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Beschleunigte Hirnalterung aufgrund von zu hoher Feinstaub-Belastung [111]

Eine durchschnittliche Feinstaub-Belastung in Städten reicht aus, um das Gehirn schneller altern zu lassen.

Wissenschaftler vom Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston gelangten jetzt zu dieser Einschätzung, nachdem sie mit Hilfe von Magnetresonanztomographien (MRTs) Veränderungen in der Gehirnstruktur entdeckten, die letztendlich von einer zu hohen Feinstaub-Konzentration in der Umwelt ausgelöst werden (1).

975 Probanden, durchschnittlich 69 Jahre alt und zur Hälfte weiblich, aus der Framingham Offspring-Kohorte ohne Anzeichen von Schlaganfall und Demenz wurden in die Studie einbezogen. Neben den sozialökonomischen Indikatoren war primär die Entfernung ihres Wohnortes von Hauptverkehrsstraßen in den Regionen New England und in New York State maßgeblich für den Einschluss in die Studie. Die Belastung durch Feinstaubpartikel von 2,5 Mikrometern  (PM 2,5) zu verschiedenen Jahreszeiten und für unterschiedliche Wohnorte wurde insbesondere durch Satellitenbilder dokumentiert und über ein Jahr hochgerechnet.

Studienteilnehmer, die näher an Hauptverkehrsstraßen leben, wiesen im Durchschnitt ein geringeres Volumen des gesamten zerebralen Hirns im Vergleich zu Gleichaltrigen in größerer Distanz zum Straßenverkehr auf.

Mit jedem Anstieg der Feinstaubbelastung um zwei Mikrogramm pro Kubikmeter Luft unterlagen die Studienteilnehmer zudem einem um 46 Prozent höheren Risiko für sogenannte stille Schlaganfälle, also kleinere, oft unbemerkt verlaufende vaskuläre Ereignisse. Stille Schlaganfälle gelten als Warnsignal für künftige größere Schlaganfälle oder auch für Demenzen und Depressionen. Auch kann eine beschleunigte, nicht altersentsprechende Hirnathropie auf ein höheres Schlaganfall- und Demenzrisiko hinweisen. Die Wissenschaftler vermuten, dass Feinstaub eingeatmet in der Lunge Entzündungen auslöst, die sich im ganzen Körper und so auch bis ins Gehirn ausbreiten.

Obgleich der krankheitsauslösende Mechanismus der Partikel letztendlich unklar und umstritten ist, so sind sich Forscher weltweit nahezu einig in der Ansicht, dass die gesundheitlichen Folgen einer langfristigen und auch kurzzeitigen erhöhten Feinstaubbelastung bislang erheblich unterschätzt werden.

Einen Anhaltspunkt, wie viele Menschen weltweit aufgrund zu hoher Feinstaubbelastung erheblich geschädigt sind, bietet die im Journal Nature publizierte Modellrechnung aus dem Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz (3). Die Autoren führen 3,15 Millionen vorzeitige Todesfälle weltweit auf Schadstoffe in der Luft zurück, rund zehnmal so viele wie im Straßenverkehr Verstorbene. Mit 1,4 Millionen in China und mit 640.000 in Indien werden in Asien die meisten Sterbefälle aufgrund von Feinstaub registriert. Auf Deutschland entfällt mit 35.000 Sterbefällen im Jahr mehr als ein Fünftel der rund 180.000 jährlichen Feinstaub-Opfer in Europa.

Eine Karte (4) illustriert die geografische Verteilung der Ursachen anschaulich:

Feinstaub Ursachen Erkrankung

Source categories (colour coded): IND, industry; TRA, land traffic; RCO, residential and commercial energy use (for example, heating, cooking); BB, biomass burning; PG, power generation; AGR, agriculture; and NAT, natural

Beispielgebend hat die Europäische Kardiologische Gesellschaft (ESC) gemeinsam mit der European Association for Cardiovascular Prevention and Rehabilitation (EACPR) und dem European Heart Network (EHN) eine Initiative Umwelt und das Herz ins Leben gerufen (5). Die Initiative stützt sich u.a. auf ein Positionspapier, das den direkten Zusammenhang von Luftverschmutzung und kardiovaskulären Erkrankungen quantifiziert (6). Ziel der Kampagne ist es, die Wechselwirkungen zwischen Umwelt und kardiovaskulärer Gesundheit stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken und wirksame zivile wie politische Aktionen zu initiieren, um mit einer Entlastung der Umwelt auch die Last kardiovaskulärer Erkrankungen zu mindern.

Zum Weiterlesen:

  1. E. H. Wilker, Long-Term Exposure to Fine Particulate Matter, Residential Proximity to Major Roads and Measures of Brain Structure. Stroke. 2015; 46:1161-1166. DOI: 10.1161/STROKEAHA.114.008348.
  2. Exemplarisch: A. Shah et al. Short term exposure to air pollution and stroke: systematic review and meta-analysis BMJ 2015; 350 doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.h1295 (Published 24 March 2015)http://www.bmj.com/content/350/bmj.h1295 und
    R. Beelen et al. Effects of long-term exposure to air pollution on natural-cause mortality: an analysis of 22 European cohorts within the multicentre ESCAPE project. Lancet. 2014 Mar 1; 383(9919):785-95. doi: 10.1016/S0140-6736(13)62158-3 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24332274
  3. J. Lelieveld et al., The contribution of outdoor air pollution sources to premature mortality on a global scale.   Nature 525, 367–371 (17 September 2015) doi:10.1038/nature15371 http://www.nature.com/nature/journal/v525/n7569/full/nature15371.html
  4. Quelle der Grafik: Figure 2: Source categories responsible for the largest impact on mortality linked to outdoor air pollution in 2010.vgl. (3)
  5. Environment & the Heart Campaign http://www.escardio.org/The-ESC/Initiatives/environment-the-heart#_edn1
  6. D. Newby Expert position paper on air pollution and cardiovascular disease. European Heart Journal. Doi:10.1093/eurheartj/ehu458 http://eurheartj.oxfordjournals.org/content/ehj/early/2014/12/08/eurheartj.ehu458.full.pdf

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