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Ausreichend Sonnenlicht in der Jugend kann vor Kurzsichtigkeit bewahren [145]

Brillenträger sind in Schulen und weiterführenden Bildungseinrichtungen längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Mehr als ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland ist mittlerweile kurzsichtig, Tendenz steigend. Unvermeidlich ist diese Entwicklung nicht. Ultraviolett reiches Sonnenlicht kann dabei helfen, wieder oder dauerhaft aus eigener Kraft scharf in die Ferne zu sehen.

Ein Beleg dafür kommt aus China. Dort hat schon ein dauerhafter, einstündiger Zusatz-Aufenthalt im Freien dazu geführt, dass Grundschüler weniger häufiger eine Brille benötigen (1;2). Untersuchungen quer durch Europa bestätigen den Zusammenhang zwischen dem Aufenthalt im Sonnenlicht und dem normalen Sehvermögen – bei Jüngeren wie bei Älteren (3). Senioren, die sich in ihrer Jugend häufiger im Freien aufhielten, leiden heute seltener an Kurzsichtigkeit als Gleichaltrige, die früher überwiegend in Gebäuden blieben bzw. bleiben mussten.

Unterschiede in der Vitamin D-Versorgung sind zwar ein nahe liegender, aber nicht ausschlaggebender Grund für die hilfreiche Wirkung der ultravioletten Sonnenstrahlen. Da bei den normal sehenden Senioren, die ihre Jugend im natürlichen Licht verbrachten, eine überdurchschnittliche Konzentration von Lutein nachgewiesen wurde, vermuten Experten, dass dieser Sehfarbstoff die Entwicklung der Netzhaut schützt.


Wissenschaftliche Details

Kurzsichtigkeit hat weltweit ein immenses Ausmaß angenommen, so dass sie fast schon zur Normalität gehört. Rund 40 Prozent der Europäer benötigen derzeit eine Brille, in manchen Gegenden Asiens sollen es mehr als doppelt so viele sein (4;5). Das langanhaltende Fokussieren des Blickes auf kleine Flächen und der beständige Mangel an natürlichem Licht wirken sich neben genetischen Einflüssen sehschädigend aus.

Da das Sonnenlicht an der Bildung und der Verwertung von Vitamin D im Stoffwechsel beteiligt ist, lag auch für ein Wissenschaftlerteam von der London School of Hygiene and Tropical Medicine die Vermutung nahe, dass sich Kurzsichtigkeit und Vitamin-D-Mangel bedingen könnten. Um dies zu prüfen, werteten sie Daten aus der European Eye Study neu aus. Die Studie enthält Angaben zum Lebensstil von über 65-Jährigen aus sechs nord- und südeuropäischen Städten auf der Linie von Bergen in Norwegen bis Alicante in Spanien. 371 von den 3.168 augenärztlich untersuchten Senioren verfügten über eine Sehkraft von minus 0,75 Dioptrien oder weniger und galten damit als kurzsichtig. Menschen mit einem langen Bildungsweg waren besonders davon betroffen.

Alle kurzsichtigen Frauen und Männer haben sich erwartungsgemäß in ihrer Jugend wesentlich seltener im Freien aufgehalten als normal sehende Gleichaltrige. Ein Abgleich zwischen den persönlichen Berichten und den Angaben zur Sonneneinstrahlung aus alten meteorologischer Karten ermöglichte diese Einschätzung. Und das energiereiche, ultraviolette (uvb) Sonnenlicht in der Jugend wirkte sich spürbar auf das Sehvermögen in den nachfolgenden Lebensphasen aus.

Senioren, die insbesondere in der Pubertät intensiv einer natürlicher ultravioletter Strahlung ausgesetzt waren, litten am seltensten an Kurzsichtigkeit. Auch häufiges Sonnenlicht im Lebensabschnitt zwischen 20 und 39 Jahren reduziert die Sehschwäche noch im Alter [1]. Doch die vermutete Verbindung zwischen der Kurzsichtigkeit und einem reduzierten Vitamin D-Stoffwechsel bestätigte sich überraschender Weise nicht. Weder die Vitamin D3-Werte im Blut noch die Aktivität der über 90 Erbgutabschnitte, die als Marker für den Vitamin D Stoffwechsel bekannt sind, unterschieden sich signifikant von den Labordaten der nicht-kurzsichtigen Senioren. Dafür fiel im Blut der Kurzsichtigen eine um rund ein Viertel geringere Lutein-Konzentration auf. Die höchste Konzentration von Lutein war einem reduzierten Risiko für Kurzsichtigkeit verbunden [2].

Lutein, gehört zu den Carotinoiden und ist wie zum Beispiel auch β-Carotin, ein sekundärer Pflanzenfarbstoff. Lutein kommt als ein Bestandteil der Sehfarbstoffe besonders in der Macula vor, die für das scharfe Sehen verantwortlich ist. Experten vermuten, dass Lutein im Vergleich zum Vitamin D unmittelbarer auf die Entwicklung der Netzhaut einwirken kann und sie auch anti-oxidativ schützt. Weitere Studien sollen den unerwartet gefundenen Zusammenhang klären. Gesichert ist, dass der Aufenthalt im Freien sich vorteilhaft auf das Sehvermögen auswirkt, sei es aufgrund der Lichthelligkeit, des unterschiedliche Wellenlängenspektrum oder auch einer ausgedehnten Brennweite im Vergleich zur künstlichen Beleuchtung.


Zum Weiterlesen

(1) M. He et al. (2015): Effect of time spent outdoors at school on the development of myopia among children in China: a randomized clinical trial. In: Journal of the American Medical Association, Vol. 314, Nr. 11, S. 1142-1148. Online unter https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2441261

(2) Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) (2016): Spielen im Freien schützt vor Kurzsichtigkeit. Studie zeigt: Schon 40 Minuten täglich können helfen. Online unter http://www.dog.org/wp-content/uploads/2016/03/PM-DOG-Myopie_F.pdf

(3) K.M. Williams et al. (2017): Association Between Myopia, Ultraviolet B Radiation Exposure, Serum Vitamin D Concentrations, and Genetic Polymorphisms in Vitamin D Metabolic Pathways in a Multicountry European Study. In: Journal of the American Medical Association Ophthalmology, Vol. 135, Nr. 1, S. 47-53. Online unter http://jamanetwork.com/journals/jamaophthalmology/fullarticle/258825

(4) I.G. Morgan, K. Ohno-Matsui, S. Saw (2012): Myopia. In: The Lancet, Vol. 379, Nr. 9827, S. 1739-48.  Online unter https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(12)60272-4/fulltext

(5) K.M. Williams et al. (2015): Increasing prevalence of myopia in Europe and the impact of education. In: Ophthalmology, Vol. 122, Nr. 7, S. 1489-1497. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4504030/

Fußnoten

[1] Vgl. (2): Die Risikoreduktion für die Kurzsichtigkeit (Myopie) ist mit einer Standardabweichung der UVB-Exposition bei 14 bis 19 Jahren (OR-Verhältnis 0,81, 95% CI 0,71-0,92) und 20 bis 39 Jahren (OR 0,7, 95% CI 0,62-0,93) angegeben.

[2] Vgl.(2): Das höchste Quintil der Plasma-Lutein-Konzentrationen im Blut stand im Zusammenhang mit einem reduzierten relativen Risiko für die Kurzsichtigkeit: OR (0,57, 95% CI 0,46 bis 0,72, p = 0,001).

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