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Primärprävention als einzige Option gegen den stummen Herzinfarkt [152]

Mindestens vier von zehn Herzinfarkten verlaufen still. Betroffene spüren kaum etwas davon oder übersehen schlicht ihre akuten Beschwerden. Spuren, die der stille Herzinfarkt hinterlässt, werden meist nur zufällig entdeckt, oft während des EKGs bei später auftretenden Erkrankungen oder, und dann natürlich viel zu spät, bei der Obduktion.

Dabei ist der stille Herzinfarkt kaum weniger gefährlich als der eindeutig spürbare. Das Risiko zu versterben, steigt nach einem stummen Herzinfarkt um rund ein Drittel an. Frauen sind etwas mehr gefährdet als Männer, auch, weil sie Schmerzen in der Regel weniger heftig wahrnehmen oder sie duldsamer ertragen und so weniger einen Grund finden, rechtzeitig ärztlichen Beistand zu suchen. Ob das Training, um Schmerz stärker wahrzunehmen, auch ein Ansatz zur Prävention des Herzinfarktes sein kann, wird derzeit in Expertenkreisen kontrovers diskutiert.

So bleibt die Achtsamkeit gegenüber den gesicherten Risikofaktoren für den Herzinfarkt, wie Bluthochdruck, Rauchen, das fortgeschrittene Lebensalter, die familiäre Vorbelastung sowie eine herzschonende Lebensführung der bislang beste Weg, dem Herzinfarkt zu entgehen.


Wissenschaftliche Details

Stumme Herzinfarkte treten viel häufiger auf als bislang angenommen. Sie beschränken sich auch nicht nur auf bestimmte Risikoträger wie etwa Ältere oder auch Diabetiker. Dies zeigten exemplarisch Untersuchungen aus der Atherosclerosis Risk in Communities (ARIC)-Studie (1). Von den 9.498 vormals herzgesunden ARIC-Teilnehmern erlitten innerhalb von neun Jahren 317 einen stillen, und erst später im Verlaufe eines EKGs entdeckten Herzinfarkt und 386 einen Herzinfarkt mit klinischen Symptomen.

 Im Vergleich: Die Gefahr für einen späteren Verschluss der Herzkranzgefäße erhöhte sich nach dem diagnostizierten Herzinfarkt um das 4,7 fache, nach unerkannten um das 3,6 fache. Jedoch wurden geschlechterspezifische Unterscheide gefunden. Obgleich Männer von beiden Infarktarten rund doppelt so häufig betroffen waren wie Frauen, trugen Frauen ein potentiell höheres Risiko, nach einem stillen Herzinfarkt zu versterben. Die höhere Schmerztoleranz insbesondere von Frauen könnte daher ein Risikofaktor sein, wenn Herzinfarkte nicht oder zu spät erkannt werden. Inwieweit Schmerzsensibilität dazu beitragen kann, Herzerkrankungen schneller und eindeutiger zu erkennen, überprüften jetzt norwegische Wissenschaftler mit einem Eiswassertest bei Überlebenden eines Herzinfarktes (2). Ihre Schmerzempfindlichkeit wurde daran gemessen, wie lange es ihnen gelang, eine Hand im drei Grad kühlen Wasser eines Eiskanals zu belassen. Maximal 106 Sekunden waren vorgesehen. Im Ergebnis hielt es die Gruppe mit einem vormals stillen Herzinfarkt länger im Eiswasser aus als die Kandidaten, die ihren Herzinfarkt eindeutig gespürt hatten. Frauen erwiesen sich als schmerzresistenter als die Männer.
Von diesem Befund ausgehend haben die norwegischen Wissenschaftler vorgeschlagen, die Schmerzempfindlichkeit in der Prävention von Herzinfarkten stärker als bislang zu berücksichtigen.

Warum manche Menschen einen Herzinfarkt erleiden, ohne dabei die Gefahr, in der sie sich befinden, zu spüren, ist bislang ungeklärt. Auch das Schmerzempfinden liefert nicht immer eindeutige Signale. Andere unspezifische Warnsignale für einen drohenden Herzinfarkt wie etwa Müdigkeit, allgemeines Unwohlsein oder das Anschwellen der Beine gehen selten mit einem Schmerzgefühl einher (3). Zudem unterbrechen geschädigte Nervenbahnen häufig die Übertragung von Störungen. Zusätzlich kommt hinzu, dass stille Herzinfarkte auch mit Hilfe der gängigen EKG-Diagnostik nicht sicher gefunden werden (4).

Die Beachtung der klassischen Risikofaktoren, wie etwa Bluthochdruck, Rauchen, ein höheres Lebensalter und die familiäre Belastung sowie ein herzschonender Lebensstil bleibt die sicherste Methode, um den Herzinfarkt, verläuft er nun still oder spürbar, zu vermeiden (5).


Zum Weiterlesen

(1) Z.M. Zhang et al. (2016): Race and Sex Differences in the Incidence and Prognostic Significance of Silent Myocardial Infarction in the Atherosclerosis Risk in Communities (ARIC) Study. In: Circulation, Vol. 133, Nr. 22, S. 2141-8. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/pmid/27185168/

(2) A. M. Øhrn et al. (2016): Pain Tolerance in Persons With Recognized and Unrecognized Myocardial Infarction: A Population‐Based, Cross‐Sectional Study. In: Journal of the American Heart Association, Vol. 5, Nr. 12. Online unter http://jaha.ahajournals.org/content/5/12/e003846

(3) Assmann-Stiftung für Prävention (2018): Eine weltweite”Epidemie” – Koronare Herzkrankheit (KHK). Warnsignale für einen Herzinfarkt. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/herzinfarkt-khk/warnsignale/

(4) E.B. Turkbey et al. (2015): Prevalence and Correlates of Myocardial Scar in a US Cohort. In: The Journal of the American Medical Association, Vol. 314, Nr. 18, S. 1945–1954. Online unter https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2468890

(5) Assmann-Stiftung für Prävention (2018): Eine weltweite”Epidemie” – Koronare Herzkrankheit (KHK). Koronare Herzkrankheit und ihre Risikofaktoren. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/herzinfarkt-khk/risikofaktoren/

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