berechnen, wie viele Zigaretten geraucht wurden und ob sie die Tumorbildung begünstigen. Die täglich gerauchte Schachtel Zigaretten über ein Jahr hinweg löst etwa rund 150 Erbgutveränderungen in Zellen der Lunge aus, 97 im Kehlkopf, 39 im Rachen und weitere 23 im Mund. Auch die Erbgutstruktur von Organen, die lediglich indirekt mit Tabak in Kontakt kommen, konserviert die krankmachenden Spuren des Rauchens, wenn auch viel schwächer und weniger eindeutig. Eine Schachtel Zigaretten am Tag dauerhaft geraucht, verändert so 18 Zellen in der Harnblase und immerhin 6 Zellen in der Leber pro Jahr. Für das amerikanisch-britische Wissenschaftlerteam, das dieses Ergebnis jetzt im Fachjournal Sciences bekannt gab, ist der Zusammenhang zwischen Rauchen und Krebs dennoch kein offenes Buch. Die Hochrechnungen helfen jedoch, die komplexen Mechanismen besser zu verstehen.


Wissenschaftliche Details

Im Tabak sind über 60 krebsfördernden Substanzen enthalten, die je nach chemischer Zusammensetzung zu Veränderungen an ganz unterschiedlichen Stellen im Erbgut führen und so, summiert, die Entwicklung von Tumoren begünstigen. Rauchen erhöht so das Risiko für mindestens 17 Tumorarten bei geschätzt 6 Millionen Menschen pro Jahr. Wissenschaftler vom Los Alamos National Laboratory in den USA und vom Wellcome Trust Sanger Institut in Großbritannien haben jetzt das Erbgut von 5.243 Tumoren der 17 raucherbedingten Krebsarten näher analysiert und mit dem Gewebe von Nichtrauchern verglichen. Sie fanden in den Tumorzellen mehr als 20 spezifische Mutationsmuster des Erbgutes, fünf von ihnen mit einer Verbindung zum Raucherverhalten. Eine Mustervariante, Signatur 5 genannt, wiederholte sich bei allen von Rauchen beeinflussten Krebstypen. Eine andere, als Signatur 4 bezeichnete trat nur in Tumoren von Organen auf, die mit Tabakrauch unmittelbar in Kontakt kommen, insbesondere in den Lungen und am Kehlkopf. Schwächere und weniger eindeutige Mutationsmuster ergaben sich aus Zellen von Organen, die nur indirekt mit Tabakrauch in Berührung kommen, etwa der Blase oder der Leber.

Die Zahl und die Art der Mutationen, die Tabak in den Tumorzellen hervorruft, ließen sich auf die Menge der gerauchten Zigaretten hochrechnen und umgekehrt. Die Wissenschaftler fanden bei einer täglich über das Jahr hinweg gerauchte Schachtel Zigaretten allein 150 Erbgutveränderungen in Zellen der Lunge. Der Kehlkopf war mit 97, der Rachen mit 39 und der Mundboden mit 23 Mutationen etwas weniger stark beeinträchtigt. In der Leber ließen sich immerhin sechs und in der Harnblase 18 Mutationen nachweisen. DNA-Methylierungen, die als epigenetische Schalter das Tumorwachstum begünstigen können, reagierten hingegen auf den Tabakkonsum kaum.

Rauchen hinterlässt in den Mustern eine Art genetischen Fingerabdruck, der zunehmend zur Belastung des Organismus wird, so die Studienautoren. Sie räumen allerdings ein, dass der Mechanismus, der vom Rauchen zur Tumorentstehung führt, nicht vollständig entschlüsselt werden kann, weil andere Risikofaktoren ebenso mit berücksichtigt werden müssen. Zudem sind die dafür zu bewältigenden Datenmengen extrem umfangreich. Schon allein für die Analyse der 5.243 Rauchertumore ist die gesamte Computerleistung des US-Kernforschungszentrums beansprucht worden. Das Wissen, wie viele Zigaretten Mutationen im Erbgut hervorrufen, trägt dazu bei, bewusst auf das Rauchen zu verzichten.


Zum Weiterlesen

L.B. Alexandrov et al. (2016): Mutational signatures associated with tobacco smoking in human cancer. In: Science, Vol. 354, Nr. 6312, S. 618-622. Online unter http://science.sciencemag.org/content/354/6312/618

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