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Veränderte Hirnflüssigkeitsmenge als ein frühes Anzeichen für Autismus [164]

Autismus wird über Verhaltensauffälligkeiten diagnostiziert. In der Regel sind die Kinder mindestens zwei Jahre alt, bis diese Regelabweichungen sicher eingeschätzt werden können. Magnetresonanzaufnahmen von der Menge der Hirnflüssigkeit lassen allerdings schon bei sechs Monate alten Säuglingen Prognosen zu, ob das Kind eine Autismus Störung entwickeln wird.

Untersuchungen von der University North Dakota zeigten, dass Kleinkinder mit autistischen Symptomen schon als Babys durch mehr Hirnflüssigkeit auffielen als bei gesunden Gleichaltrigen üblich. Die überschüssige Menge an Hirnflüssigkeit blieb im Verlaufe der nachfolgenden Lebensmonate im Umfang erhalten (1). Da Hirnflüssigkeit in Standard-MRT-Aufnahmen leicht zu erkennen ist, kann diese, so die Experten, lange vor den ersten Autismus Symptomen als möglicher früher Biomarker für die spätere Verhaltensstörung genutzt werden. Neueste Forschungen belegen, dass die Hirnflüssigkeit eine überaus aktive und bislang unterschätzte Rolle bei der Entwicklung und beim Erhalt gesunder Hirnfunktionen spielt.


Wissenschaftliche Details

Zerebrospinalflüssigkeit galt über Jahrzehnte hinweg lediglich als eine Schutzschicht zwischen dem Gehirn und dem Schädel. Inzwischen belegen Studien, dass es sich bei der Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit um ein dynamisches System handelt, das wesentlich zur Entwicklung und zum Erhalt gesunder Hirn- und Nervenfunktionen beiträgt (2). Es reguliert Aktivitäten der neuronalen Stammzellen mit, filtert insbesondere die Nebenprodukte des Gehirnstoffwechsels aus und leitet diese in die Lymphbahnen ab. Störungen in diesem Umlauf werden jetzt u.a. mit einer beschleunigten Alzheimer-Demenz in Verbindung gebracht (3). Zudem ist eine bestimmte Menge an Hirnflüssigkeit erforderlich, um die Hirn- und Nervenfunktionen gesund zu erhalten. Ein Zuwenig beeinträchtigt das Gehirnwachstum erheblich, auch weil erst ein bestimmter Druck die normale Hirnentwicklung ermöglicht. Ein Zuviel, sei es infolge einer Überproduktion oder einer Abflussstörung, kann zum Wasserkopf führen – oder auch ein Vorbote der Autismus-Spektrum-Störung sein.

Wissenschaftler von der University North Dakota dokumentierten die Hirnentwicklung von 343 Säuglingen, von denen 221 autistische Geschwister hatten, mit Magnetresonanztomographie-Aufnahmen (MRT) im Alter von 6, 12 und 24 Monaten. Bei 47 von ihnen wurde im Alter von zwei Jahren Autismus auf herkömmliche Weise in Verhaltenstests diagnostiziert. Unterschiede in der Hirnentwicklung im Vergleich zu den gesunden Kindern zeigten ihre MRT-Bilder allerdings schon ab dem Alter von sechs Monaten an. Ab diesem Zeitpunkt wurde bei ihnen eine um bis zu 15 Prozent größere Menge an Hirnflüssigkeit beobachtet, die sich in den nachfolgenden Monaten auch nicht verringerte. Je stärker die Autismus-Symptome bei den Zweijährigen ausgeprägt waren, umso grösser fiel auch die Differenz in der Menge der Hirnflüssigkeit aus. Einzig über die Abschätzung der Gehirnflüssigkeitsmenge hätte die Entwicklung von Autismus mit 70-prozentiger Genauigkeit vorhergesagt werden können. Die Wissenschaftler sehen in den Abweichungen in der Menge von Zerebrospinalflüssigkeit bei Säuglingen einen frühen und relativ einfach zu handhabenden Biomarker für später zutage tretende Autismusstörungen.


Zum Weiterlesen

(1) M.D. Shen et al. for the or the IBIS Network(2017): Increased Extra-axial Cerebrospinal Fluid in High-Risk Infants who Later Develop Autism. In: Biological Psychiatry, Vol. 82, Nr. 3, S. 186-193. Online unter https://www.biologicalpsychiatryjournal.com/article/S0006-3223(17)31217-9/fulltext

(2) M.P. Lun et al. (2015): Development and functions of the choroid plexus–cerebrospinal fluid system. In: Nature Reviews Neuroscience, Vol. 16, Nr. 8, S. 445–457. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4629451/

(3) S. Baluso et al. (2016): The choroid plexus-cerebrospinal fluid interface in Alzheimer’s disease: more than just a barrier. In: Neural Regeneration Research, Vol. 11, Nr. 4, S. 534-537. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4870896/

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